Abschied einer Legende

  23.04.2021 Sport

Freiämter Spitzenschwinger Leo Betschart ist verstorben – Weggefährten erinnern sich

Während seiner eindrücklichen Schwingerkarriere lebte Leo Betschart in Sins. Jetzt ist er im Alter von 65 Jahren in seiner Wahlheimat Kanada einem Krebsleiden erlegen. Witwe Edith Betschart und Schwingerkollege Harry Knüsel sprechen über den 91-fachen Kranzsieger.

Am 21. Dezember 2020 nimmt Harry Knüsel, Schwingerkönig von 1986, den Telefonhörer in die Hand. Er möchte seinem Schwingerkollegen Leo Betschart zum 65. Geburtstag und der Pensionierung gratulieren. Aus einer netten Geste wird ein trauriges Telefonat. Knüsel erfährt, dass Betschart an Darmkrebs erkrankt ist. «Vor diesem Telefonat haben wir lange nichts mehr voneinander gehört. Danach habe ich ihn häufiger angerufen», sagt der Schwingerkönig von 1986.

Gegen Therapie und für Lebensqualität entschieden

Knüsel und Betschart verbindet einiges. Obwohl beide im Freiamt wohnhaft waren – Knüsel in Abtwil, Betschart in Sins – haben sie im Sägemehl den Schwingklub Cham-Ennetsee vertreten. Rund zehn Jahre lang waren sie gemeinsam die Aushängeschilder des Vereins. 2011 ist Betschart mit seiner Frau Edith nach Kanada ausgewandert. «Durch die Distanz ging der Kontakt etwas verloren. Vor drei Jahren, im März 2018, war er nochmals in der Schweiz. Wir sind dann spontan etwas essen gegangen. Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe. Bis zu diesem schicksalhaften Telefonat.»

Knüsel behält den Kontakt bei – bis zum 17. April. An diesem Tag ist Leo Betschart im Beisein seiner Frau Edith friedlich eingeschlafen. «Sie hat mich darüber informiert, dass er verstorben ist. Es hat mich sehr getroffen», so Knüsel.

Betschart hat sich gegen eine Chemotherapie und Bestrahlung entschieden. «Die Ärzte haben im gesagt, dass die Therapie sein Leben um einige Monate verlängern könnte, aber den Krebs, der schon auf Leber und Lunge gestreut hat, nicht ganz auf halten», berichtet Edith Betschart. «Er hat sich für eine homöopathische Behandlung und dadurch für mehr Lebensqualität entschieden. Zuletzt wurde er immer dünner, konnte diese Welt aber ohne leiden zu müssen verlassen.»

Knüsel: «Naturmensch und Publikumsliebling»

Betschart kam im Muotathal zur Welt und verbrachte seine Kindheit in Küssnacht am Rigi. Dort holte er sich auch erste Schwingerfahrungen, bis zum Umzug nach Sins und dem Wechsel zu Cham-Ennetsee.

Sein grösster Erfolg war der Sieg am Unspunnen-Schwinget 1981. Insgesamt gewann er 91 Kränze. Darunter vier Eidgenössische. Einen davon gewann der damals in Sins wohnhafte Schwinger 1986. Er verhalf zudem seinem Kollegen Knüsel zum Sieg am Eidgenössischen 1986. Betschart «stellte» gegen den amtierenden König Ernst Schläpfer und sorgte dafür, dass Knüsel im Schlussgang die bessere Ausgangslage hatte.

«Er war ein ehrgeiziger Schwinger, ein Naturmensch und ein Publikumsliebling», sagt Knüsel. «Die Menschen mochten ihn, weil er offensiv geschwungen hat. Als Mensch war Leo sehr offen.» So offen, dass er 2011 mit seiner Ehefrau Edith nach Kanada ausgewandert ist. «In jüngeren Jahren war er oft an Schwingfesten in Kalifornien und Kanada», erzählt sie. «Seither war es sein Traum, hierher auszuwandern. Den hat er sich erfüllt.» Die Betscharts haben in der Nähe von Halifax gelebt, wo Leo auf einer Hirschfarm gearbeitet hat. «Er war glücklich, dass sein Traum in Erfüllung gegangen ist.»

Seinen Sport hat er nicht vermisst, da er Schwingfeste in Kanada im TV verfolgen konnte. Sein liebstes Schwingfest war das auf dem Stoos. Dieses wollte er 2021 noch einmal besuchen. Die Coronapandemie und seine Erkrankung verhinderten, dass ihm dieser letzte Wunsch erfüllt wurde.

Obwohl er nie Mitglied im Schwingklub Freiamt war, hinterliess er auch in der Region seine Spuren. Neben dem Wohnort Sins, feierte er auch einen seiner Erfolge im Freiamt. Seinen einzigen Sieg an einem Aargauer Kantonalschwingfest konnte er 1988 in Jonen verbuchen.

Vollenweider: «Ich mochte ihn unglaublich gern»

Paul Vollenweider war von 1989 bis 1996 Präsident des Schwingklubs Freiamt. Seine Frau ist die Cousine von Leo Betschart. Er erinnert sich gut an den Spitzenschwinger. «Früher war der Schwingerkeller der Freiämter in Wohlen. Selbst für mich aus Mühlau war das eine halbe Weltreise. Die Oberfreiämter gingen deshalb alle nach Cham. Wir hatten aber ein gutes Verhältnis zwischen den beiden Vereinen», so Vollenweider. «Leo hat eine Zeit lang in der RS Freiamt im Schwergewicht gerungen. Als Schwinger war er ein absoluter Modellathlet. Vielseitig, unberechenbar, technisch sehr versiert – und gleichzeitig sehr fair.» Vollenweider hatte immer wieder Kontakt mit Betschart. Vor drei Jahren war er zu Besuch bei ihm in Kanada. «Ich wusste, dass es ihm zuletzt nicht gut ging. Er wird uns sehr fehlen. Ich mochte ihn unglaublich gern.» --jl


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