Ein neuer Pokal soll her

  04.12.2020 Sport

Randy Vock vor dem Finalrückkampf Willisau – Freiamt (Samstag, 19 Uhr, BBZ, Willisau)

Nach seinem Rücktritt vom internationalen Ringsport ist 2020 ein besonderes Jahr für Randy Vock. Mit dem Meistertitel für die RS Freiamt könnte dieses Jahr einen perfekten Abschluss finden. Und Vock könnte dabei ein Schlüsselfaktor sein.

Josip Lasic

Was eignet sich besser als Motiv für ein Foto, das die Titel-Ambitionen der RS Freiamt zeigen soll, als mit dem Meisterpokal von 2014 zu posieren? In diesem Jahr gewannen die Freiämter zum letzten Mal die Schweizer Meisterschaft. Doch wo ist der Pokal? «Wenn ich mich nicht irre, ist der kaputt gegangen», sagt Randy Vock. Kein Problem, Ersatz ist schnell da. Die RS Freiamt hat genug Meistertitel gefeiert.

Der Pokal von 2014 ist nicht mehr da. Dafür aber mehrere der Meisterringer von damals. Pascal Strebel, Roman Zurfluh, Michael Bucher, Nico Küng – der den diesjährigen Final verletzungsbedingt verpassen wird – und Randy Vock selbst waren vor sechs Jahren bereits dabei. Strebel war damals mit 26 Jahren der Älteste dieses Quintetts. Die anderen vier waren die «jungen Wilden». Heute sind sie alle Leistungsträger. Neben ihnen ringen Leute aus diversen Nationalkadern wie Christian Zemp, Nils und Nino Leutert, Marc Weber, Joel Meier, Saya Brunner, Kimi Käppeli oder andere starke Ringer wie ein Magomed Ayshkanov. Ist das aktuelle Team der RS Freiamt stärker als die Meistermannschaft von 2014? «Das sieht vielleicht auf den ersten Blick so aus. Das Team damals hat auch sein Bestes gegeben und alles aus sich rausgeholt. Seither ist eine Professionalisierung durch das Schweizer Ringen gegangen. Vielleicht ist unser aktuelles Team auf dem Papier besser als damals. Das trifft aber auch auf alle gegnerischen Mannschaften zu», so Vock.

Gut zurechtgefunden in neuer Gewichtsklasse

Der in Muri wohnhafte Niederwiler war bis zu diesem Jahr Teil dieser Professionalisierung. Nach seiner EM-Bronze 2019 hat der 26-Jährige im Frühling seinen Rücktritt vom internationalen Ringen gegeben – und ist dafür auf nationaler Ebene vermutlich ein noch gefährlicherer Kämpfer geworden.

Auf den ersten Blick zeigt seine Bilanz in dieser Saison nicht mehr die Dominanz früherer Jahre. Von seinen neuen Kämpfen hat er nur fünf gewonnen. Vier davon knapp mit 2:1. «Ich habe nicht mehr denselben Trainingsaufwand wie früher», erklärt er. «Die Leute haben vielleicht eine falsche Erwartungshaltung. Sie sehen meinen Namen und denken, dass ich gewinnen muss.»

Doch der Schein trügt. In den Vorjahren hat Randy Vock meist in der Gewichtsklasse bis 65 kg gerungen. In Ausnahmefällen bis 70 kg. Jetzt tritt er regelmässig bis 70 und 75 kg an. Die Umstellung ist ihm gut gelungen. Trotz deutlich schwererer Gegner gewinnt er nach wie vor die meisten seiner Kämpfe.

Coronapause gut genutzt

Dass ihm das gelungen ist, hat auch mit der coronabedingten Trainingspause zu tun, die im Frühling auf die Ringer zukam. Vock, der trotz Rücktritt aktuell noch eine Swiss-Olympic-Card hat, wäre einer der Ringer gewesen, denen gestattet war, auf der Matte und mit Körperkontakt zu trainieren. Er hat sich bewusst dagegen entschieden. «Ich habe mich zwar sportlich betätigt, ging aber mehr radfahren oder klettern», erklärt er. Der Trainingsaufwand ist zwar weniger, aber der gelernte Kaminfeger arbeitet mittlerweile wieder Vollzeit. Er hat in der Zeit ohne Ringen den Wechsel von «nur Ringen» auf «Beruf und Ringen» gemeistert. «Die Pause kam mir gerade recht. So konnte ich mich langsam akklimatisieren.» Das Ergebnis: Vock fühlt sich weniger unter Druck und regeneriert besser. Ideale Voraussetzungen, um einen Gewichtsklassenwechsel durchzuführen.

