Angriff der Ringer-Zwillinge

  14.05.2021 Sport

Nils und Nino Leutert an U23-EM

Die RS Freiamt wird gleich doppelt an der U23-Europameisterschaft in Nordmazedonien vertreten sein. Die Zwillinge Nils und Nino Leutert starten.

Ihr Vater Marcel Leutert war selbst Ringer und ist jetzt Trainer bei der RS Freiamt. Die Brüder Nils und Nino Leutert sind selbst Aushängeschilder des Vereins. An der U23-Europameisterschaft im nordmazedonischen Skopje wollen die Ringer-Zwillinge einen Angriff auf die Medaillenplätze wagen. Kein einfaches Unterfangen gegen die starke osteuropäische Konkurrenz. --jl


Der Stratege und der Offensive

Nils und Nino Leutert von der RS Freiamt nehmen ab Montag an der U23-Europameisterschaft in Skopje teil

Streng genommen sind Nils und Nino Leutert keine Freiämter. Die Söhne des Trainers der RS Freiamt sind dennoch Leistungsträger und Identifikationsfiguren des Vereins. Ab dem kommenden Montag vertreten die Leutert-Zwillinge die Freiämter Farben an der U23-EM in Nordmazedonien.

Josip Lasic

Schön brüderlich sitzen Nils und Nino Leutert nebeneinander. In diesem Moment kann man sie gut unterscheiden. Nils trägt einen Verband um den Kopf. Nach einer Trainingseinheit wurde ihm ein Bluterguss aus dem Ohr mit einer Spritze abgesaugt, damit die Entstehung eines Ringerohrs verhindert wird.

Die Ringerohren. Lang war es eines der wenigen Unterscheidungsmerkmale zwischen den Zwillingsbrüdern. Nino war der erste, der ein Ringerohr hatte. Mittlerweile hat Nils Leutert – trotz Vorsichtsmassnahmen – auch eines. Die Körpergrösse und das Gewicht helfen noch beim Auseinanderhalten. Nino ist fünf Zentimeter grösser und rund vier Kilogramm schwerer. «Ausserdem unterscheiden wir uns charakterlich», sagt Nino Leutert. Sein Bruder ergänzt. «Wir haben natürlich viel gemeinsam, aber haben doch zwei verschiedene Persönlichkeiten.»

In der Welt unterwegs, mit dem Herzen beim Ringen

Aktuell weilt das Duo mit dem Schweizer Nationalteam in Moldawien. Dort findet ein Trainingslager statt, wo sich die Schweizer Ringerelite auf die U23-Europameisterschaft im nordmazedonischen Skopje vorbereitet, die am kommenden Montag startet. Dort wird der Gewichtsunterschied der Brüder wieder relevant sein. Nils wird im Freistil bis 57 kg antreten, Nino bis 61 kg.

Dieses Jahr waren die Brüder nie länger als drei Wochen am Stück zu Hause in Ottenbach. Sie reisen in Trainingslager und an Turniere rund um die Welt. Alles, um noch bessere Ringer zu werden. Das Duo ist mit dem Sport aufgewachsen. Am 20. Februar 1999 kommen sie auf die Welt. Ihr Vater ist Marcel Leutert, früher selbst Ringer bei der RS Freiamt und mittlerweile in seiner zweiten Amtszeit als Trainer des Nationalliga-A-Teams der Freiämter. «Während andere Kinder im Alter von drei Jahren noch mit irgendwelchem Spielzeug spielen, haben wir uns da schon zum ersten Mal gegenseitig am Kopf gepackt», sagt Nino Leutert lachend. Sein Bruder ergänzt: «Wir sind mit dem Sport gross geworden.»

Freiamt ist der Lebensmittelpunkt

Genauso, wie sie mit dem Sport gross geworden sind, sind es die Leutert-Zwillinge auch mit der RS Freiamt. Der Name Leutert ist dank ihnen beiden und ihrem Vater unzertrennlich mit dem Verein verbunden. Dass das Team so erfolgreich ist und im vergangenen Jahr zum zweiten Mal im Folge Silber an der Schweizer Mannschaftsmeisterschaft holen konnte, ist zu einem grossen Teil den Zwillingen zu verdanken. Von neun Kämpfen haben beide jeweils nur einen verloren.

