Diskussion wird gefordert

  03.12.2021 Muri

IG Zukunft Murimoos geht an die Öffentlichkeit

Ein so wichtiger und schwerwiegender Entscheid wie eine Rechtsformänderung müsse sauber und breit abgestützt vorbereitet werden. Alle gesetzlichen und statutarischen Vorgaben müssten beachtet werden, sind sich die Initianten der IG Zukunft Murimoos einig.

Und weiter: «Die Zweidrittelmehrheit für die Reformänderung, wie sie in den vom Vorstand vorgelegten Unterlagen nötig wäre, ist bei der Abstimmung nicht erreicht worden. Somit ist die Reformänderung abgelehnt.» Der Vorstand wäre gut beraten, wenn er vorgängig eine breite Diskussion mit den Mitgliedern führen würde, sind sie überzeugt. «Wir wehren uns nicht grundsätzlich gegen jegliche strukturelle Anpassungen, jedoch wollen wir klare Kompetenzen und Kontrollorgane.» --sus


Vertrauen in den Verein verloren

IG Zukunft Murimoos wehrt sich gegen die geplanten strukturellen Anpassungen des Verein Murimoos werken und wohnen

Aus Sorge um das Murimoos verlangt die IG Zukunft Murimoos vom Vorstand des Vereins Murimoos einen Übungsabbruch, unabhängig vom Abstimmungsresultat.

Susanne Schild

An der zweiten ausserordentlichen schriftlichen Generalversammlung von Murimoos werken und wohnen nahmen 130 Mitglieder teil. Der Antrag des Vorstandes, die gemeinnützige AG für den Betrieb sowie die Stiftung für die Liegenschaft zu gründen und die entsprechenden Vermögensbestandteile des Vereins in neue Gefässe zu übertragen, wurde mit 79 Ja- zu 45 Nein-Stimmen bei sechs Enthaltungen angenommen.

Die Initianten der IG Zukunft Murimoos betonen, dass die Abstimmung weder fair noch korrekt durchgeführt worden sei. Bemängelt wurde insbesondere, dass keine Diskussion im Verein über die Konsequenzen der Rechtsformänderung geführt wurde. «Hierüber ist eine breite Diskussion nötig. Und Diskussionen sollten in einem Verein eine Selbstverständlichkeit sein. Leider ist alles verweigert worden», sagte Initiantin Astrid Gebert an der Medienkonferenz.

Kontrollmöglichkeit durch den Verein fällt weg

Unter dem Begriff «Rechtsformänderung» wurden die Vereinsmitglieder in einem komplizierten Antrag gebeten, das gesamte Vereinsvermögen einer Stiftung zu schenken, um danach den Verein aufzulösen.

Folglich hat der Verein nichts mehr zu sagen. Jetzige Mitglieder haben künftig kein Mitbestimmungsrecht mehr. Die Vereinsmitglieder können zudem weder den Stiftungsrat noch die Verwaltung der AG wählen. Es fehlt eine Vorschlags- und Kontrollmöglichkeit durch den Verein. «Ich bin seit 40 Jahren Anwalt. Ein derartiges Vorgehen habe ich allerdings noch nie erlebt. Jede Diskussion wurde abgelehnt», sagte Gründungsmitglied Thomas Kull. Es sei eine Ausrede gewesen, die Präsenz-GV wegen Covid auf eine schriftliche Abstimmung zu ändern. «Die Fallzahlen waren zu dieser Zeit nicht so, dass die GV nicht in einem grossen Raum hätte stattfinden können. Diese Ausrede akzeptieren wir nicht», so Kull weiter. Weiter bemängelt er, dass der Vorstand vergessen hat, einen unabhängigen Rechtsvertreter zu ernennen, an den die schriftlichen Abstimmungscouverts hätten gesendet werden können.

Vereinsauflösung ist nicht nachvollziehbar

«Der Verein Murimoos schenkt sein Gesamtvermögen von rund sechs Millionen Franken einer Stiftung und wird dafür entmachtet», sagte Initiant Peter Jäggi an der Medienkonferenz.

Der Verein sei über 80 Jahre gewachsen. Daran hätten sehr viele frühere Vorstandsmitglieder und Vereinsmitglieder mitgearbeitet. «Das ist ihr grosses Verdienst und zugleich die Verpflichtung für die Zukunft der heutigen Vorstandsmitglieder», so Jäggi. Die Aufgabe des Vorstandes müsse es sein, die Vereinsmitglieder zu informieren, mit einzubeziehen und zum Mitdenken und zur Mitarbeit zu motivieren. «Damit ist auch die Kontrolle gegeben.» Die Führung und Kontrolle durch den Verein habe sich in über 80 Jahren bewährt.

