Ein Dorf im Ausnahmezustand

  31.08.2021 Hägglingen

Sommerserie «Grosse Kisten»: Die 950-Jahr-Feier Hägglingens im September 1986

Das festliche Hägglingen im schönsten Sonntagskleid zeigen. Das war das Ziel des 16-köpfigen OK der 950-Jahr-Feier, die vom 5. bis 7. und 11. bis 14. September 1986 stattfand. Ein Riesenfest, bei dem das ganze Dorf mit angepackt und sich selber gefeiert hat.

«Ja, die Idee für dieses Fest stammte von mir, was mir dann auch gleich den Posten des OK-Präsidenten bescherte», schmunzelt Marcel Geissmann, damaliger Gemeindeammann von Hägglingen. Der heute bald 90-Jährige erinnert sich bestens an dieses Grossereignis. «Es sollte etwas ganz Spezielles werden. Für alle Posten im Organisationskomitee brauchte es die besten Leute aus dem Dorf. Das ist uns gelungen und dank den unzähligen ehrenamtlichen Helfern sowie Vereinsmitgliedern ist dieses ganz grosse Gemeinschaftswerk mit mir an der Spitze entstanden.»

Unvergessliches Festspiel «Mys Dorf – my Heimet»

Eines der besonderen Highlights dieses über zwei Wochenenden dauernden Festes war das Jugendfestspiel «Mys Dorf – my Heimet» des Hägglinger Lehrers, Theatermanns und Musikers Kurt Seiler, welches er extra für diesen Anlass geschrieben hat. Die Idee dazu stammte aus dem Refrain des Hägglinger-Liedes: «I bi deheime do …». Im Festführer kündigte Seiler sein Werk, welches vier Mal aufgeführt wurde, wie folgt an: «In unterhaltsamer Weise soll der Geburtstag unseres Dorfes gefeiert werden. Aus allen Teilen der Schweiz kommen die Gratulanten auf einem Dorfplatz zusammen, jeder in seiner Eigenart. Im Zwiegespräch mit den Hägglingern, mit bunten Reigen und Überraschungen aller Art wird ein fröhliches Fest entstehen.»

Das Theaterstück mit einem kräftigen Schuss Humor schien auch den damaligen Redaktor des «Wohler Anzeigers» begeistert zu haben. Er schrieb: «Eidgenossen aus allen Landesteilen, die Innerschweizer als Tellspielleute, die Basler als ‹Waggis›, die Zuger und Zürcher, die Walliser, Tessiner und Berner kommen auf den Festplatz, um den Hägglingern zum Dorfjubiläum zu gratulieren. Man glaubt, auch wenn das Festspiel in erster Linie ‹nur› gut unterhalten will, eine leise Mahnung gehört zu haben: Nehmt euch, ihr Hägglinger, nicht als den Nabel der Welt.» Der inzwischen leider verstorbene Kurt Seiler meinte nach den erfolgreichen Aufführungen: «Ohne die Schüler, die auf der Bühne über sich selbst hinausgewachsen sind, wäre es nie gelungen.»

Höhepunkte gab es an diesem total siebentägigen Fest noch einige. So stand beispielsweise der Samstagnachmittag im Zeichen der Plauschspiele für die Schüler. Am Abend dann die Taufe der eigenen Rose, einer geranienroten Floribunda, auf den Namen «Gruss vom Maiengrün». Ein Geschenk des Rosenzüchters und Ortsbürgers Richard Huber an die Gemeinde Hägglingen. Als Taufgotte amtierte Margrit Geissmann-Giger, die Gattin des damaligen Gemeindeammanns.

Am grossen Festumzug vom Sonntag wurden die Schulkinder, viele davon in ihrem Festspielkostüm, ganz gross herausgestellt. Mit dabei waren auch Vereine und Musikgesellschaften aus Dottikon und Hägglingen sowie Pferde, Kühe und Ziegen von Hägglinger Bauern.

Nebst den offiziellen Anlässen waren die zehn originellen, liebevoll gestalteten Beizli der Dorfvereine die Begegnungsstätten im Festbetrieb. «Hier lässt sichs gut sein; hier lässt sichs plaudern, hier lernt man sich kennen, hier kann man neue Freundschaften schliessen und alte auffrischen», stand damals im Festführer. Dies bestätigt Marcel Geissmann heute noch: «Ja, an diesem Fest sind viele Freundschaften entstanden.»

Auch am zweiten Wochenende volles Programm

Die drei Vorstellungen des damals noch jungen Circus Monti sorgten am zweiten Wochenende für Unterhaltung. In dessen Zelt fand auch das Spiel ohne Grenzen, zu dem die umliegenden Turnvereine eingeladen waren, statt. Ein Höllenspass, bei dem Büttikon den ersten und die Hägglinger hinter Fischbach-Göslikon den dritten Platz belegten.

Der Festakt vom Sonntag setzte den Schlusspunkt hinter das in allen Teilen gelungene Dorffest. In seiner Rede sagte Marcel Geissmann damals, dass es die Hägglinger immer verstanden hätten, Feste zu feiern. Den Wohlstand habe die Gemeinde zum Teil den Vorfahren zu verdanken. Sie hätten den Blick in die Zukunft gerichtet und den Nachkommen den Weg geebnet. Die Hägglinger hätten sich immer nach der Devise «Einheit macht stark» gerichtet. Und weil es den Behörden immer gelungen sei, die Zusammenarbeit der Dorfgemeinschaft auf eine Vertrauensbasis zu stellen, erbrachten die Hägglinger immer wieder überdurchschnittliche kulturelle Leistungen.

Budget von 40 000 Franken

«Mit dieser 950-Jahr-Feier ist uns wirklich etwas ganz Grosses gelungen. Und dies mit einer Vorlaufzeit von nur knapp einem Jahr und einem Budget von 40 000 Franken», erklärt der damalige OK-Präsident 35 Jahre später. «Aber wir sind durchgekommen», ergänzt er sichtlich stolz und mit einem Lächeln im Gesicht. «Das ging aber nur, weil alle ehrenamtlich mitgeholfen haben.» Die unzähligen Arbeitsstunden gingen allerdings nicht spurlos an ihm vorbei. «In dieser Zeit arbeitete ich Tag und Nacht», erinnert er sich. Denn nebst seinem eigenen Geschäft und seinem Amt als Gemeindeammann sass er zu dieser Zeit auch im Grossen Rat und war zusätzlich in vielen Kommissionen tätig.

Auf sein persönliches Highlight angesprochen erklärt Geissmann: «Es gibt keinen speziellen Moment, den ich hervorheben kann. Es war einfach bombastisch. Etwas vom Schönsten, was ich erleben durfte.» --nl


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