So haben die Brüder eine starke Verbindung zu Verein und Region, obwohl sie als Ottenbacher streng genommen keine Freiämter sind. «Eigentlich sind wir nicht einmal Aargauer», sagt Nils Leutert lachend. «Ottenbach liegt ja im Kanton Zürich.» Sein Bruder ergänzt: «Nicht, dass wir nicht gerne Zürcher wären, aber unsere Kollegen sind eigentlich so gut wie alle aus der Ringerstaffel Freiamt und dementsprechend Freiämter.»

Verein und Sport prägen das Leben der beiden. Das bekommt auch ihre Mutter zu spüren. «Sie hat es nicht immer leicht», erzählt Nino Leutert. «Am Mittagstisch ist das Thema eigentlich immer Ringen. Besonders während der Mannschaftsmeisterschaft, wenn wir mit unserem Vater über die Aufstellungen diskutieren.» Nils fügt an, dass ihre Mutter auch Mühe hat, bei ihren Kämpfen zuzusehen, obwohl sie so gut wie an jeder Meisterschaftsrunde dabei ist. Auf die Frage, ob sie auch bei den Kämpfen ihres Vater früher nicht hinsehen konnte, lachen beide los und antworten gleichzeitig: «Nein.»

Gegeneinander punkten fast unmöglich

Sparringskämpfe untereinander bestreiten die Brüder kaum noch. «Wir kennen uns zu gut. Es können fünf Minuten vergehen und keiner punktet», berichtet Nino. «Da wir aber so ehrgeizig sind, geben wir trotzdem Vollgas. Im schlimmsten Fall verletzt sich einer», so Nils. Das bedeutet nicht, dass sie nicht voneinander lernen können. Um in ihrer Gewichtsklasse starten zu können an der U23-EM, müssen beide noch rund fünf Kilogramm abnehmen. «Ende März war ich in einem Turnier in Bulgarien. Dort habe ich mich innerhalb einer Woche auf mein Kampfgewicht runtergearbeitet. Das hat sich negativ auf meine Kondition ausgewirkt», erzählt Nils. Nino erläutert darauf, dass sie deswegen schon länger an ihren fünf Kilogramm arbeiten. «Ich habe bei Nils gesehen, wie es nicht funktioniert und konnte daraus auch lernen.»

Ehrgeizig und ambitioniert ans Turnier

Auch ihr Kampfstil unterscheidet sich – und widerspiegelt die Unterschiede in der Persönlichkeit der beiden. Nino Leutert erklärt, dass sein Bruder sehr offensiv in einen Kampf geht. Selbst wenn er leicht verletzt ist, kämpfe er weiter. «Ich bin eher derjenige, der sich im Vorfeld Gedanken macht und plant. Bei einer leichten Verletzung gehe ich raus und lasse abklären, was es ist.» Laut Nils Leutert sind die beiden auch im Alltag so. Wenn irgendeine Aufgabe ansteht, sei Nino derjenige, der vorausschaut und sie konsequent erledigt, während er selbst alles aufschiebe. «Zusammengefasst kann man sagen, dass ich eher vorausblickend bin und Nils eher aus dem Moment reagiert», sagt Nino Leutert. Sein Bruder fügt lächelnd an: «Genau, er ist der Stratege von uns.»

Ob es sich an der U23-EM eher lohnt, offensiv in die Kämpfe zu gehen wie Nils oder strategisch wie Nino Leutert, werden die Brüder noch sehen. Tatsache ist, dass sie ehrgeizig ins Turnier gehen. Nino Leutert arbeitet als Sanitär-Installateur bei der Ritschard AG. Nils arbeitet zu Hause und im Stundenlohn bei der Haustechnik-Bucher GmbH in Mühlau. Beide haben ihr Pensum so weit reduziert, dass sie genug Zeit für das Training haben, für die 150 bis 200 Tage, die sie jährlich im Ausland in den Trainingslagern und an Turnieren verbringen.

An einer U23-Europameisterschaft werden sie zum ersten Mal starten. Ob es jetzt schon zur Medaille reicht, wird man sehen. Nino Leutert sagt: «Wenn wir so hart weiterarbeiten und trainieren wie bisher, dann ist eine Medaille früher oder später möglich.»


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