Alles Gute, Marcel Leutert

  30.11.2021 Sport

Ringen, Nationalliga A, Halbfinal-Rückkampf: RS Freiamt – RS Kriessern 28:8 (14:3)

Nach dem Zwölf-Punkte-Vorsprung aus dem Hinkampf veredelt die RS Freiamt den Finaleinzug mit einem deutlichen 28:8 gegen Kriessern vor 500 Zuschauern in der heimischen Bachmattenhalle in Muri. Damit macht das Team Trainer Marcel Leutert, der am Kampftag seinen 49. Geburtstag feierte, ein besonderes Geschenk.

Josip Lasic

Die ganze Bachmattenhalle in Muri singt nach dem Rückkampf zwischen Freiamt und Kriessern «Happy Birthday» für Freiamt-Trainer Marcel Leutert. Aus über 500 Kehlen röhrt das Lied. Ein Geburtstag nach Mass für den Trainer? «Kann man so sagen», entgegnet Leutert mit einem breiten Lächeln. Der 28:8-Sieg seines Teams hat ihm diesen sicher versüsst.

Offenbar wollten die Gäste aus Kriessern das Geburtstagskind auch beschenken. Anders kann man sich Aufstellung und Leistung der Ostschweizer nicht erklären. Im letzten Kampf des Abends punktet Marc Dietsche Joel Meier aus und verhindert damit, dass Kriessern ohne einen einzigen Sieg nach Hause fährt. Die ersten neun Duelle gingen – teilweise überdeutlich – an den Gastgeber. Nach Dietsches 4:0-Sieg steht es am Ende «nur» 28:8. So bitter es für Kriessern klingen mag, das war Schadensbegrenzung. Das Resultat hätte noch deutlicher ausfallen können. «Der Meinung bin ich auch. Als ich die Aufstellung und die Gewichtsdifferenzen gesehen habe, dachte ich mir schon, dass es ein deutlicher Sieg für uns wird.»

Rätselhafte Aufstellung

Im Vorfeld des Kampfes hiess es vonseiten der Ostschweizer, dass sie sich noch mit Würde und vielleicht einem knappen Sieg verabschieden wollen. Die Aufstellung hat nichts in diese Richtung angedeutet. Damian Dietsche, Aktivringer und gemeinsam mit Mirco Hutter Teil des Trainerduos, ist nicht angetreten, obwohl er im Hinkampf als bester Kriessener galt. Auch Kaderringer Dominik Laritz wurde im letzten Moment aus der Aufstellung gestrichen. Begründung: Er ist angeschlagen. Offenbar wollen sich die Ostschweizer für die Bronzekämpfe gegen Einsiedeln schonen.

Wenn der Vize-Weltmeister fliegt  und der Gegner 115 kg wiegt

Auch wenn Kriessern am Ende chancenlos war, mussten sich die Freiämter den Sieg erarbeiten. Einige Kämpfe gilt es dabei hervorzuheben. Roman Zurfluh beispielsweise durfte im Freistil bis 130 kg mit seinen 91 kg Kampfgewicht gegen Noel Hutter ran. Dieser ist 115 kg schwer und hat damit ganze 24 Kilogramm mehr auf den Rippen als der Freiämter. Zurfluh liess sich davon nicht beirren. Technisch war er Hutter deutlich überlegen. Die Gewichtsdifferenz hat dem Freiämter aber zu schaffen gemacht. So gab es nur ein 4:1 nach technischen Punkten für Zurfluh.

Spannend war das Duell zwischen Doppellizenzer Damian von Euw und Ramon Betschart. Betschart, der vor Kurzem in Belgrad U23-Vize-Weltmeister geworden ist, hatte mit von Euw schon im Hinkampf seine Mühe. Damals endete das Duell 6:6 nach technischen Punkten, und es gab ein knappes 2:1 für Betschart. In Muri liess von Euw seinen Gegner spüren, dass ihn die Niederlage im Hinkampf geärgert hat. Nachdem Betschart wegen Passivität schon einen Strafpunkt kassiert hat, erwischt in von Euw zweimal, wirbelt ihn durch die Luft und holt zwei Vier-Punkte-Wertungen. Immerhin zeigt Betschart, dass er nicht umsonst Vize-Weltmeister ist und revanchiert sich ebenfalls mit einer Vier-Punkte-Wertung. Der Kampf geht diesmal dennoch an von Euw.

Die Leichtigkeit des Randy Vock

Bezeichnend für die Aufstellung von Kriessern war der Kampf von Randy Vock. Der EM-Bronze-Gewinner von 2019 durfte gegen Michel Steger ran. Der 18-Jährige ringt seine erste komplette NLA-Saison mit Kriessern. Mit Ausnahme eines Kampfes, den er forfait gewann, weil ihm kein Gegner gegenüberstand, hat er vor dem Duell gegen Vock neun Niederlagen kassiert.

Einige Sekunden sah es dann so aus, als könnte er Vock aber tatsächlich Probleme bereiten und vielleicht sogar punkten. Der Freiämter hatte aber offenbar schnell die Schnauze voll vom Gegner und legte ihn – als wäre es das Leichteste auf der Welt – auf den Rücken. Schultersieg.

