Kultur statt Brache

  07.05.2021 Muri

Das Projekt «Intermezzo» soll der Bahnhofstrasse in Muri neues Leben einhauchen

Mit dem Projekt «Intermezzo» als Zwischennutzung soll das Bahnhofareal kulturell und gastronomisch ganzjährig belebt werden.

Susanne Schild

Für die städtebauliche Entwicklung des Bahnhofquartiers in Muri wurde 2017 der Gestaltungsplan Zentrum Bahnhof beschlossen. Parkartige Grünzonen, sichere Wegverbindungen und ein attraktives Eingangstor: Das triste Bahnhofareal in Muri sollte zu einer lebendigen Begegnungszone mit bequemen Umsteigemöglichkeiten im öffentlichen Verkehr, mit attraktivem Wohnraum, grüner Umgebung und modernen Geschäften werden.

Übergangszeit sinnvoll nutzen

Ein Jahrzehnt später herrscht dort aber immer noch Öde und Trostlosigkeit, von einem blühenden Bahnhofareal ist man weit entfernt. Denn nach zehn Jahren Planung, hiess es im Juni 2020: zurück zum Start. Der Gemeinderat Muri fing beim Projekt «Zentrum Bahnhof» buchstäblich wieder von vorne an. «Nicht jeder Entscheid in der Vergangenheit war glücklich, wir haben Fehler gemacht, der Gemeinderat übernimmt die Verantwortung», sagte damals Gemeindepräsident Hampi Budmiger.

Mit dem Neuanfang soll jetzt «eine solide Basis» für eine gute städtebauliche Entwicklung des Bahnhofareals geschaffen werden. Bis es allerdings so weit ist, wird noch eine Weile vergehen. Genau diese Übergangszeit möchte die Haus und Raum AG nun sinnvoll nützen: Ihr Projekt «Intermezzo» soll aus dem heute wenig genutzten Areal mitten in Muri eine lebendige Plattform machen, die kulturell und gastronomisch «bespielt» werden kann und daneben Raum für die lang erwarteten flexiblen Arbeitsplätze bietet. Die Idee zu «Intermezzo» hatte Marlies Laubacher, Geschäftsführerin der Haus und Raum AG. «Ich wollte einfach etwas unternehmen, was Optimismus verbreitet.»


«Intermezzo» auf dem Bahnhofareal

Bereits im Juni soll die Bahnhofstrasse mit Kultur belebt werden

Das Areal rund um den Murianer Bahnhof soll bis zur Realisierung der Grossüberbauung «Zentrum Bahnhof» in einigen Jahren mit dem Projekt «Intermezzo» sinnvoll genutzt werden. Eine Win-win-Situation sowohl für die Gemeinde als auch für ihre Bevölkerung.

Susanne Schild

Es ist alles andere als eine Visitenkarte: Statt das pulsierende Treiben einer Zentrumsgemeinde bietet das Bahnhofareal in Muri zunehmend Trostlosigkeit. Offenbar lohnt es sich nicht einmal mehr, den Kiosk zu öffnen, der immerhin noch für ein Minimum an Leben gesorgt hat. Zwar hält die Bäckerei Bütler weiter die Stellung, aber die Bahnhofstrasse wird heute – gefühlt – mehrheitlich gesäumt von trostlosen Freiflächen, die im besten Fall als Parkplätze dienen, verwilderten Gärten und sanierungsbedürftigen oder abbruchreifen Gebäuden.

Das wird sich ändern, wenn dereinst das gemeindeeigene Projekt «Zentrum Bahnhof» realisiert wird. Doch bis dahin dürfte es noch eine Weile dauern. «Eine Prognose für die Dauer der Übergangszeit zum jetzigen Zeitpunkt zu machen, wäre zu gewagt», informiert der Murianer Gemeindeschreiber Severin Bättig. Doch durch die von der Haus und Raum AG getätigten Investitionen könne man davon ausgehen, dass es sicherlich noch «einen Moment» dauern werde, so Bättig weiter.

Dennoch handle es sich bei dem Projekt «Intermezzo» definitiv nur um eine Zwischenlösung. «Wir sind aktiv am ‹Zentrum Bahnhof› dran und treiben das Projekt so gut wie möglich voran», betont der Gemeindeschreiber.

Eine lebendige Plattform soll entstehen

Genau diese Übergangszeit möchte die Haus und Raum AG nun sinnvoll nutzen: Ihr Projekt «Intermezzo» soll aus dem heute wenig genutzten Areal mitten in Muri bereits ab Mitte Juni eine lebendige Plattform machen, die kulturell und gastronomisch «bespielt» werden kann. Ausserdem soll es Raum für die lang erwarteten flexiblen Arbeitsplätze bieten – als Alternative für Homeoffice-Geplagte etwa. «Der Verein Coworking Muri hat in den letzten Wochen mehrere Immobilien-Lösungen in Muri für die Nutzung eines Coworkings geprüft. Unter anderem haben wir vor Kurzem Kontakt mit Marlies Laubacher von der Haus und Raum AG aufgenommen», bestätigt Vorstandsmitglied Vito Basile. Grundsätzlich sei man noch in einer Findungsphase, das heisst, man prüfe noch, wie gut sich die Räumlichkeiten im Bahnhofareal Muri für den Betrieb eines Coworkings eignen, welches dann vom Verein Coworking Muri betrieben würde.

«Als Verein würden wir eine Zusammenarbeit mit der Haus und Raum AG begrüssen. Wir schätzen Marlies Laubacher als starken und professionellen Partner und sind überzeugt, dass sich ein Coworking in ihr Vorhaben optimal integrieren lässt», ist Basile überzeugt.