«Es ist nicht einzusehen, warum diese jetzt abgeschafft werden soll», sagte Jäggi. Und weiter: «Der Geschäftsführer Michael Dubach hat an der Orientierungsversammlung dazu öffentlich gesagt, dass es viel zu kompliziert und zu langsam sei, wenn alle mitreden könnten. Aber es gehört ja gerade zum Wesen eines Vereins, dass das ganze Geschäft durch alle Mitglieder mitverantwortet wird und nicht nur durch wenige Delegierte oder Gewählte.»

Ein grosses Vermächtnis wird leichtsinnig begraben

Initiantin Eva Kollmann sieht das Erbe Murimoos von Sämi Holliger als gefährdet. «Die Intensivierung der Landwirtschaft geht zulasten der Klientenarbeitsplätze», sagte sie. Dadurch würde ein grosses Vermächtnis, das über Generationen aufgebaut worden ist, leichtsinnig begraben und damit auch das Ideal des Gründers Sämi Holliger.

«Nach dem Willen des Vorstandes soll die anonyme Stiftung ohne Kontrollmöglichkeit inskünftig das alleinige Sagen haben.

«Vision und Konzept für die soziale Institution sind nie vorgelegt worden», ergänzte Astrid Gebert. Mehrmals sei vom Vorstand und vom Geschäftsleiter erwähnt worden, dass sich für die Klienten und Angestellten nichts ändern werde. «Da stellt sich doch die Frage, weshalb der Vorstand eine so bedeutende Strukturveränderung vornehmen will, welche nicht mehr rückgängig gemacht werden kann», sagte Gebert.

Gemäss den vorgeschlagenen Statuten der Stiftung wäre ein Verkauf der Immobilien des Murimoos möglich. Damit wäre nicht nur das Sozialwerk in Gefahr, sondern auch das Naturparadies, der Kinderspielplatz für Familien und damit ein wichtiges Naherholungsgebiet für Muri und viele umliegende Gemeinden, befürchten die Initianten.

Viele Fragen, Bedenken und grosse Sorgen

«Die Vereinsstruktur ist kein Auslaufmodell», sagte Hans-Mathias Käppeli. Er kenne im Freiamt eine Sozialinstitution, welche nach gründlicher Abklärung aller Vor- und Nachteile einer Stiftung sich dafür entschieden habe, die Vereinsstruktur beizubehalten. «Die Flexibilität wurde viel stärker gewichtet und die starre Stiftungsaufsicht wurde gefürchtet», so Käppeli. Zudem gebe es im Aargau grosse Sozialinstitute, welche zwar eine Stiftung sind, jedoch ergänzt um das Gremium einer Stiftungsversammlung, wie beispielsweise die Integra Freiamt.

Zu den über 80 Mitgliedern der IG Zukunft Murimoos gehören Vereinsmitglieder, ehemalige Vorstandsmitglieder, ein ehemaliger Präsident und ein ehemaliger Direktor des Murimoos. Sie alle teilen die grossen Bedenken, Fragen und Sorgen der IG Zukunft Murimoos. Zu den Gründungsmitgliedern gehören Astrid Gebert, Peter Jäggi, Hans-Mathias Käppeli, Eva Kollmann und Thomas Kull.

Offene, breite und faire Diskussion ist nötig

Der Vorstand des Vereins Murimoos werken und wohnen wird aufgefordert, eine neue Lagebeurteilung vorzunehmen. Daraus soll eine Strategie erarbeitet werden mit Fokus auf die Sozialsituation. Diese müsste gemäss IG Zukunft Murimoos mit den Vereinsmitgliedern in einer breiten, transparenten, offenen und fairen Diskussion erfolgen.

«Es besteht überhaupt kein Zeitdruck», so die Initianten der IG Zukunft Murimoos. Ob aber der heutige Vorstand noch genügend Glaubwürdigkeit und das Vertrauen vieler Mitglieder besitze, wird von der IG Zukunft Murimoos infrage gestellt. Als logische Konsequenz fordert die IG Zukunft Murimoos den sofortigen Übungsabbruch. «Wir sind offen für Gespräche», sagt Astrid Gebert.


