Koloniales Handeln damals und heute

  03.07.2020 Muri

In den letzten Tagen waren in den Medien im Rahmen der Rassismusdebatte Forderungen zu lesen, die Statuen von ehemaligen Wirtschaftsgrössen wie David de Pury und Alfred Escher vom Sockel zu stürzen. Die Geschichte die- ser vom Sklavenhandel profitierenden Männer müsse neu erzählt werden. Einverstanden, aber dazu sollte man ihre Denkmäler stehen lassen, Gelegenheit bieten, sich damit auseinanderzusetzen und etwa auf einer Infotafel die damalige Situation und die Schattenseiten der wirtschaftlichen Aktivitäten dieser Männer ans Licht bringen. Ihre Geschäftsweise war wohl damals «Courant normal», weder ungesetzlich noch moralisch bedenklich.

Es wurde auch geschrieben, wie koloniales Denken überall bis heute nachwirke, doch die heutige Konsumgesellschaft ist sich dieser Nachwirkungen zu wenig bewusst. Man muss den heutigen «Courant normal» kritisch hinterfragen. Wie steht es mit dem globalen Markt mit seinen Auswüchsen zu unseren Gunsten und zulasten der ärmeren Länder mit niedrigerem Lohnniveau? Sollte nicht eher diese Situation neu überdacht werden? Im Grunde genommen handeln wir Konsumenten indirekt auch kolonialistisch. Wir kaufen Konsumgüter zu teilweise fast unmoralisch tiefen Preisen, hergestellt in Entwicklungs- und Schwellenländern unter bedenklichen Arbeitsbedingungen. Wie kann es sein, dass der grösste deutsche Discounter in der Schweiz beispielsweise Leggings und T-Shirts für weniger als 7, Damenjeans für unter 15 Franken (Aktionspreise dieser Woche) verkaufen kann? Doch nur dank der niedrigen Löhne in asiatischen Ländern. Der heutige monatliche Mindestlohn in Bangladesch beträgt beispielsweise 83 Euro.

Und jetzt, nach Öffnung der Grenzen, fahren die Schweizer wieder über die Grenze und kaufen antibiotika- belastetes Billigfleisch aus deutschen Gross-Schlachthäusern. Himmelschreiend, dass erst mit Berichten über die Ansteckung von 1500 (Stand 23. Juni, Abend) Mitarbeitenden beim grössten Fleischverarbeiter publik wurde, unter welch unwürdigen Verhältnissen die Arbeitskräfte aus Ostländern hier arbeiten: quasi Schulter an Schulter im Akkord. Leben müssen sie eng beieinander in vergammelten Wohnungen in heruntergekommenen Liegenschaften. Noch schlimmer ist die Situation der Saisonarbeiter aus Nordafrika in den Gemüse- und Obstplantagen im Süden Europas. Die leben grösstenteils in notdürftigen Zelten aus Plastikfolien.

Wir nutzen unsere Smartphones und andere elektronische Geräte, ohne zu bedenken, unter welch teils katastrophalen Zuständen die Rohstoffe dazu gewonnen werden – von Firmen mit Hauptsitz im Steuerparadies Schweiz – unter Vergiftung der Umwelt und gesundheitlicher Schädigung der Minenarbeiter und der Wohnbevölkerung in der Umgebung.

Die Situation all dieser Arbeitskräfte ist gewiss nicht vergleichbar mit dem Leben der Sklaven auf den ehemaligen Baumwollplantagen im Süden der USA. Aber sie sind ihren Jobvermittlern und Arbeitgebern auf Gedeih und Verderben ausgeliefert. Sie haben keine Wahl; entweder sie akzeptieren den Job zu den herrschenden Bedingungen oder ihre Familien haben nichts zu essen und nichts zum Leben.

Der weltgrösste Nahrungsmittel-Konzern – ebenfalls mit Sitz in der Schweiz – kauft verarmten Gemeinden, auch in den USA, die Wasserrechte ab und verkauft das Wasser, in Flaschen abgefüllt, für gutes Geld. Dabei sollte natürliches Wasser und der Zugang hierfür ein Menschenrecht sein, und nicht Handelsware!

Nun denn, wer dazu beitragen will, dass in hundert oder mehr Jahren nicht unsere heutigen Wirtschaftsführer und Politiker vom Sockel gerissen werden, der gehe zur gegebenen Zeit an die Urne und stimme JA für die Konzernverantwortungs-Initiative!

Hans-Peter Münger, Muri


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