Najlas Nase ist gefragt

  03.11.2021 Kallern

Im Oberniesenberg werden Trüffeln geerntet – das Herzensprojekt der Familie Küchler

Trüffeln zu kultivieren, braucht Zeit. Es dauert Jahre, bis aus den eingesetzten Myzelen Pilze entstehen. Seit 2019 können Küchlers ernten. Diese Ernte läuft aktuell. Gefragt sind dann alle sieben Familienmitglieder. Und Trüffelhündin Najla ganz besonders.

Annemarie Keusch

Zeit zum Reden bleibt kaum. «Man muss bereit sein», sagt Isabelle Küchler. Ihre Mutter Marie-Louise folgt schnellen Schrittes der Hündin Najla. Ihre Nase hebt Najla kaum vom Boden. Für sie ist die Suche nach Trüffeln Schwerstarbeit. «Achtung», ruft Isabelle Küchler, die mit einem Elektromobil zwischen den Baumreihen hin und her fährt. Najla scheint fündig geworden zu sein, gräbt mit der Pfote in den Boden. «Stopp, Najla!» Marie-Louise Küchler sagt die Worte laut und bestimmt, die Hündin gehorcht. «Das muss so sein, sonst würde sie die Trüffel mit ihren Krallen verletzen», erklärt sie. Entsprechend wichtig sei es, der Hündin immer zu folgen, kreuz und quer durch die Plantage.

Alle sind eingespannt

Es ist ein Bild, das sich seit Ende August praktisch täglich im Oberniesenberg zeigt. Nur die menschlichen Protagonisten sind anders. An diesem Tag gehen Mutter Marie-Louise und Tochter Isabelle Küchler auf Trüffelsuche, an anderen Tagen ist es einer der vier Söhne oder der Vater. «Es ist ein richtiges Familienprojekt», sagt Isabelle Küchler. Eines, das vor neun Jahren seinen Start nahm.

An diesem Tag brauchen sie nicht viele Trüffeln. «Wir ernten so viele, wie vorbestellt sind, ausser, wir gehen an einen Markt», erklärt Isabelle Küchler. Sie ist die Betriebsleiterin des Familienprojekts, trotz einer körperlichen Einschränkung. Sie war es, die die Ausbildung Landwirtschaft im Nebenerwerb absolvierte. Marketing, Administration, Vertrieb und der Web-Auftritt sind ihre Aufgaben.

Über Trüffeln wussten die Küchlers bis vor neun Jahren wenig bis nichts. Mittlerweile haben sie sich viel Wissen angeeignet, sagen aber: «Wir müssen noch sehr viel lernen.» Ein Besuch bei der Ernte zeigt ein faszinierendes Zusammenspiel zwischen Mensch, Tier und Natur.


Das Herzblut einer Familie

Die Küchlers ernten in Kallern in der dritten Saison ihre Trüffeln – viele sind es heuer nicht

2012 pianzten sie mit einem Trüffelmyzel geimpfte Bäume. Vor zwei Jahren fand Hund Najla die ersten Trüffeln im Kohlackerfeld im Oberniesenberg. Nun ernten die Küchlers wieder. «Es ist kein gutes Pilzjahr», sagen Marie-Louise und Isabelle Küchler. Davon lassen sie sich aber nicht unterkriegen. Ihre Begeisterung für ihr Familienprojekt ist ungebrochen.

Annemarie Keusch

Najla schnüffelt, beginnt zu scharren. Schnell ruft Marie-Louise Küchler: «Stopp!» Najla hört auf zu graben, stattdessen beginnt Marie-Louise Küchler damit. «Die Trüffeln sind teilweise nicht weit unter der Erde», sagt sie und gräbt ihre Hände in die Erde. Mit sich trägt sie aber auch eine kleine Schaufel. «Manchmal muss man ganz schön tief graben», sagt sie. Wenige Sekunden später hält sie eine Trüffel in der Hand, eine kleinen, schwarze Knolle. Sie begutachtet diese. «Hier hat es ein Wurmloch, das müssen wir rausschneiden.» Marie-Louise Küchler steckt die Trüffel in die Tasche. Weiter gehts. Aber erst, wenn Najla ihre Belohnung in Form eines Hundeguetzli bekommen hat.

