Kickend zum Wohler geworden

  18.12.2020 Sport

«Regionalfussball-Stars von früher»: Jean-Pierre «Schibi» Roth spielte bei Bremgarten und Wohlen

«Schibi» Roth hatte ein Angebot von Ottmar Hitzfeld aus der Nationalliga A. Stattdessen spielte er «nur» bei Wettingen in der NLB. Wegen Verletzungen ausserdem nur für eine kurze Zeit. Mit seiner Karriere ist er trotzdem zufrieden.

Josip Lasic

Wie Jean-Pierre «Schibi» Roth zu seinem Spitznamen kommt, weiss der 56-Jährige nicht mehr. «Ich vermute, dass meine Initialen JP auf englisch fälschlicherweise ‹tschii pii› statt ‹tschej pii› ausgesprochen wurden und das geblieben ist», erklärt Roth. «Im Beruf kennt mich niemand unter diesem Namen. ‹Schibi› ist nur ein Begriff für Fussballer.»

Im Freiamt ist «Schibi» Roth bekannt. Mit Bremgarten und Wohlen sorgte er im Regionalfussball für Furore. Mit seinem Wechsel nach Wettingen war er einer der Regionalkicker, der den Sprung nach oben geschafft hat – wenn auch nur für kurze Zeit.

Im Buch «100 Jahre FC Wohlen» sind ihm fünf Seiten gewidmet. Unter allen grossen Namen, die beim Verein waren, hatten nur Paul Fischer, Pietro Vedovato und Ciriaco Sforza die Ehre, gleich viele oder mehrere Seiten zu bekommen. «Schibi» Roth war für die Region ein enorm guter Fussballer. Viele seiner Weggefährten sind der Meinung, dass er noch grösser hätte herauskommen können. Er selbst ist mit seiner Karriere zufrieden und glücklich, im Freiamt zu Hause zu sein.

«Ich verfolge die Serie mit den ‹Regionalfussball-Stars› mit Genuss», sagt «Schibi» Roth im Marco Polo und nippt an seinem Getränk. «Ich habe mit den meisten von ihnen zusammengespielt, oder bin gegen sie angetreten.» Sei es im Trikot von Bremgarten, Wohlen oder Wettingen.

Der Zuwanderer

Roths Karriere beginnt aber bei den Junioren von Rapperswil-Jona, wo die Familie früher gewohnt hat. Der Junge hat Talent. Er nimmt an einem Fussballwettbewerb teil. «Es ging um die beste Technik», erzählt er. Roth gewinnt die Vorausscheidung in Rapperswil und den Schweizer Final in Basel. Die Belohnung: Eine Teilnahme am Europa-Final in Rom. «Ich war neun Jahre alt und der Fussball hat mir diese Reise ermöglicht. Das war grossartig.» In Italien wird er hinter einem Niederländer «nur» Zweiter. Die Kinder können im Stadion ein Vorspiel vor dem Derby zwischen Lazio und dem AS Rom bestreiten und sich danach die Partie ansehen.

Die Familie zieht nach Basel, dann nach Zufikon. Roth kommt zum FC Bremgarten. Der damalige Trainer Hanjo Weller nimmt ihn früh in die 1. Mannschaft auf. Sein Debüt: Der Final im Aargauer Cup 1981 gegen Brugg. Roth bringt die Freiämter mit 1:0 in Führung. Das Spiel endet 1:2 aus Sicht der Reussstädter, aber «Schibi» Roth wird mit 17 Jahren Spieler im Bremgarter Fanionteam. Er gibt sich aber bescheiden. Seine zwei älteren Brüder Heinz und Michael sind auch Spieler. Mit Michael steht er in Bremgarten im Kader und sieht ihn als den besseren Fussballer. «Er war gross, kopfballstark, zweikampfstark, war technisch stark, hatte eine gute Spielübersicht. », sagt «Schibi» Roth. «Als ihn Hanjo Weller offensiver eingesetzt hat, fing Michi plötzlich an, auch Tore zu schiessen. Er hatte alles.»

Die Coolness von Sforza

Es ist aber «Schibi» Roth, der mit 17 Toren in der Saison 1982/83 Bremgarten in die 1. Liga führt. Als der Club wieder absteigt und Weller den Verein verlässt, rumort es bei Roth. Der FC Wohlen lockt und mit ihm auch Trainer Zvezdan Cebinac. Roth gefällt es in der Strohmetropole. Cebinac formt ein starkes Team. Darunter ist ein junger Ciriaco Sforza. «Ich erinnere mich gut an unser erstes Aufstiegsspiel gegen Herisau», erzählt Roth. «Ciri war gerade 16. Ich habe ihn gefragt, ob er nervös sei. Er hat mir kurz und trocken geantwortet: ‹Nein, warum?›»

Roth debütierte mit 17 für Bremgarten, in einem Cupfinal, und erzielte dabei ein Tor. Dennoch hinterliess Sforzas Coolness Eindruck bei ihm. «Ich dachte mir, dass aus dem Jungen etwas werden muss, bei dem Talent, dieser Spielübersicht und diesem Selbstvertrauen.»

