Auf den Applaus verzichten

  29.05.2020

Circus Monti verschiebt Tournee um ein Jahr

Für einmal muss der «Monti» seine Fans enttäuschen. Aber die Absage ist verständlich.

Sie haben bis zum letzten möglichen Termin gewartet. Und sich diesen Entscheid alles andere als leicht gemacht. Doch letztlich konnten die Zirkus-Macher nicht anders – zu viele Fragen sind vor der geplanten Premiere vom 7. August in Wohlen noch immer offen. «Wir hätten uns nicht so präsentieren können, wie wir das wollen», sagt Direktor Johannes Muntwyler. Darum verzichtet man auf Auftritte – und verschiebt das Programm ins nächste Jahr. --chh


«So wollen wir nicht auf Tour»

Der Circus Monti verschiebt das Programm 2020 um ein Jahr – Variété soll aber stattfinden

Sie haben bis zuletzt gehofft und gezittert. Nach den Aussagen des Bundesrates vom Mittwoch aber blieb ihnen keine andere Wahl. Die «Montis» ziehen die Notbremse und verschieben ihre 36. Tournee. Von einem «bitteren Moment und einer grossen Enttäuschung» spricht Direktor Johannes Muntwyler.

Chregi Hansen

Eine Medienorientierung im Mai, das gab es wohl noch nie in der langen Geschichte des Circus Monti. «Das ist aussergewöhnlich, aber wir erleben ja auch aussergewöhnliche Zeiten», meint Johannes Muntwyler bei der Begrüssung. Und verkündet dann das, womit viele schon gerechnet haben. Aber alle gehofft haben, dass es nicht eintrifft: die Absage respektive Verschiebung der Tournee 2020.

«Uns bleibt keine andere Wahl», macht Muntwyler deutlich. Man habe die Medienkonferenz des Bundes am Mittwoch aufmerksam verfolgt, alle Informationen genau gelesen und bis morgens um halb drei diskutiert. Intensiv und kontrovers – «es gab doch heisse Köpfe», so der Direktor. Dann erst fiel der definitive Entscheid. Die neuen Lockerungen des Bundes, sie waren nicht der erhoffte Befreiungsschlag für das Zirkusunternehmen. «Wir waren lange optimistisch, dass wir im August loslegen können. Jetzt müssen wir einsehen, so macht das keinen Sinn», sagt Muntwyler.

Schon bald hätten die Proben begonnen

Es ist nicht so, dass man Corona und die damit verbundenen Gefahren ignoriert hat. Oder mit blinden Augen ins Verderben gerannt ist. Die Vorbereitungen auf die Premiere am 7. August liefen zwar weiter, aber mit angezogener Handbremse. «Wir haben alles unterlassen, was grosse Kosten verursacht, etwa der Druck der Plakate oder Programmhefte», macht Muntwyler ein Beispiel. Jetzt aber sei der letztmögliche Zeitpunkt, um über Durchführung oder Absage zu befinden. Bereits Mitte Juni hätten die Proben begonnen. «Es ist uns nicht möglich abzuwarten, ob in drei Wochen weitere Lockerungen verkündet werden», so Muntwyler.

Zuvor hat sich das Team mit ganz vielen verschiedenen Szenarien beschäftigt. So hat man beispielsweise Pläne gezeichnet, wie man die Abstandsregel im Zelt einhalten kann. «Selbst mit nur einem Meter Abstand bringen wir lediglich 288 Zuschauer ins Zelt, das entspricht einer Auslastung von 36 Prozent. Wir brauchen aber 65 Prozent, damit es wirtschaftlich Sinn macht», rechnet Muntwyler vor. Kommt dazu, dass die Abstandsregel nicht nur auf der Tribüne, sondern auch beim Einlass oder im Buffet-Zelt gilt. Auch der Einsatz anderer, viel grösserer Zelte wurde geprüft. «Aber das wäre nicht das Gleiche. Wenn wir schon auf Tour gehen, dann wollen wir den Monti so präsentieren, wie ihn die Menschen schätzen und lieben. Mit seinem intimen Charme, mit Künstlern, die nahe beim Publikum sind. Und nicht in einer besonderen Coronavariante», sagt der Direktor.

