Abgang auf die Insel

  24.11.2020 Sport

Der Villmerger Adrian Meyer, Leiter Sport des FC Wohlen, geht ins Ausland für unbestimmte Zeit

Auszeit. Sabbatical. Oder wie es Adrian Meyer nennt: «Zeit für mich.» Der 51-Jährige reist in wenigen Tagen nach La Réunion. Auf der Insel im Indischen Ozean wird er rund vier Monate bleiben. Was danach kommt, ist ungewiss.

Stefan Sprenger

Ist es eine Midlife-Crisis? «Vielleicht», sagt Adrian Meyer. Grundsätzlich ist er mit seinem Leben zufrieden. Und dass der kinderlose «Edelsingle» – wie eine Freiämter Frauen-Clique ihn nennt – jetzt für mehrere Monate einfach «abhauen» kann, sieht er in erster Linie als luxuriöses Privileg. Sein Job habe ihn oft ausgebrannt und müde gemacht. «Jetzt den Reset-Knopf zu drücken, den Kopf zu leeren und einfach mal weg von allem zu sein, das schätze ich enorm», sagt Meyer. Er wird fehlen – in seinem Betrieb und besonders auch beim FC Wohlen.

Ein Talent des FC Villmergen

Seine Fussballbegeisterung nimmt in Villmergen seinen Anfang. Von seinem Zuhause musste er nur den Hügel hinunterrollen und war auf der Badmatte. Mit 16 Jahren macht er sein erstes Spiel in der 1. Mannschaft, damals in der 2. Liga. Vom FC Villmergen geht es zum FC Aarau in die Nationalliga C. Der Sprung ins «Eis» klappt nicht. Auch, weil er sich im dümmsten Moment verletzt. Über die Old Boys Basel (NLB) geht es zurück ins Freiamt. «Tschadi», wie er von allen genannt wird, wechselt zum FC Wohlen. Auf der Paul-Walser-Stiftung erlebt er sportlich erfolgreiche Jahre. Um die Jahrtausendwende schliesst sich ein Kreis. Meyer geht zurück zum FC Villmergen und lässt seine Karriere ausklingen.

Rückblickend sagt er: «Ich habe nicht wirklich auf die Karte Fussball gesetzt. Leider.» Vielleicht wäre aus ihm ja mehr geworden als «nur» ein starker 1.-Liga-Kicker? «Wer weiss», meint Meyer. Er steckte seine Energie dafür in seine berufliche Laufbahn. Er machte Karriere bei der «Chromos Group». Ein millionenschweres Unternehmen, das unter anderem mit Druckmaschinen sein Geld macht. «Ein riesiger Markt», meint der Villmerger. Er war verantwortlich für den Verkauf der Maschinen, hat eine länderübergreifende Führungsposition. Durchschnittlich hatte er pro Jahr (vor Corona) zwischen 50 und 70 Geschäftsreisen mit dem Flugzeug. Klimafreundlich ist das nicht, «aber notwendig», meint er. Denn Investitionen in Millionenhöhe macht man lieber persönlich als per Telefon.

Morgens Französisch, nachmittags Freizeit

Der Job raubt Kraft. Vor Jahren keimte der Wunsch auf, ein «Sabbatical» zu machen, sich eine Auszeit zu nehmen. 2019 wird es konkret. Adrian Meyer beginnt mit der Planung. Er will nicht nur einfach Urlaub machen, sondern auch sein Französisch aufpeppen. Er entscheidet sich für La Réunion. Eine Insel zwischen Mauritius und Madagaskar. Sein Flug geht diesen Freitag. Von Paris nach La Réunion. Gebucht hat er nur «one way». Es ist ein Inlandflug, weil die Insel zu Frankreich gehört. Allerdings benötigt er einen negativen Coronatest.

Adrian Meyer freut sich auf diese Auszeit. «Ich bin jetzt seit 30 Jahren im Beruf und seit 20 Jahren in derselben Firma. Ich freue mich nun auf diese Pause. Morgens lerne ich Französisch, nachmittags habe ich Freizeit.» Biken, wandern, tauchen – oder an der Strandbar bei 30 Grad ein Bier geniessen. Coronamässig sind die Massnahmen im Vergleich zu Europa eher gering. «Insofern ist es auch eine Flucht vor Corona. Das macht es noch ein wenig schöner für mich.» Wie lange soll der Trip dauern? «Ende März, Anfang Mai. Irgendwie so», meint Meyer. Vier Monate ist er auf der Insel, dann schaut er weiter. Je nachdem, wie er coronabedingt weiterreisen kann. Südafrika oder Dubai stehen auf dem Reiseplan. «Oder beides.»

Klingt alles ungewiss. Ist es auch. «Mal schauen, was mit mir geschieht in diesen Monaten.» Seine Mietwohnung in Villmergen hat er behalten. Wenn er zurückkehrt, könnte er sich einen Umzug gut vorstellen. «In die Innerschweiz an einen See», schwebt ihm vor. Vielleicht. Er weiss auch noch nicht, ob er wieder in seinen Job zurückkehrt. «Ich habe mit meinem Arbeitgeber die Situation offen diskutiert. Natürlich möchte er, dass ich in meine Position zurückkehre, was ich sehr schätze. Wir werden nach meiner Rückkehr ein Gespräch über meine berufliche Zukunft führen. Ich kann dann entscheiden, ob ich bleibe oder mir etwas Neues suche», sagt er.

Kehrt er zum FCW zurück?

Und was ist mit dem FC Wohlen? Adrian Meyer ist seit dem freiwilligen Abstieg aus der Challenge League im Jahr 2018 zu einer wichtigen Person in der Führungsetage geworden. Als Verwaltungsratsmitglied und Leiter Sport hatte er grossen Einfluss auf die Entscheidungen. Zudem besticht er mit seiner bodenständigen, ehrlichen und sympathischen Art. Sein Weggang ist ein herber Verlust für den FCW. «Ich habe meine Auszeit schon früh angekündigt. Die offizielle Übergabe ist schon gemacht», so Meyer. Es sei auch in diesem Fall noch unklar, ob er nach seiner Rückkehr noch weitermacht. «Ich mache es gerne und es spricht eigentlich nichts dagegen. Ich möchte es mir trotzdem offenlassen», so Meyer.

«Nichts mehr zu melden»

Er hat in den letzten zwei Saisons jeden einzelnen Spielervertrag gemacht und hat grosses Entscheidungsrecht, wenn es um Spielerverpflichtungen geht. «Für die nächste Saison haben schon fünf Spieler unterzeichnet», freut er sich. Balaj, Doda, Bozic, Keranovic und Künzli heissen die Verpflichteten. «Es wird noch mehr geben. Aber jetzt habe ich nichts mehr zu melden», meint er.

«Tschadi» Meyer, der den FC Wohlen bei seinem Umbruch begleitet und geprägt hat, verschwindet von der Bildfläche. Der Leiter Sport, der ein so grosses Herz für den Verein hat, ist jetzt eine Zeit lang weg. «Ich bin gespannt, was es in mir auslöst. Mein Ziel ist es auch, neuen Spirit zu tanken.»

Wann er zurückkommt und wie es mit ihm weitergeht, sei es beruflich, sportlich oder eine Win-win-Situation, ist total unklar. «Der FC Wohlen wird aber ein Teil von mir bleiben – für immer.»


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