«Wir haben informiert»

Verein Murimoos werken und wohnen hält an Rechtsformänderung fest

Für die IG Zukunft Murimoos ist die angedachte Rechtsformänderung nicht akzeptabel. Der Verein Murimoos werken und wohnen möchte die Rechtsformänderung hingegen weiterverfolgen, da sie ein demokratischer Entscheid der Mitglieder war.

«Es ist eine sehr unangenehme Situation, die an der Substanz zehrt», sagt Heidi Schmid, Präsidentin des Vereins Murimoos werken und wohnen. An der Informationsveranstaltung im August sei diskutiert und informiert worden. Ausserdem seien alle relevanten Informationen zur Rechtsform auf der Website des Vereins zu finden. Bereits 2019 wurde die Begleitung des Prozesses der Rechtsformänderung ausgeschrieben. Im November 2019 fanden erste Workshops zur Erarbeitung der Ausgangslage statt. Anschliessend wurde 2020 das Umstrukturierungskonzept erarbeitet und im Januar 2021 finalisiert.

Abstimmung war fair und korrekt

«Das an der ersten ausserordentlichen Generalversammlung nur 24 Mitglieder anwesend waren, sei die Versammlung mangels Quorum nicht beschlussfähig gewesen. «Die Fragen zur Rechtsformänderung wurden sachlich auf schriftlichem Weg beantwortet und der Einladung zur zweiten ausserordentlichen Generalversammlung beigelegt», erklärt sie. Die schriftliche Abstimmung an der zweiten ausserordentlichen Generalversammlung sei fair und korrekt verlaufen. «Wir haben uns für die schriftliche Form entschieden, um mehr Mitglieder erreichen und die Rechtsformänderung breit abstützen zu können. Es geht schliesslich um einen grossen Schritt», informiert Michael Dubach. Der Entscheid sei richtig gewesen, die Teilnehmerzahl von 130 Mitgliedern an der schriftlichen GV im Gegensatz zu 24 an der Präsenz-GV würde das bestätigen. «Wir sind immer offen für Diskussionen auf Augenhöhe», sagt Schmid.

Die Abstimmungscouverts seien unter notarieller Aufsicht geöffnet worden. «Alle Unterlagen sind transparent. Es ist jederzeit nachvollziehbar, wer abgestimmt hat», informierte Ingo Hauser, Leiter Geschäftsbereich Wohnen. «Die Rechtsformänderung war ein demokratischer Entscheid unserer Mitglieder», ist Heidi Schmid überzeugt. Ziel sei es, für die Zukunft gerüstet zu sein, den Zweck zu sichern und das operative Geschäft wahren zu können. «Daher die Idee von AG und Stiftung», so Schmid.

Kontrolle ist weiterhin gewährleistet

«Es gibt zahlreiche Beispiele, bei denen das System funktioniert», fährt sie fort. Man habe zudem auch in Zukunft einen Leistungsauftrag mit dem Kanton Aargau. «Wir werden überprüft, verfassen einen Jahresbericht und rapportieren», bestätigt Ingo Hauser. Ausserdem gebe es ein Audit über die Qualitätsstandards und Revisionen. «Die Gewaltenteilung ist gewä h rlei stet», betont Heid i Schmid.«Die Rechtsformänderung ändert nichts an der Zusammenarbeit mit dem Kanton», bestätigt Peter Walther-Müller vom Kanton Aargau, Departement Bildung, Kultur und Sport. Man habe auch von Seiten des Kantons keinerlei Bedenken, was die Rechtsformänderung anbelangt. «Die Kontrolle ist vorhanden. Die grosse Mehrheit der Betreuungseinrichtungen sind Stiftungen. Die Änderung wäre ein Schritt in die Normalität. Es gibt nur wenige Einrichtungen, die als Verein organisiert sind», sagt Walther-Müller.

Ziele sind klar definiert

«Wir haben eine Strategie, die in diesem Jahr vom Vorstand erarbeitet und verabschiedet wurde. Diese wurde vom Kanton eingesehen und den Mitarbeitenden präsentiert. Unsere Ziele sind bis 2030 klar definiert und kommuniziert», sagt Ingo Hauser.

Der Fokus liege weiterhin klar auf der biologischen Landwirtschaft. Die Bedenken, der Biomarkt könnte geschlossen werden, seien völlig unbegründet. Auch sei man dabei, das Betreuungsangebot auszubauen. «Und der kürzlich erweiterte Spielplatz ist offen und er bleibt offen», sagt Dubach. --sus


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