Mein Privatkoch

  20.07.2021 Kolumne

Annemarie Keusch, Redaktorin.

Ich habe meinen eigenen Privatkoch. Was ich ihm auftrage, bereitet er zu. Und das perfekt getimt auf die von mir gewünschte Zeit. Ich muss ihm keinen Lohn überweisen. Er ist nie müde. Nie mies gelaunt. Der Blumenkohl ist nie zu weich. Die obersten Blätter der Lasagne sind nie ausgetrocknet. Das Apéro-Gebäck glänzt, ohne dass es vorher mit Ei bestrichen wurde. So verspricht er es mindestens, mein Privatkoch. Wir arbeiten noch nicht lange zusammen, entsprechend habe ich ihm noch nicht viele Gerichte in Auftrag gegeben.

Wobei, ganz stimmt das nicht. Kennen tun wir uns seit Mitte März, aber nur flüchtig. Ihn beauftragt habe ich fast nie – bis vor einer Woche. Einmal Resten gewärmt hat er für mich, mehr nicht. Ich war tipptopp zufrieden, vertraute fortan aber trotzdem weiterhin meinen eigenen Kochkünsten, kochte Blumenkohl im siedenden Wasser, buk Lasagne im heissen Backofen und strich Ei auf das Apéro-Gebäck, wenn es glänzen sollte.

Die Erleuchtung kam letzte Woche, als sich eine Frau anmeldete, um uns in der Wohnung die Geräte genauer zu erklären. Es war der Moment, in dem wir uns richtig kennenlernten, der Steamer und ich.

Bisher lebte ich nie in einem Steamer-Haushalt. Und Gebrauchsanleitungen lesen ist auch ganz und gar nicht mein Ding. Also behielt ich bisher meine Gewohnheiten bei. Ein Leben ohne Steamer, es läuft einwandfrei. Entsprechend skeptisch war ich, eigentlich. Aber nicht lang. «Drücken Sie hier», sagt sie. «Easycooking» nenne sich dieses Programm. Gemüse, Fleisch, Fisch, Apéro, Beilagen und, und, und. «Alles programmiert.» Ich staune. Jedes einzelne Gemüse ist alphabetisch aufgelistet, mit welchem Programm und wie lange es gedämpft werden muss. Nichts könne schiefgehen. Vom Rindsfilet bis zum Frühstücksei, verspricht die Vertreterin des Haushaltsgeräte-Herstellers.

Es ist nicht so, dass ich mich in der Küche überdurchschnittlich ungeschickt anstelle. Bisher hat sich niemand beschwert. Aber sicher ist eben sicher. Warum sollte ich mich nicht auf meinen neuen Privatkoch verlassen, wenn ich ihn schon habe? Kurzerhand liegt der Broccoli nicht mehr im heissen Wasser, sondern in der Garschale. Lecker ist beides. Aber wenn etwas misslingt, bin nicht mehr ich schuld, sondern mein Privatkoch.


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