Zu viele offene Fragen

Und überhaupt: Was, wenn sich einer der Artisten, ein Teammitglied oder ein Zuschauer ansteckt? «Wir können diese Verantwortung nicht tragen. Wir wollen und dürfen die wirtschaftliche Seite nicht höher als die Gesundheit gewichten.» Kommt dazu, dass ganz viele Fragen nicht geklärt sind. Dürften die Artisten überhaupt einreisen? Wie können die Monti-typischen Gruppenszenen geprobt werden? Sind die Schweizer mutig genug, sich ab August wieder mit vielen anderen in ein Zelt zu drängen? Und was, wenn die viel diskutierte zweite Welle tatsächlich eintrifft? «Wir brannten alle darauf, auf Tournee zu gehen. Waren bis zuletzt überzeugt, dass es klappt. Aber jetzt müssen wir einsehen: Es geht nicht. So wollen wir nicht auf Tour, das Risiko ist zu gross», stellt der Direktor klar.

Zeltvermietung ist komplett eingebrochen

Immerhin, die ganze Vorbereitung ist nicht umsonst. Das für dieses Jahr geplante Programm wird einfach um ein Jahr verschoben. Das gesamte Kreativ-Team und auch der Grossteil der Artisten wird im nächsten Jahr mit von der Partie sein. Und der Monti will die Zeit nutzen, um neue Ideen zu kreieren. Für die 25 Mitarbeiter wurde schon früher Kurzarbeit eingegeben und bewilligt. Dies nicht zuletzt, weil der Bereich der Zeltvermietung komplett eingebrochen ist. «Seit März steht alles still. Dabei wäre jetzt eigentlich die Zeit, in der wir an vielen Festivals und Events präsent wären. Derzeit lohnt es sich nicht einmal, die Fahrzeuge einzulösen», erklärt Muntwyler. Wann es dort zu einer Entspannung komme, lasse sich nicht abschätzen. «Es gibt erste Anfragen für Events im Herbst oder im Winter, aber noch nichts Definitives.»

An Variété festhalten

Immerhin: Einen Lichtblick gibt es an diesem Tag doch noch. Das Variété soll wie angekündigt stattfinden, die Premiere ist für den 12. November angesetzt, der Vorverkauf ist bereits angelaufen. Die Zuversicht, dass zumindest dieses Programm realisiert werden kann, kommt nicht von ungefähr. Nicht nur wegen der zeitlichen Dimension. «Hier im Winterquartier haben wir mehr Möglichkeiten, die dann geltenden Vorgaben umzusetzen», so Muntwyler. Fest steht bereits, wer die künstlerische Leitung für das Variété übernimmt. Es ist dies das bestens bekannte Duo Didi Sommer und Cécile Steck. Und auch die musikalische Leitung liegt bei Lukas Stäger in bewährten Händen.

Schaden noch nicht bezifferbar

Wie gross der finanzielle Schaden ist, lässt sich nicht beziffern. «Gross, sehr gross», sagt der Direktor. Die Ausfälle würden sich zwar recht genau berechnen lassen, wie viel Geld es von Bund und Kanton aber als Entschädigung gebe, das wisse man noch nicht. Trotzdem sieht Johannes Muntwyler das Unternehmen nicht akut gefährdet. «Wir profitieren davon, dass wir stets konservativ und vorsichtig budgetieren und nur dann Investitionen tätigen, wenn wir das Geld auch haben», sagt er. Diese Geschäftsphilosophie komme dem Unternehmen jetzt zugute.

Ungewöhnlich ist die Situation hingegen für die Artistenfamilie. «Wir standen in den letzten Wochen extrem unter Druck. Jetzt ist der Entscheid gefallen, jetzt müssen wir uns neu orientieren. So lange waren wir noch nie zu Hause. Aber langweilig wird uns sicher nicht, wir wollen die Zeit nutzen, um den Monti noch besser zu machen», verspricht Johannes Muntwyler.


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