Damit der Adler wieder strahlt

  30.04.2021 Muri

Werner Villiger restauriert die Wirtshausschilder des «Adlers» und des «Ochsen»

Der «Ochsen» ist fertig, der «Adler» noch in desolatem Zustand, wie es Werner Villiger beschreibt. Damit sind nicht die Restaurants gemeint, die sich im Bau befinden, sondern die Wirtshausschilder. Der Murianer bringt diese in seiner Werkstatt in Bünzen auf Vordermann.

Annemarie Keusch

Ende Jahr soll es so weit sein. Dann ist die Eröffnung des Drei-Häuser-Hotels «Caspar» geplant. Dann sollen auch die Türen des «Adlers» und des «Ochsen» wieder offen sein. Und bis dahin müssen die Wirtshausschilder an den Fassaden wieder hängen. «Diese Woche wurde bestimmt, wo die Montagehalterungen angebracht werden müssen», sagt Kunstschlosser Werner Villiger. In seiner Verantwortung liegt es, dass die Schilder wieder auf Vordermann gebracht werden.

Mehr als 100 Arbeitsstunden

Dass dies überhaupt nötig ist, war auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen. «Bei der Demontage glänzte das Blattgold, alles sah gut aus», sagt auch Villiger. Erst ein zweiter Blick zeigte, dass einiges im Argen liegt. Die Witterung sorgte für Rost, vor allem dort, wo zwei Teile aneinandergeschraubt oder -genietet wurden. Und es kam auch zum Vorschein, dass die letzte Restaurierung der Schilder alles andere als fachmännisch ablief.

Entsprechend aufwendig ist die Arbeit, die Villiger zu erledigen hat, damit die Wirthausschilder für die nächsten Jahrzehnte gewappnet sind und wieder von den Fassaden der Restaurants strahlen. Über hundert Arbeitsstunden pro Schild investiert er. Der «Ochsen» ist mittlerweile fertig, zumindest was die Arbeit des Kunstschlossers betrifft. Der Murianer Restaurator Michael Kaufmann übernimmt die Farbfassung. Beim «Adler» aber ist Villiger noch am Anfang. Gegen hundert Einzelteile sind in Kisten gelagert. «Wir haben ja noch Zeit bis Ende Jahr», meint der Murianer mit Werkstatt in Bünzen schmunzelnd.

Alte Dinge erneuern, so restaurieren, wie sie im Originalzustand waren, das ist es, was Werner Villiger an seiner Arbeit fasziniert – und das schon seit 28 Jahren.


Dem Rost den Garaus machen

Der Murianer Werner Villiger restauriert zurzeit die Wirtshausschilder von «Adler» und «Ochsen»

Seit Jahrzehnten, gar Jahrhunderten hängen sie an der Fassade von Restaurants. An ihnen nagt die Witterung unausweichlich. Gerade bei traditionellen Häusern gehören Wirtshausschilder aber einfach dazu. In seiner Werkstatt in Bünzen bringt Werner Villiger den «Adler» und den «Ochsen» auf Vordermann.

Annemarie Keusch

Es ist ein spezieller Auftrag für Werner Villiger. Obwohl seine Werkstatt in Bünzen steht, ist er Murianer durch und durch. Entsprechend kennt er die beiden Restaurants, für die er aktuell die Wirtshausschilder restauriert, bestens. Villiger lacht. «Natürlich die Fasnacht», sagt er, angesprochen auf Erinnerungen an den «Adler» und den «Ochsen». Aber auch nach Feierabend oder für ein Essen habe er die beiden Restaurants gerne besucht. Entsprechend wichtig sind ihm die Wirtshausschilder. «Wenn Einheimische solche Arbeiten übernehmen, ist das der beste Garant für Qualität», sagt er. Wäre seine Arbeit schlecht, würde er tagtäglich darauf angesprochen. «Ich hoffe, dass ich darauf angesprochen werde, aber, weil die Arbeit gut war.»

Gut, so sahen die Wirtshausschilder auf den ersten Blick aus, als Kunstschlosser Villiger sie demontierte. Das Blattgold strahlte immer noch, alles schien bestens. Sollte es auch, schliesslich war das «Adler»- Wirtshausschild vor dreissig Jahren, bei der letzten Renovation des «Adlers», auch erneuert worden. Werner Villigers Stimme wird lauter. «Unfachmännisch.» Er sagt dieses Wort mehrmals. Geflickt wurde das Schild vor dreissig Jahren zwar, aber eben falsch, mit Kitt und Leim. «Weit weg vom Originalzustand.»