Innerhalb der wenigen Minuten, die Marie-Louise Küchler und ihre Tochter Isabelle an diesem regnerischen Nachmittag durch die Plantage im Oberniesenberg streifen, spielt sich die gleiche Szene rund fünfmal ab. «Heute haben wir nicht viele Bestellungen, also holen wir nicht unnötig noch mehr Pilze aus dem Boden», erklärt Betriebsleiterin Isabelle Küchler. Den Boden ausbeuten, das wollen sie nicht, im Gegenteil.

Für alle etwas ganz Neues

Die Trüffeln im Oberniesenberg sind ein Familienprojekt. Vater Markus, Mutter Marie-Louise, Tochter Isabelle und die vier Söhne Raphael, Lukas, Jonas und David Küchler. Auf die Idee, eine Trüffelplantage zu betreiben, kamen sie vor über zehn Jahren. Nach einer Erbschaft gehört der Familie seit Langem Land im Oberniesenberg. Verkaufen oder selber bewirtschaften? Diese Frage stellte sich damals die Familie. Als Sohn Raphael die Idee der Trüffeln einwarf, waren sofort alle begeistert. Und das, obwohl niemand von der Familie Wissen über diese Pilze hatte.

Die Trüffelplantage ist für alle Küchlers ein Hobby. Die Eltern sind pensioniert, Betriebsleiterin Isabelle Küchler ist eigentlich Logopädin, auch ihre Brüder arbeiten in einem Vollzeitpensum. «Wir haben alle gemeinsam, dass wir gerne Zeit in der Natur verbringen, das können wir hier.» Und alle bringen ihre Stärken mit ins Projekt ein. «Es ist wunderschön, dass wir durch dieses Projekt so viel Zeit miteinander verbringen», sagt Mutter Marie-Louise Küchler.

Zu den Burgundertrüffeln kommen Périgordtrüffeln

Es brauchte und braucht Herzblut und Innovationsgeist, bis die Küchlers vor zwei Jahren erstmals Trüffeln ernten konnten. Zuerst mussten die Bäume gepflanzt werden – Buchen, Eichen und Hasel –, deren Wurzeln mit Myzelien geimpft wurden. Aus diesen sollten sieben Jahre später Trüffeln entstehen. Sieben Jahre intensive Arbeit, ohne einen Ertrag zu sehen und mit durchaus hohen Investitionen. «Wir waren immer überzeugt, dass es gut kommt», sagt Isabelle Küchler.

Seit August erntet die Familie im dritten Jahr Trüffeln. «Letztes Jahr waren es gegen fünf Kilogramm», erzählt Marie-Louise Küchler. Heuer sind es weniger, selbst wenn der Bodenfrost lange ausbleiben würde und die Küchlers noch einige Wochen ernten könnten. «Die Kälte im Mai bekam den Pilzen allgemein nicht, auch unseren Trüffeln nicht.» Aber wie alle Landwirte, arbeiten die Küchlers mit der Natur. «Wir können das nicht beeinflussen», weiss Isabelle Küchler. Auf der Plantage der Familie wachsen Burgundertrüffeln und Frühlingstrüffeln. Vor einigen Jahren haben sie zusätzlich Bäume mit Sporen von Périgordtrüffeln gepflanzt. «Die Périgordtrüffeln haben in der Gastronomie einen kulinarisch höheren Stellenwert. Während die Burgundertrüffeln 700 Franken pro Kilogramm kosten, werden Périgordtrüffeln bis zu 1800 Franken das Kilogramm gehandelt. Isabelle und Marie-Louise Küchler schütteln leicht den Kopf. «Nein, rentieren tut das im Moment nicht, aber es gibt kaum ein Hobby, das wirklich rentiert.»