Emotionen drohen überzukochen

Apropos Schultersieg. Ein solcher wurde Yves Müllhaupt nicht gegeben, obwohl er Gegner David Hungerbühler auf den Rücken gelegt hat (siehe Artikel unten). Marcel Leutert hat sich lauthals beschwert, und auch von den Kamprichtern ein Geburtstagsgeschenk bekommen. Eines, auf das er gerne verzichtet hätte. Das Präsent gab es in Form einer Gelben Karte. Im Kampf Müllhaupt/Hungerbühler und in denjenigen zwischen Nino Leutert und Dorien Hutter drohten die Emotionen zwischenzeitlich überzukochen. Marcel Leutert: «Ich hatte heute teilweise auch den Eindruck, dass die sich lieber prügeln wollen, als technisch zu ringen. Keine Ahnung, was mit ihnen los war.»

Müllhaupt und Nino Leutert bestrafen ihre Gegner mit einem 3:1beziehungsweise 4:0-Sieg. Mit einem 3:0 gegen Christoph Wittenwiler hat Nils Leutert wie sein Bruder dem Vater übrigens auch ein Geburtstagsgeschenk gemacht. Genauso wie auch Flurin Meier, Magomed Ayshkanov und Pascal Strebel. «Wir nehmen den Elan des Kampfes jetzt mit. Fürs Selbstvertrauen war das sicher gut», sagt das Geburtstagskind. «Jetzt, gegen Willisau beginnt aber alles wieder bei null. Es sind andere Konstellationen, andere Aufstellungen. Aber wir freuen uns.»

Zum 49. Geburtstag hat die RS Freiamt ihrem Trainer ein schönes Geschenk bereitet. Am nächsten Samstag, 19 Uhr, geht es in der Bachmattenhalle in Muri mit dem ersten Finalkampf gegen Willisau los. Am 11. Dezember kommt es zum Rückkampf bei den Luzernern. Ein allfälliger dritter Finalkampf würde am 18. Dezember stattfinden. Eine Woche vor Weihnachten. Falls die Freiämter Ringer also noch nach dem passenden Weihnachtsgeschenk für Marcel Leutert suchen – gegen den Meistertitel hätte er vermutlich nichts einzuwenden.


Es geht immer um etwas

Beim drittletzten Kampf gehen die Emotionen mit den Ringern durch

Nach sieben Kämpfen war der Halbfinal definitiv entschieden. Weder Finalteilnahme noch Rückkampf-Sieg waren der RS Freiamt noch zu nehmen. Dennoch entwickelte sich zwischen Yves Müllhaupt und David Hungerbühler ein packendes Duell.

Das Schöne im Sport sind die Emotionen. Und die RS Freiamt und Kriessern haben bewiesen, wie viel davon im Ringen steckt. Sieben Kämpfe sind bereits durch. Die RS Freiamt führt mit 22:3. Der Hinkampf endete 24:12 für die Freiämter. Der Gastgeber steht im Final und wird auch den Rückkampf gewinnen. Es geht um nichts mehr. Oder? Im Kampf zwischen Yves Müllhaupt und David Hungerbühler sieht es nicht danach aus. Es brodelt noch einmal richtig.

Kein Schultersieg, dafür fliesst Blut

Was ist passiert? Yves Müllhaupt führt nach technischen Punkten mit 1:0. Dann ergeben sich zwei Situationen, in denen der Weinfelder, der mit Doppellizenz für Freiamt ringt, eigentlich einen Schultersieg holt. «Eigentlich», weil die Kampfrichter in beiden Fällen keinen Schultersieg geben. Im zweiten Fall kommt es sogar so weit, dass Hungerbühler kontert und eine Vier-Punkte-Wertung holt. «So ist das halt im Ringen. Es ist fertig, wenn der Kampfrichter abklopft und nicht vorher», gibt sich Müllhaupt sportlich.

Die Halle tobt allerdings. Die Ecke der RS Freiamt schäumt vor Wut. Und auch die beiden Ringer sind pures Adrenalin – unter anderem, weil sich beide einen Cut im Gesicht zugezogen haben und wortwörtlich Blut fliesst.

Ein Schubser und die Halle kocht

Der Kampf geht weiter. Jetzt holt Müllhaupt eine Vier-Punkte-Wertung. Jetzt brennt es lichterloh. Hungerbühler steht auf, rennt auf den Freiämter los und schubst ihn weg. Müllhaupt packt ihn und schleudert ihn in Richtung Freiämter Zuschauer. Die Stimmung droht komplett überzukochen, zumal der Ostschweizer noch zwei Strafpunkte für seine Aktion kriegt. Der Kampf geht im Anschluss spannend, aber fair zu Ende. Müllhaupt gewinnt mit 3:1. Die Stimmung drohte überzukochen. Stattdessen sahen die 500 Zuschauer in der Bachmattenhalle einen hochemotionalen Kampf, obwohl es schon lange um nichts mehr ging. «Ja, bei mir kann es manchmal etwas emotional werden», sagt Müllhaupt schon fast verlegen. Am Ende können sich alle die Hand geben und sich friedlich miteinander unterhalten. Der Kampf war beste Werbung dafür, dass Ringen ohne Emotionen fast nicht möglich ist, egal wie die Ausgangslage ist. Es geht immer um etwas.

Umso mehr können sich die Fans des Sports auf die Finalkämpfe zwischen Freiamt und Willisau freuen. Jetzt geht es um nicht weniger als den Schweizer-Meister-Titel. Das wird die Emotionen sicher nicht reduzieren. --jl


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