Absage an Hitzfeld

Unterdessen betreten Alain Schultz, mittlerweile Spieler beim FC Sarmenstorf, und Piu, Trainer des FC Muri, das Marco Polo. Man grüsst sich freundlich. «Ich kann mich gut mit den beiden identifizieren», sagt Roth. «Wir sind alle keine Wohler. Aber durch den Fussball wurden wir zu welchen.»

In der Zeit bei Wohlen lehnt Roth ein Angebot von Ottmar Hitzfeld und dem FC Aarau ab. «Ich habe Informatik studiert und wollte die Ausbildung beenden», erklärt er. Nach dem Abschluss wechselt er zum FC Wettingen in die Nationalliga B. Das Team ist gespickt mit grossen Namen aus der Freiämter und der Schweizer Fussballszene wie Rainer Stutz, Bruno Hüsser oder Martin Rueda – «ein grossartiger Fussballer, der auch dank dem Fussball ein Freiämter wurde.». Roth kriegt seine Einsätze, bis er sich verletzt. In der Vorbereitung zur neuen Saison folgt eine weitere Verletzung. Der Freiämter entscheidet sich, zurück in den Amateurfussball zu gehen.

Teil von «FCW-Dynastie»

Damals, als sich der neunjährige «Schibi» Roth mit starken Leistungen an den Fussballwettkämpfen für das Römer Stadtderby qualifizierte, hat er seine Ruhe als grosse Stärke betont. Die Ruhe, sie war aus seiner Sicht sein einziger Vorteil gegenüber seinem Bruder Michael, den er in allen Bereichen als besseren Fussballer betrachtete, aber als jemanden, der sich nicht immer im Griff hatte. War es diese Ruhe, die ihm eine grössere Karriere verwehrt hätte als anderthalb Jahre in Wettingen? Hätte er nach den Rückschlagen ruhiger und geduldiger bleiben sollen? «Ich war nie ein Willensmensch», sagt Roth. «Mit einer guten Ausbildung im Rücken musste ich mich nicht in der NLA und NLB kaputtmachen.» Er kehrt ins Freiamt zurück und verbringt dort noch zehn schöne Jahre. Mit Sandra Bächer – die Tochter von FCW-Torwart-Legende Willy Bächer und Schwester von Urs und Andy Bächer – hat er in eine FCW-Dynastie eingeheiratet.

Mit Unterbrüchen – eine Weltreise und eine Pause – blieb er bis 1999 beim FCW. Kurz bevor der Club das erste Mal in den Aufstiegsspielen zur NLB antreten sollte, erklärte Roth den Rücktritt. «Ich war 36 Jahre alt und wollte zurücktreten, bevor es mir andere Leute empfehlen», erklärt er lächelnd.

«Schibi» Roth, der Trainer

Statt selber zu kicken, fing «Schibi» Roth eine Trainerkarriere an. Während der Aktivzeit übernimmt er in der Saison 1995/96 den FC Wohlen als Spielertrainer. Am Ende holt das Team den Sieg im Aargauer Cup. In der Meisterschaft werden die Wohler «nur» Zweiter. Zu wenig für den ehrgeizigen Roth. Arne Stiel löst ihn nach nur einer Spielzeit ab.

Die Trainerkarriere von «Schibi» Roth wird erst nach seiner aktiven Karriere fortgesetzt. Mittlerweile in Waltenschwil wohnhaft, ist er dabei, als die dort ansässige Fussballschule gegründet wird. Er beginnt das F-Juniorenteam zu trainieren, in dem seine Söhne Yannik und Joel spielen. Es folgen weitere Juniorentrainerstationen, ein Co-Trainer-Posten beim FC Dottikon und ein kurzes Intermezzo bei Othmarsingen. In der vergangenen Saison wird Roth mit Alain Schultz Co-Trainer bei der U23 des FC Wohlen unter Reto Salm. «Wir haben ein Team übernommen, das kaum Selbstvertrauen hatte, und es dazu geführt, es jeden Gegner hätte besiegen können.» Für ihn der ideale Zeitpunkt, als Trainer aufzuhören. «Als Spieler wusste ich, wann ich abtreten sollte. Jetzt ist die Zeit im Trainerbusiness reif.»

Für «Schibi» Roth war der Fussball eine Lebensschule. Er konnte viel für Beruf und das Leben lernen. Im Freiamt hat er eine neue Heimat gefunden und eine Familie gegründet. Sein Weg war erfolgreich, auch ohne die grosse Karriere.


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