Auch Mäuse spürt Najla auf

Zum Team der Familie gehört auch Hündin Najla, ein Lagotto Romagnolo. Die Ausbildung zur Trüffelhündin hat sie mittlerweile abgeschlossen. «Es ist faszinierend», sagt Marie-Louise Küchler. Zielstrebig läuft Najla die Baumreihe entlang. Ihre Nase hebt sie kaum vom Boden. «Sie riecht nur reife Trüffeln», erklärt sie. Auch von den schon gesammelten Pilzen in der Tasche lasse sie sich nicht ablenken. Aber Isabelle Küchler betont: «Das Trüffelsuchen ist für sie intensive Arbeit. Länger als eine halbe Stunde am Stück geht das nicht.» Und ohne Belohnung verliere sie schnell die Motivation. Aber Najla ist eben auch ein ganz normaler Hund, das zeigt sich auch an diesem Nachmittag. «Igitt», ruft Isabelle Küchler. Immer wieder versucht Marie-Louise Küchler, Najla ihre Beute wegzunehmen. Gelingen tut es ihr nicht. Stattdessen knackt es immer zwischen den Hundezähnen. Najla hat eine tote Maus aufgespürt. «Jetzt hören wir besser auf», sagen die Frauen und lachen.

Dachse fernhalten

Als ganze Knollen oder als Trüffelbutter verkaufen die Küchlers ihre Ware. Und diese kommt auf dem Markt an. Fast alle Trüffeln verkaufen sie über Direktverkauf, vor allem an Private. «Für die Gastronomie haben wir noch zu wenige Pilze und können regelmässige grosse Lieferungen nicht garantieren.» Suchen, trocknen lassen, bürsten, rüsten, abpacken oder in Butter mit mindestens 30 Prozent Trüffelgehalt verarbeiten – hinter ihren Produkten steckt viel Handarbeit.

In den neun Jahren seit der Impfung der Wurzeln mit Trüffelmyzel haben die Küchlers viel gelernt. «Wir haben etwa gemerkt, dass die Myzelien mit den Wurzeln mitwachsen und finden mittlerweile weiter entfernt von den Stämmen Pilze», erklärt Marie-Louise Küchler. Oder sie stellten fest, dass es gut ist, wenn sie Rüstabfälle wieder in der Plantage verteilen. «Daraus entstehen wieder Pilze.» Oder sie haben gelernt, dass die Mäuse nicht nur eine Plage sind und ihre Trüffeln fressen, sondern dass sie die Myzelien durch ihren Kot auch weiterverteilen.

Von Konfitüre bis zum Rührei

«Eigentlich war es für uns gar nicht schlecht, dass es sieben Jahre dauerte, bis wir die ersten Trüffeln ernten konnten. So hatten wir Zeit, um uns möglichst viel Wissen anzueignen», sagt Isabelle Küchler. Abgeschlossen sei dieser Prozess noch lange nicht. «Wir wissen noch vieles nicht. Etwa, wie lange reife Pilze im Boden geniessbar bleiben», sagt Marie-Louise Küchler. Und es gab das eine oder andere Problem, das sie lösen mussten. Etwa drangen im letzten Jahr immer wieder Dachse in die Plantage ein. Ein solarbetriebenes Gerät hält sie nun mit einem nur für Tiere hörbaren Geräusch ab.

Aus ihrer Tasche zieht Marie-Louise Küchler nach rund 20 Minuten Suche neun Trüffeln, kleinere, solche mit Wurmlöchern, aber auch schön grosse. Die kleinen und jene, die stark gerüstet werden müssen, werden zu Trüffelbutter verarbeitet. «Aufs Toastbrot gestrichen schmeckt das herrlich», sagt Isabelle Küchler. «Wir alle essen gerne Trüffeln.» Rezepte entwickeln gehört zu einem Projekt, das die Familie angehen will. Ideen gibt es schon viele. Marie-Louise Küchler zählt auf: «Birnenkonfitüre mit Trüffeln und Käse, Risotto, Rührei, Fondue. Auch zu Sellerie passt es bestens.»

Hinter wenigen Gramm Trüffeln steckt ganz viel Arbeit. Und auch der Vertrieb, die Administration, der Webauftritt, alles muss betreut sein. Alles machen die Küchlers selber. Zudem halten sie Vorträge, zeigen Interessierten ihre Plantage. Intensiv ist es aber nicht nur für die sieben Familienmitglieder, sondern auch für Hündin Najla. Nachdem sie auf den Sitz von Isabelle Küchlers Elektromobil gesprungen ist, fallen ihre Augen schnell zu. Isabelle und Marie-Louise Küchler lachen. «Morgen wieder.»

Mehr Infos: www.kohlackertrueffel.ch.


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