Kampf gegen Portmann als Zünglein an der Waage?

Vier Kämpfe hat er verloren. Die 0:4-Schulterniederlage gegen Einsiedelns Lars Neyer war einer Unkonzentriertheit geschuldet. Im Halbfinalrückkampf, als es um nichts mehr ging, war der Freiämter Sekunden von einem 4:0-Sieg entfernt und hat einen Moment nicht aufgepasst. Neyer wusste das auszunutzen.

Die anderen drei Niederlagen hat ihm alle Willisaus Tobias Portmann zugefügt. Zuletzt im Finalhinkampf vor einer Woche. Alle drei Kämpfe endeten mit 0:2. Das zeigt zwei Dinge. Erstens: Willisau hat Respekt vor Vock. Trainer Thomas Bucheli macht keine Spielchen und lässt Portmann, der seit Jahren in dieser Gewichtsklasse ringt und deutlich schwerer ist als der Freiämter, gegen Vock antreten. Zweitens: Selbst Portmann schafft nicht mehr als den Minimalerfolg von 2:0. In allen drei Kämpfen war Vock nahe dran zu punkten. «Das war auch die Devise der Trainer. Sie haben mir gesagt: ‹Randy, wenn du kannst, hol einen Punkt, und sonst halt ihn bei 0:2.›»

Die RS Freiamt startet morgen Samstag mit einem 18:15-Sieg im Rücken in den zweiten Finalkampf gegen Titelverteidiger Willisau. Drei Punkte Vorsprung sind wenig. Diese können schnell weg sein. Jeder Punkt kann entscheiden. Umso wichtiger könnte Vocks Kampf gegen Portmann sein. Wenn er ihn wieder bei 0:2 halten kann oder sogar punktet, könnte das die Entscheidung und den Titel für die RS Freiamt bringen. Gut wäre es. Dann könnten die Ringer wieder mit einem aktuellen Pokal posieren – sofern dieser nicht auch kaputtgeht.

Auch beim Rückkampf in Willisau sind keine Zuschauer zugelassen. Der Final wird per Livestream übertragen: https://www.crowdcast.io/swisswrestling.


«Das bessere Team soll gewinnen»

Die Stimmen der beiden Trainer vor dem Finalrückkampf

«Es ist gut, dass wir einen Vorsprung haben», sagt RS-Freiamt-Trainer Marcel Leutert. «Aber es sind nur drei Punkte. Einer unserer Ringer muss nur einen schlechten Tag erwischen und eine Schulter-Niederlage kassieren. Schon ist der Vorsprung weg.» Leutert bleibt deshalb vorsichtig optimistisch.

Worauf wird es am Finaltag überhaupt ankommen? Die Fähigkeiten der Ringer? Die Tagesform? Die Taktik und Aufstellung? «Das Wichtigste ist, dass eine gute Stimmung in der Mannschaft herrscht. Und die haben wir», berichtet der Trainer. Die RS Freiamt ist bereit, den Titel zu holen. «Letztes Jahr hatte uns niemand auf dem Schirm. Willisau war der absolute Favorit. Deshalb würde die Enttäuschung jetzt vermutlich etwas länger andauern, falls es nicht klappen würde», erklärt Leutert. «Aber daran denken wir nicht. Wir sind topmotiviert.»

«Freiamt ist stärker als im Vorjahr»

Das sind laut Willisau-Trainer Thomas Bucheli auch seine Ringer. «Wir wollen uns revanchieren für die Niederlage im Hinkampf. Die Motivation ist bei allen da. Das ist das Wichtigste.» Einen Favoriten sieht Bucheli nach wie vor nicht. Freiamt hat den Vorteil der Drei-Punkte-Führung. Für Willisau sprechen die zwei Siege aus der Vorrunde und der Finalsieg letztes Jahr. «Das ist mental ein Pluspunkt für uns. Davon kaufen können wir uns allerdings nichts», sagt der Trainer der Luzerner.

Bucheli sieht die RS Freiamt stärker als letztes Jahr. «Ihnen hat damals im Final Randy Vock verletzungsbedingt gefehlt. Jetzt ist er dabei. Dazu haben sie neu Christian Zemp. Uns fehlt ohne Doppellizenzen ein Andreas Vetsch. Dafür haben unsere jungen Ringer einen Schritt vorwärtsgemacht. Uns sehe ich als ähnlich stark an wie letztes Jahr.» Der Willisau-Coach geht von einem knappen, spannenden Kampf aus. «Und das bessere Team soll gewinnen. Selbst wenn es die Freiämter wären.» --jl


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