Ein «Projekt Hoffnung»

Die Idee zu «Intermezzo» hatte Geschäftsführerin Marlies Laubacher, als um die Jahreswende das Leben in der Schweiz ein weiteres Mal heruntergefahren wurde und sich die Stimmung im Land ganz allgemein verdüsterte. «Irgendwann», sagte sie sich, «muss es doch wieder aufwärtsgehen.»

Und sie packte ein Projekt an, das sie schon länger im Hinterkopf hatte: die Wiederbelebung des Bahnhofareals als Zwischennutzungsprojekt. Ein «Projekt Hoffnung», das nicht nur ihr Perspektiven bieten würde, sondern auch den Menschen in Muri. «Ich wollte einfach etwas unternehmen, was Optimismus verbreitet», sagt sie. «Das Projekt ‹Intermezzo› ist gut für das Image der Gemeinde. Und ein kleiner Lichtblick für alle in Coronazeiten. Es ist sozusagen mein Corona-Überwindungs-Projekt», so Marlies Laubacher.

Eine Voranfrage bei der Gemeinde verlief positiv, und mit Liz Kuhn, die einst Mitinhaberin der Kulturbeiz in Wohlen war, konnte eine erfahrene Projektleiterin für kulturelle Anlässe und Gastronomie gewonnen werden. So nahm «Intermezzo» innert kurzer Zeit Form an: Das Bahnhofareal mit seinen Garten- und Parklandschaften, den geschichtsträchtigen Villen und seiner zentralen Lage eignet sich geradezu perfekt als Ort, an dem sich die Menschen treffen können, der eine bunte Palette an gastronomischen und kulturellen Events ermöglicht und wo neue Arbeitsformen ausprobiert werden können.

Inspiriert von «Frau Gerold»

Inspiriert von der Multikulti-Spielwiese «Frau Gerolds Garten» in Zürich, schmiedeten Marlies Laubacher und ihr Team Pläne, die rasch konkrete Formen annahmen und bei der Gemeinde auf offene Ohren stiessen. Statt das Gebiet brach liegen zu lassen, soll hier nun während des ganzen Jahres für Betrieb gesorgt werden. Mit einer lauschigen Wirtschaft im Ammanngarten und einer coolen «Winterbar» im Ammannhaus etwa, in dem auch flexible Arbeitsplätze und Ateliers geplant sind. Mit einem sommerlichen Food-Festival im Park der Villa Wild, in der auch Raum für Ausstellungen ist. Mit Konzerten und Events im Kleinkunstformat. Vielleicht sogar mit einem Kinderzirkus oder anderen Familienveranstaltungen. Mit Leben halt.

Bereits 2018 begann Ueli Strebel, Kurator des Murianer Kunsthauses Villa Wild, das Areal mit Kunst zu beleben. In dem letzten Wohnhaus des Murianer Industriellen Otto Wild finden seitdem regelmässig Ausstellungen verschiedener Künstler statt. «Prinzipiell ist es ein gutes Projekt, wieder Leben in die Bahnhofstrasse zu bringen. Das war damals schon meine Intention, als ich das Künstlerhaus ins Leben rief. Ich stehe mit Marlies Laubacher in Verhandlung und wir werden versuchen, Synergien zu nutzen», erklärt der Kurator. Wichtig sei ihm allerdings, dass die Nutzung im Sinne des Kunsthauses sei. «Die Villa Wild bleibt weiterhin ein Ausstellungsort und ist ausschliesslich der Kunst vorbehalten», betont Ueli Strebel.

Eine Win-win-Situation

Damit sich das nicht gewinnorientierte Projekt finanzieren lässt, überlässt die Gemeinde der Haus und Raum AG das Areal als Gebrauchsleihe. Sie verlangt dafür keine Miete. Im Gegenzug trägt sie aber auch keine Kosten mehr braucht sich zudem keine Sorgen darüber zu machen, dass am Ende der «Ausleihzeit» das Areal tatsächlich wieder geräumt wird. Eine Mieterstreckung ist rechtlich nicht möglich. Die namhaften Vorinvestitionen für die Wiederbelebung und Instandsetzung der Gebäude und Gärten sowie für die Bereitstellung der nötigen (minimalen) Infrastruktur übernimmt die Haus und Raum AG.

Ob diese während der Projektdauer wieder eingespielt werden können, ist zwar fraglich, aber Marlies Laubacher nimmt dieses Risiko auf sich. «Wir wollen jetzt einfach etwas tun für das Image von Muri und für die Menschen, die hier leben», sagt sie. Und freut sich darauf, wenn auch Ideen aus der Bevölkerung kommen. Sie sehe sich eigentlich mehr als Initiatorin und Koordinatorin, welche die Vorinvestitionen mache, damit wieder Leben ins Bahnhofareal einkehrt. Ausserdem würde sich die Haus und Raum AG, wenn nötig, auch um allfällig nötige Bewilligungen für bauliche Massnahmen oder Veranstaltungen kümmern.

Der Gemeinderat und die Geschäftsleitung mit Gemeindeschreiber Severin Bättig zeigen sich jedenfalls erfreut darüber, dass dank privatem Engagement und Experimentierfreude ein spannendes Projekt lanciert wird, das neues Leben ins Bahnhofareal bringen wird. Muri werde, ohne sich selber finanziell engagieren zu müssen, von «Intermezzo» profitieren können, ist Bättig überzeugt. Eine Win-win-Situation also.


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