Derbyfeeling pur

  29.12.2020 Sport

Rückblick 2020: Wohlen kann ein hautenges Handballderby gegen Muri für sich entscheiden

Es war eine gefühlte Ewigkeit her, dass die Handballfans im Freiamt ein spannendes Derby zwischen Muri und Wohlen zu Gesicht bekamen. 2020 sollte es so weit sein. Ein Jahr, arm an grossen Sportereignissen, hat im Freiamt ein Spiel, das heraussticht.

Josip Lasic

Für die Endphase des Derbys zwischen Muri und Wohlen konnte man ganz tief in die Floskelkiste greifen. Beim Stand von 20:19 für die Gäste aus Wohlen schrillt die Sirene. Sieg? Nein. Die Murianer kriegen noch einen Freiwurf. Eine allerletzte Chance, um den Ausgleich zu erzielen. Selbst ein Unentschieden wäre in Anbetracht der Vergangenheit ein gefühlter Erfolg für Wohlen. Doch nein, in dieser Partie muss er her, der Sieg. Die Spannung ist elektrisierend. Die 200 Zuschauer sind gespannt wie ein Flitzebogen. Ein solcher Endspurt könnte auch einem Hollywood-Drehbuch entstammen, oder einem Hitchcock-Krimi. Die Kiste mit den Floskeln ist leer. Jan Heusi wird nämlich gleich den Freiwurf ausführen.

Er wirft: Über die Wohler Mauer. über Goalie Dario Koch, über das Tor. Sieg. Wohlen gewinnt völlig überraschend. Und Captain Manuel Frey sagt im Freudentaumel: «Wir sind die Nummer eins im Freiamt.»

Die Bürde des Wissens

Die Nummer eins im Freiamt. Es war so lange klar, wer sie ist. Zwischen 2015 und 2017 hatte Wohlen seine goldene Phase. Die zwei besten Saisons der Geschichte. Nahe dran an den Aufstiegsspielen zur Nationalliga B. Die Derbys gegen Muri waren für die Wohler Formsache. Das letzte spannende Duell der beiden Freiämter fiel in diese Phase. Am Ende der Saison 2016/17 bezwangen die Murianer das damals schier übermächtige Wohlen im letzten von vier Aufeinandertreffen mit 25:23. Es war ein packendes Duell und gleichzeitig die Wachablösung.

Sieben Derbys in Serie gingen nach Muri. Die Floskel «Derbys haben ihre eigenen Gesetze» durfte im Freiämter Handball sehr lange Zeit als Trost und Zwangsoptimismus gedient haben. Über mehrere Jahre schien anhand des Saisonverlaufs auch klar zu sein, wer die direkte Begegnung gewinnen wird. Die Vorzeichen waren diesmal die gleichen. Muri hatte vor dem Derby vier Siege und eine Niederlage geholt. Wohlen war Schlusslicht mit fünf Niederlagen und einem Sieg. Abgesehen davon hatte das Team aus der Strohmetropole eine gute Leistung gegen Nationalliga-A-Team Basel im Hinterkopf. Alles zusammengenommen war Muri aber eindeutig Favorit.

Wohlen behält den Biss

Muri-Captain Carlo Femiano warnt davor, auf irgendwelche Vorzeichen zu schauen, und behält Recht. Er sagt nach dem Spiel: «Wer in ein Derby geht und auf die Tabelle schaut, macht einen grundlegenden Fehler.»

Den muss sich Wohlen nicht vorwerfen lassen. Die Spieler geben Vollgas, kämpfen, wollen den Sieg. Leidenschaft, Feuer, Kampf, Frust, Freude, Wut, alles, was ein Derby auszeichnet, ist dabei.

Die Wohler führen lange Zeit. Teilweise mit bis zu drei Toren Vorsprung. Zur Hälfte steht es 13:10 für die Gäste.

Nach der Pause passiert das, was in vielen der sieben verloren gegangenen Derbys geschehen ist. Wohlen verliert den Faden. Die Emotionen kochen über beim Gast aus der Strohmetropole. Vier Spieler kassieren eine Zeitstrafe. Muri erzielt in dieser Phase fünf Tore in Serie. Wohlen schiesst keines. 15:13, Muri. Hat der Favorit die Gäste mental gebrochen? Nein. Wohlen kämpft sich zurück. Die Führung wechselt zwischen den Klosterdörflern und den Wohlern hin und her. Bis zum Ende. Bis zum 20:19 und dem Freiwurf für Muri.

Ein Derby wie aus dem Lexikon

Flavio Galliker, der Murianer im Wohlen-Trikot, fasst das Geschehene zusammen: «Wir wollten uns nicht von Muri verprügeln lassen, ohne uns zu wehren.»

Das hat Wohlen getan. Muri hat nicht schlecht gespielt. Wohlen besser, als es die Tabelle aussagt. Das Spiel hatte alles, was ein Derby braucht. Führungswechsel, Härte, Zeitstrafen, kuriose Momente, unerwartete Comebacks. Für Muri war es ein enttäuschender Tag, aber für das Handball-Freiamt war es seit Langem wieder ein Derby mit richtig Feuer drin. Und in einem sportarmen Jahr ein packendes Duell oder wie es Galliker sagt: «Das war seit Ewigkeiten ein Spiel, wo Wohlen und Muri auf Augenhöhe waren – ein geiles Derby.»


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