Alarmsirenen blieben stumm

  15.01.2021 Region Unterfreiamt

Bezirksgericht: Frau wegen Geldwäscherei verurteilt

Zu einer bedingten Geldstrafe von 7600 Franken und einer Busse von 800 Franken verurteilte das Bezirksgericht Bremgarten eine Frau, die versucht hatte, wieder Fuss in der Arbeitswelt zu fassen. Der Versuch ging gründlich daneben.

Erika Obrist

Das Stelleninserat einer Immobilienfirma auf einem Internetportal war verlockend: An zwei bis vier Tagen die Woche drei bis vier Stunden pro Tag arbeiten bei einem Lohn von 2400 Franken plus Spesen, dazu sieben Wochen bezahlte Ferien. Die 43-jährige Antonia (Name geändert) fühlte sich gleich angesprochen. Per E-Mail nahm sie Anfang letzten Jahres Kontakt auf mit der Immobilienfirma. Am nächsten Tag schon erhielt sie, wieder per E-Mail, einen Arbeitsvertrag, den sie mit ihren Personalien und ihrer Bankverbindung versah, unterschrieb und zurücksandte.

Laut Arbeitsvertrag musste sie von daheim aus mit Kunden telefonieren, Immobilienunterlagen bereitstellen, Einzahlungen von Kunden annehmen, Pakete mit Unterlagen samt Vorschusszahlungen auf Wunsch des Kunden an Verkäufer, Vermieter oder Inhaber von Immobilien verschicken. Müsste doch zu schaffen sein für die Frau, welche eine Ausbildung als Lebensmittelverkäuferin absolviert hat, dann aber während fast zwei Jahrzehnten ihre beiden Kinder grossgezogen und den Haushalt besorgt hat.

Geld nach Russland geschickt

Letzten März erhielt Antonia, die in einer Gemeinde in der Region wohnt, von ihrer Arbeitgeberin per E-Mail die Mitteilung, dass auf ihrem privaten Bankkonto 8800 Franken eingegangen sind. Im E-Mail wurde sie angewiesen, das Geld abzuheben und – abzüglich von 220 Franken Spesen – per Post nach Russland zu schicken. Dabei wurde sie genau instruiert, wie sie das Geld so in den Briefumschlag zu stecken hat, dass auch unter Licht nicht zu erkennen ist, dass sich Geld darin befindet. Und sollte die Post nach dem Wert der Sendung fragen, so sollte sie angeben: 15 Franken.

Was Antonia nicht wusste: Die 8800 Franken, die auf ihr Privatkonto überwiesen wurden, stammten aus einem Verbrechen. Unbekannte Täter hatten dieses Geld mittels Phishing vom Bankkonto einer Frau gestohlen. Mit der Entgegennahme dieser Summe und dem Weiterleiten des Geldes nach Russland habe es Antonia der Polizei verunmöglicht, das Geld aufzufinden und einzuziehen. Geldwäscherei sei das.

Mittels Strafbefehl wurde Antonia zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 170 Franken verurteilt und zu einer Busse von 800 Franken. Gegen diesen Strafbefehl hat Antonia Einspruch erhoben, weshalb ihr Fall am letzten Dienstag vor Bezirksgericht behandelt wurde.

Nie misstrauisch geworden

Ob sie angesichts des fürstlichen Lohns nicht stutzig geworden sei, wollte Einzelrichter Peter Thurnherr von Antonia wissen. Ob sie nicht misstrauisch geworden sei, dass der Zahlungsverkehr der Immobilienfirma über ihr Privatkonto gelaufen sei. Antonia gab sich arglos. Der Geldtransfer sei ihre allererste Tätigkeit gewesen für die Immobilienfirma. «Ich habe gemäss Vertrag gearbeitet.» Dass der Kontakt ausschliesslich via E-Mail stattgefunden hat, führte sie auf die strengen Corona-Beschränkungen zurück, die letztes Frühjahr galten.

Gemäss Thurnherr hätten sämtliche Alarmglocken schrillen müssen beim Verpacken und Versenden des Geldes nach Russland. Erst recht, dass Antonia angehalten wurde zu sagen, der Wert der Postsendung belaufe sich auf 15 Franken. Dass etwas nicht stimmen könnte, sei ihr erst am nächsten Tag aufgegangen, so Antonia. «Ich habe so etwas noch nie gemacht zuvor», sagte sie unter Tränen. Der Druck, einen Job zu finden, sei jedoch unglaublich hoch gewesen. Sie lebe mit den beiden Kindern getrennt von ihrem Mann in einem Einfamilienhaus. Der Mann zahlt monatlich 7750 Franken für die Kinder und sie, zudem bedient er die Hypothek, die auf dem Haus lastet. «Dieses Geld reicht nicht», so Antonia. Ausserdem wolle sie zurück in die Arbeitswelt.

«Nicht vorsätzlich gehandelt»

Die Verteidigerin führte an, Antonia habe nicht vorsätzlich gehandelt. Auch nicht blauäugig. «Die Immobilienfirma war im Handelsregister eingetragen, ihre Homepage war unverdächtig.» Von daher habe einem Arbeitsverhältnis nichts im Wege gestanden. Dass während des Lockdowns kein Vorstellungsgespräch stattgefunden habe, sei nachvollziehbar, bei Heimarbeit sogar Usus. Antonia habe auch nicht wissen können, dass die 8800 Franken aus einer illegalen Handlung stammten. «Sie hatte keinerlei Verdacht, vielmehr freute sie sich, in der Immobilienbranche tätig sein zu können.» Sie habe niemanden schädigen wollen.

Die Verteidigerin beantragte einen Freispruch. Sollte Antonia doch verurteilt werden, so sei das Strafmass weit tiefer anzusetzen als im Strafbefehl, da sie nicht vorbestraft sei und sich der Polizei gegenüber sehr kooperativ verhalten habe.

Strafmass heraufgesetzt

Gerichtspräsident Peter Thurnherr folgte der Verteidigung nicht. Er erhöhte die Strafe sogar. Er sprach Antonia schuldig der Geldwäscherei und verhängte eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 190 Franken, auf zwei Jahre bedingt, und eine Busse von 800 Franken.

Antonia hätte misstrauisch werden müssen angesichts des hohen Lohns und der Tatsache, dass kein Bewerbungsgespräch stattgefunden habe, begründete Thurnherr das Urteil. Zudem sei es weltfremd anzunehmen, dass eine Firma ihren Zahlungsverkehr über das Privatkonto einer Mitarbeiterin abwickle. «Spätestens zu dem Zeitpunkt, als Sie das Geld von Ihrem Konto abheben und am gleichen Tag noch nach Russland schicken mussten, da hätten Sie doch eingreifen müssen», so Peter Thurnherr.

Der Gerichtspräsident war sich abschliessend sicher, dass sich Antonia künftig nichts mehr zuschulden kommen lassen wird. Er wünschte ihr, dass sie wieder Tritt fasst in der Arbeitswelt.


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