In der Klassik zu Hause

  29.05.2020

Samuel Steinemann im Künstlerhaus Boswil

Seit Kindsbeinen begleitet ihn das Klavier. Samuel Steinemann ging den Weg weiter, studierte Musikwissenschaften, war als Kultur- und Musikmanager tätig. Seit November ist er Geschäftsleiter des Künstlerhauses Boswil.

Von neu und unbekannt kann keine Rede sein. «Natürlich war mir das Künstlerhaus ein Begriff», sagt Samuel Steinemann. Schon im Studium besuchte er ein Symposium in Boswil. Auch als Konzertbesucher zog es ihn immer wieder an den «Ort der Musik». Überhaupt, Steinemann liebt die klassische Musik. «Ich bin damit aufgewachsen, das Interesse wurde mir in die Wiege gelegt», sagt der gebürtige Zuger. «Wobei, heute bin ich musikalisch offener als früher.» Heute besucht er auch Jazz-, Pop- oder Rockkonzerte. «Früher gab es für mich nur die Klassik.»

Entsprechend kurz war die Bedenkzeit, als ihn ein Bekannter auf die frei gewordene Stelle am Künstlerhaus Boswil aufmerksam machte. Sollte man meinen. Aber, Samuel Steinemann zögerte anfangs. «Mein erster Eindruck war, dass das nichts für mich sei.» Nach Telefongesprächen war er begeistert. Diese Begeisterung hält an, auch wenn sein Start nicht einfach war und ist. --ake


Einfacher Start wäre anders

Künstlerhaus-Geschäftsführer Samuel Steinemann zieht ein erstes Fazit

Viele personelle Wechsel, finanzielle Herausforderungen und jetzt die Coronakrise. Samuel Steinemann ist als Geschäftsführer des Künstlerhauses Boswil von Anfang an gefordert. «Ich mag Herausforderungen, auch wenn die To-do-Liste sehr lang ist», sagt er.

Annemarie Keusch

Es sind Chancen, es sind aber auch Herausforderungen. Und von denen musste Samuel Steinemann in seinen ersten rund sieben Monaten als Geschäftsführer des Künstlerhauses Boswil einige bewältigen. Innerhalb von wenigen Monaten kam es vor seinem Stellenantritt zu mehreren personellen Wechseln in Schlüsselpositionen. «Das ist am Anfang natürlich nicht ideal, aber umgekehrt gibt es auch mehr Offenheit für Veränderungen.»

Dass die Führung des Künstlerhauses kein Selbstläufer ist, dessen war sich Samuel Steinemann von Anfang an bewusst. Dabei betont er: «Ich weiss, dass mein Vorgänger viel aufgebaut und erreicht hat.» Und trotzdem, es ist anders. Steinemann erwähnt das Alter. 49-jährig ist er und damit ein paar Jahre jünger als sein Vorgänger. «Vielleicht machen es diese schon aus, dass ich viel digitaler arbeite und weniger Papier im Büro verbrauche.» Entsprechend brauchte die Einarbeitung mehr Zeit, um sich in allen physischen und digitalen Dokumenten zurechtzufinden. «Aber das ist doch vollkommen normal.»

Alle rund zwei Wochen in Boswil

Grosse Herausforderungen sieht Samuel Steinemann im finanziellen Bereich. «Hier bin ich eher vorsichtig unterwegs», meint er. Und damit spricht er nicht die Betriebsfinanzen und nicht die Finanzierung des Grossprojekts «Umbau Sigristenhaus» an. Dort fehle noch ein Restbetrag von etwas weniger als 300 000 Franken, ansonsten verlaufe die Finanzierung ruhig und kontrolliert. «Diesen Restbetrag können wir langfristig sicher auch noch beschaffen», ist Steinemann überzeugt. Der Bau schreite gut voran, auch wenn im Zuge des Coronavirus kleinere Verzögerungen auftraten. «Wir mussten Arbeiten, die parallel geplant waren, nacheinander ausführen.»

Auch finanziell bringt das Coronavirus für das Künstlerhaus Folgen mit sich. Längst hat die Institution für die Angestellten Kurzarbeit angemeldet, wer kann, arbeitet nach dem Lockdown von zu Hause – auch Geschäftsführer Samuel Steinemann, der vor Kurzem in den Aargau umgezogen ist. «Ich versuchte höchstens alle zwei Wochen kurz in Boswil vorbeizuschauen», sagt er. Sämtliche Veranstaltungen sind bis Ende Juli abgesagt. Samuel Steinemann macht sich aber nicht in erster Linie Sorgen um die Kulturinstitution. «Wir werden das schaffen.» Vielmehr denkt er an die Künstler selber, «die oft keine Auffangnetze haben».

Visionen noch nicht von Anfang an im Zentrum

Die Pandemie hat auch Auswirkungen auf seine Arbeit. Er, der Musikwissenschaften und Kulturmanagement studiert hat, ist in der Krise vermehrt im Managementbereich gefragt. «Es gilt die Situation schnell zu analysieren und zu neuen Ufern aufzubrechen.» Aber auch ohne das Virus – bis er sich den künstlerischen Aspekten seiner Tätigkeit widmen könne, hat der 49-Jährige sowieso ein Jahr Zeit einberechnet. «Zuerst ist Grundlegendes gefragt. Ich muss den Betrieb reorganisieren, die Finanzierung auf gesunde Beine stellen.»

Wahrnehmung noch verstärken

Darauf, nachher vermehrt auch seine Visionen miteinfliessen zu lassen, freut sich Samuel Steinemann, der Vater dreier Töchter aus erster Ehe ist und seit sieben Jahren mit einem Mann verheiratet ist. «Ich habe mich schliesslich nicht nur als Manager beworben.» Bis seine Visionen und Ideen sicht- und erlebbar werden für die Besucher, dauere es mindestens noch einmal ein bis zwei Jahre. «Es gilt, zuerst eine künstlerische Strategie zu entwickeln.»

Samuel Steinemann ist ans Künstlerhaus Boswil gekommen, um länger zu bleiben. «Es ist einzigartig hier», schwärmt er. Die Ausstrahlung an sich, die Kombination zwischen Konzertsaal und Beherbergung, «das gibt es nur ganz selten». Und er ist überzeugt: «Das hier wird immer ein Ort der Auseinandersetzung mit Musik sein, weil hier Künstler proben, leben und auftreten.» Sein Ziel sei es, diesen Ort auf der kulturellen Landkarte noch stärker wahrnehmbar zu machen. Seine To-do-Liste auf diesem Weg sei lang. Vorerst aber gab es mit dem Coronavirus eine Zäsur bei den Projekten.

Aber etwas Erfreuliches steht in weniger als einem Jahr an: «Der Einzug in das Sigristenhaus und das Organisieren der entsprechenden Festlichkeiten.» Noch hält sich Steinemann, der Kochen, Musik, Segeln, Rennen und Skifahren zu seinen Hobbys zählt, bedeckt, wann genau das sein wird. «Wir schauen vorneweg, aktuell bleibt uns nichts anderes übrig.»


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