Seit 28 Jahren selbstständig

Auf diesen Originalzustand will Werner Villiger die Schilder wieder bringen. Das Schild des «Ochsen» ist fertig und schon bei Restaurator Michael Kaufmann, der die Farbfassung macht. Jenes vom «Adler» liegt noch in Einzelteilen vor ihm. Zwei Kisten sind mit kleinen Teilen gefüllt, Blumen, Kugeln, Federn. Alles zerfiel, als Villiger und sein Team sorgfältig die Farbe der Wirtshausschilder entfernten. «Überall Löcher», kommentiert der Kunstschlosser. Die Folge falscher Behandlung oder eben keiner Behandlung des Eisens im inneren Bereich. «Fachmännisch gemacht sollte die Farbe über fünfzig Jahre halten und gegen hundert Jahre von Rost befreit sein.»

Werner Villiger liebt sein Handwerk. Vorgestern waren es genau 28 Jahre, die er seine Kunstschlosserei führt. «Es ist der Reiz, das wieder auf Vordermann zu bringen, was andere wegwerfen würden», sagt er. Und es ist die Freude, die er seinen Kundinnen und Kunden ins Gesicht zaubern kann. «Am Anfang denken sie, dass man daraus nichts Schönes mehr machen kann. Am Schluss strahlen sie wie ein Kind unter dem Weihnachtsbaum.» Mit restaurierten, alten Dingen Emotionen schüren, das gefällt Villiger an seinem Beruf.

Zum Glück noch nie ein Teilchen verloren

Dies gelingt ihm auch mit den Murianer Wirtshausschildern. Das Schild des «Ochsen» ist fertig und bei Restaurator Michael Kaufmann in Muri. Dieser ist für die Farbgebung zuständig. Das «Adler»-Schild wird noch viele Stunden an Arbeit brauchen, bis es gleich weit ist. «Rund 120 Stunden», schätzt Villiger. Nachdem die Farbe überall sorgfältig abgetragen wurde, hat er das Schild in seine Einzelteile zerlegt. «Gegen hundert», sagt er. Alles musste genaustens nummeriert und beschriftet werden. «Sonst weisst du plötzlich nicht mehr, wie es vorher genau war.» Passiert sei ihm das aber noch nie. Auch verloren habe er zum Glück noch kaum ein Teilchen. «Aber es kann natürlich vorkommen, dass schon bei der Demontage etwas fehlt. Dann gilt es dieses zu rekonstruieren.»

Dem Kunstschlosser ist wichtig zu betonen, wie zentral es ist, dass die Figuren in Einzelteile zerlegt werden. «Rost setzt vor allem dort an, wo zwei Teile zusammengeschraubt oder genietet sind.» Entsprechend wichtig sei, dass alle Teile glasgeperlt werden. Nachher gelte es die Fehlstellen zu flicken und alles zusammenbauen. «Was vorher geschraubt war, wird wieder geschraubt, was genietet war, genietet. Gelötet ist beim ‹Adler› nur der Körper des Tieres», sagt Villiger. Der Einfachheit halber andere Techniken anwenden, das kommt für ihn nicht infrage. «Berufsstolz.»

Unter kantonalem und örtlichem Denkmalschutz

Fertig ist die Restaurierung der Wirtshausschilder mit dem ersten Zusammenbauen noch lange nicht. «Das ist nur ein Test, damit wirklich alle Teile da sind.» Dann wird das Schild nochmals in seine Einzelteile zerlegt, spritzverzinkt innen und aussen. «Das verhindert die Rostbildung», erklärt der Kunstschlosser. Und in Einzelteilen und mit allen Plänen gibt er das «Adler»-Schild dann in die Hände von Michael Kaufmann.

Das Wirtshausschild des «Ochsen» datiert aus dem 18 Jahrhundert und steht unter kantonalem Denkmalschutz. Jenes des «Adlers» ist auch über hundert Jahre alt und steht unter örtlichem Denkmalschutz. «Es ist wichtig, solche Zeitzeugen zu erhalten», findet Werner Villiger.

Zeugen der damaligen Zeit

Die Kunstschlosserei ist nicht nur sein Beruf. Villiger spricht von Berufung. Aufträge hat er aus allen umliegenden Kantonen. Kürzlich erneuerte er für die Stadt Luzern 270 Gartenstühle aus dem Jahr 1908. «Oft fühle ich mich wie ein Detektiv. Die einzelnen Werke verraten viel über die damalige Zeit. Es gibt etwa Arbeiten, denen man ansieht, dass das Eisen knapp war und Resten wiederverwertet wurden.» Ein Indiz, dass diese Arbeiten zu Kriegszeiten ausgeführt wurden. «Man spürt an den einzelnen Objekten, wie es früher war.»

Gleichzeitig sorgt Werner Villiger dafür, dass die Objekte eine Zukunft haben. «Ich freue mich schon jetzt, im ‹Adler› oder im ‹Ochsen› mein Feierabendbier zu geniessen.» Bei jedem Gang durch die Eingangstür wird sein Blick nach oben zu den Wirtshausschildern schweifen.


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