Die «Musig» ist seine zweite Liebe

  21.10.2022 Bettwil

Heinz Stadler spielt seit 60 Jahren in der Musikgesellschaft Bettwil mit

25 Jahre lang war er Präsident. Heinz Stadler hat die Musikgesellschaft merklich mitgeprägt. Wenn der Verein nächstes Jahr das 120-jährige Bestehen feiert, hat Stadler über die Hälfte davon aktiv miterlebt. «Es macht mir nach wie vor grossen Spass», sagt der bald 78-Jährige.

Annemarie Keusch

Für das Foto die Uniform anzuziehen, das macht Heinz Stadler gerne. Er trägt sie mit Stolz, mit Würde. Wenn er nachher auf dem Stuhl am Esstisch Platz nimmt, legt er eine Zeitung auf den Stuhl, bevor er sich setzt. Die Krawatte muss sitzen, die Frisur ebenso. «Geht es so?», fragt er und wendet sich an seine Frau Maria. «Perfekt», sagt sie und schmunzelt. Die dritte Uniform sei es, erzählt Heinz Stadler. «Marengo, fast schwarz war die letzte und vorher war es ein ähnliches Bordeaux-Rot wie jetzt.» An wie vielen Konzerten und Veranstaltungen er diese schon trug? «Das kann ich nicht sagen, viele.» Heinz Stadler schmunzelt, versucht sich an Hochrechnungen. «Jahreskonzerte, Musiktage, kirchliche Feierlichkeiten, Beerdigungen, Hochzeiten – diese Uniformen und unsere Musik begleiten ganz unterschiedliche Anlässe.»

Der Weg in die Musikgesellschaft war für Stadler quasi vorgespurt. «Ich bin hier im Dorf aufgewachsen, Bettwil bedeutet mir viel. Dass ich mich hier in einem Verein engagiere, stand für mich immer ausser Frage, trotz der hohen Arbeitsbelastung als Landwirt», sagt er. Und sein Vater war ein begeisterter Musikant, spielte Trompete. «Als Jugendlicher wollte ich lieber schwingen, aber weil es dies im Dorf nicht gab, kam es nicht infrage, also wurde ich auch Musikant.» Stadler sagts nicht reumütig. «Es war kein Müssen, es hat mir von Anfang an Spass gemacht.»

Fast nie gefehlt in den Proben

Das B-Horn war sein erstes Instrument. Gelernt hat er das Spielen bei Schuhmacher Josef Brunner in dessen Werkstatt. «Eine Musikschule gab es damals noch nicht.» Weshalb er dieses Instrument wählte? So richtig weiss es Heinz Stadler nicht mehr. «Es gefiel mir einfach.» Und es gefällt ihm nach wie vor, auch wenn das B-Horn mittlerweile Eufonium genannt wird, Stadler blieb seinem Instrument treu. «Es ist das Herz der Melodie», sagt Stadler. Langweilig sei es ihm nie geworden, auch in 60Jahren nicht. Zumal sich die Stücke, die die Musikgesellschaft einübt, auch gewandelt haben. «Der junge Dirigent bringt auch moderne Musikstücke. Das stört mich aber nicht, mir gefällt auch diese Musik», sagt Stadler. Trotzdem, Märsche, Polkas, Potpourris mag er nach wie vor am liebsten. «Aber ich lerne auch Neues gerne und zum Glück fällt mir das nicht schwerer als früher», sagt er.

Üben, dabei sein, mitmachen, das ist dem bald 78-Jährigen wichtig. In den Proben fehlt er nur, wenn er mit seiner Maria im Tirol in den Ferien weilt. Nach wie vor gehört er zu den fleissigsten Probenbesuchern. «Sonst fehlt einem die Melodie», ist er überzeugt. Auch zwischen den Proben übt er zu Hause. «Auch wenn ich mittlerweile eine Brille brauche, um die Noten zu lesen, will ich gerne weitermachen, solange es die Gesundheit zulässt und ich genug Schnauf dafür habe.»

Präsident, Revisor, Tombola-Betreuer und Theaterspieler

Einfach nur Musik zu machen, darauf beschränkte sich sein Engagement nicht. 25 Jahre präsidierte er die Musikgesellschaft. «Sie suchten jemanden und ich meldete mich», kommentiert er ganz simpel. Es sei zeitweise viel Aufwand gewesen. «Aber für die ‹Musig› nahm ich mir Zeit, selbst wenn neben der Familie und neben dem Bauernhof eigentlich keine blieb.» Neue Instrumente wurden während dieser Zeit angeschafft und ein für Stadler ganz spezielles Highlight wurde gefeiert, der Musiktag 1992 in Bettwil. «43 Vereine kamen. Das war ein toller Anlass.»

Und Stadler gleiste auch Projekte für die Zukunft auf, etwa die Anschaffung einer neuen Vereinsfahne. «Dass meine Frau Maria sich als Fahnengotte zur Verfügung stellte, war für mich natürlich besonders schön.» Nach den 25 Jahren als Präsident lehnte Stadler sich nicht zurück, amtete weitere 20Jahre als Revisor, betreute am Pizzaplausch die Tombola und besuchte die Jubilare und Senioren. «Als ich 75Jahre alt wurde, gab ich alle Ämter auf. Einmal ist die Zeit gekommen», sagt er. Kommt hinzu, dass er in jungen Jahren ein begeisterter Schauspieler war. «Musik machen und Theater spielen an einem Abend, das war schon herausfordernd», gibt er zu. Zumal er als Präsident auch noch die Ansprache hielt. «Dafür brauchte ich nie ein Mikrofon. Meine Stimme ist laut genug.»

Geselligkeit hochhalten

Mit dem Theaterspielen hat er längst aufgehört. Das Musizieren aber, das will er nicht aufgeben. Und das gesellige Miteinander auch nicht. Wenn immer möglich ist er dabei, wenn nach der Probe noch im Restaurant angestossen wird. «Das gehört dazu. Ich wäre nicht so viele Jahre dabei, wenn es zwischenmenschlich nicht passen würde. Auch wenn ich mittlerweile mit elf Jahren Abstand der Älteste bin, ich fühle mich wohl», sagt er. Und früh aufstehen müsse er auch nicht mehr. «Ich machs trotzdem, gehe am Morgen immer spazieren. Der Garten, die Obstbäume, das Holzrüsten – ich habe genug Arbeit», sagt Stadler. Überhaupt hat er an die geselligen Stunden speziell gute Erinnerungen, ob dies nun Chlaushöcke oder Vereinsreisen sind.

Am Musiktag in Niederwil und an der Tagung der Veteranen in Villmergen wurde Heinz Stadler für sein langjähriges Mitwirken in der Musikgesellschaft geehrt. Für Letztere kamen seine Frau Maria und er extra einen Tag früher als geplant aus den Ferien zurück. Es zeigt, wie wichtig ihm der Verein ist. «Ich bin einfach dankbar, dass ich heute mit fast 78 Jahren das Hornregister noch unterstützen kann.»


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