Eine Frage, viele Antworten

  20.10.2020 Muri

Podiumsgespräch im Dachsaal der Pflegi Muri

Vor einem halben Jahr erschien das aktuelle Buch «Was hilft?» des Murianer Arztes Urs Pilgrim. Jetzt stand der Autor in einem Podiumsgespräch Rede und Antwort. Obwohl die Frage «Was hilft?» einfach erscheint, ist die Antwort darauf eher schwer zu finden. Christian Meyer, Abt des Benediktinerklosters Engelberg, findet Hilfe im Gebet. Unternehmerpersönlichkeit, Physiker und Agnostiker helfen und Urs Pilgrim hilft es, anderen helfen zu können. Eine facettenreiche Palette an Antworten, die sich im Kern doch alle gleichen. Was hilft, muss letztendlich jeder für sich allein definieren. Ein diskussionsreicher, unterhaltsamer und lehrreicher Abend, moderiert von Olivia Rölling, unter anderem bekannt aus dem Schweizer Fernsehen. --sus


Kontrovers und dennoch gleich

Podiumsgespräch «Medizin und Religion – Verbindendes und Trennendes»

In seinem Buch «Was hilft?» beleuchtet der Murianer Arzt und Autor Urs Pilgrim die Wirkung von Medizin und Religion. Im Rahmen eines Podiumsgesprächs unter der Leitung von Olivia Röllin diskutierten zwei Persönlichkeiten zusammen mit dem Autor ihre verschiedenen, teilweise durchaus kontroversen Ansichten.

Susanne Schild

Im Mittelpunkt des Abends stand ein Geburtstagsgeschenk. Vor einem halben Jahr machte Urs Pilgrim sein aktuelles Buch «Was hilft?» der Stiftung Murikultur anlässlich ihres 50. Geburtstags zum Geschenk. Der Autor war von 2005 bis 2016 Präsident der Stiftung und hat «Murikultur durch sein Wirken nachhaltig geprägt», betonte Marlène Nogara-Nussbaumer, Vizepräsidentin des Stiftungsrates. Die Frucht seiner Verbundenheit mit Murikultur sei sein 200-seitiges Werk «Was hilft?», erschienen im Theologischen Verlag Zürich. Darin vergleicht Pilgrim die Wirkung von Medizin und Religion. Bilder aus dem Kloster Muri beweisen, dass oft ein Zusammenspiel der Komponenten stattfindet. Unter der Leitung von Olivia Röllin, Moderatorin der sonntäglichen Sendung «Sternstunde Religion» im Schweizer Fernsehen, wurde die spannende Thematik des Buches aufgegriffen und aus verschiedenen Blickwinkeln von den Teilnehmern des Podiums hinterfragt und diskutiert.

Glaube ist heute differnzierter

Früher gehörten Religion und Medizin eng zusammen. Der Glaube spendete Hoffnung in Anbetracht der Sterblichkeit. Im Laufe der Zeit hat sich das Ganze differenziert. Auch die Ansichten an diesem Abend darüber, was denn nun wirklich helfe, waren durchaus kontrovers. Hans Widmer, Unternehmerpersönlichkeit, Physiker, Humanist und Agnostiker, begegnet der Religion zwar mit Respekt, aber dennoch sieht er für sich in der Religion keine Hilfe. «Mir ist nicht zu helfen.» Widmer ist überzeugt, dass jeder die Situation ungeschminkt lesen und analysieren muss. «Hoffnung, die man beispielsweise im Glauben findet, verfälscht hierbei nur.» Er fordert, dass man sich auf die eigenen Werte besinnt, um furchtlos entscheiden zu können. Widmer hat mit 17 Jahren das Beten endgültig aufgegeben und ist überzeugt davon, dass nach dem Tod nichts kommt. «Der Tod ist die Voraussetzung für die Evolution, er schafft Platz und ist die Voraussetzung von Leben.»

Aus dem persönlichen Glauben Kraft schöpfen

Christian Meyer, Abt des Benediktinerklosters Engelberg und Abtpräses der Schweizerischen Benediktinerkongregation, glaubt an die Schnittstelle zwischen Medizin und Religion. «Beten kann eine Hilfe sein. Ein Gebet kann eine entlastende und stärkende Funktion haben.» Der Abt sieht das Gebet als Geschenk, aber zugleich auch als Herausforderung an. Für ihn ist der Glaube sein stärkendes Fundament, das ihn hält. «Durch meinen persönlichen Glauben bin ich geerdet und mit Gott verbunden. Bei anderen kann das anders sein», räumte er ein. Der Glaube schenke ihm Ruhe und Gelassenheit, nehme ihm die Angst. Daraus schöpfe er seine Kraft. «Egal wie es kommt, es kommt gut.» Wichtig sei, dass die Grundstimmung des Glaubens Freude sei und nicht Angst. «Ich versuche die Erlöstheit vorzuleben.»

Das Göttliche in einem selbst freilegen

Urs Pilgrim hingegen sieht eher den Kompromiss: «Gott ist aus der medizinischen Wissenschaft nicht auszuschliessen, aber in den Alltag einzuschliessen.» Ihm persönlich hilft es, wenn er anderen helfen kann. Der «Glaube ist wichtig, der Glaubensinhalt weniger». Für Urs Pilgrim ist Vertrauen wichtig. «Man muss das tun, was einem gut tut. Ob das nun ein Gebet oder eine Yogastunde ist.» Er selbst habe nie versucht, bei irgendjemandem zu missionieren, denn es gebe keine Ungläubigen. «In jedem Menschen findet sich ein Himmelreich.» Empathie sei wichtig und das betone wiederum auch der christliche Glaube. «Gott ist Liebe. Das ist die beste Gotteserfahrung.» Doch jeder müsse selbst das Göttliche in sich freilegen. Daraus zog Widmer das Fazit: «Alle haben zu einem gewissen Teil recht.» Wenn Religion die einzige Art sei, mit sich in Einklang zu kommen, dann sei das durchaus zu akzeptieren. Die Psyche müsse in Harmonie und Einklang gebracht werden. In jedem Einzelnen von uns seien alle Lösungen enthalten. Im Laufe der Evolution gab es viele Versuche und Irrtümer: «Das, was wir heute geerbt haben, das funktioniert. Im Inneren des Menschen ist alles angelegt zum Gelingen. Das Fundament ist da.»

Die Blickwinkel und auch Meinungen gingen an diesem Abend zwar teilweise auseinander, doch wie Moderatorin Olivia Röllin treffend formulierte: «Sie alle drei reden vom Gleichen, jedoch in anderen Worten.» Es gebe Varianten, doch wichtig sei, sich auf die eigenen Kräfte zu besinnen. Dann hilft man sich selbst.


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