Polizistin wird Forstwartin

  09.07.2021 Bünzen

Rahel Müller feiert den drittbesten Abschluss

Sie lernte Drogistin, machte die Polizeischule und nun die Lehre als Forstwartin beim Forstbetrieb Wagenrain. Und diese schloss Rahel Müller als Drittbeste im Kanton ab. Nun geht ihr Weg weiter.

Draussen, nicht an einen Ort gebunden, umgeben von der Natur. Das ist es, was Rahel Müller an diesem Beruf gefällt. Eine zufällige Begegnung wars, die die 34-Jährige überhaupt erst auf die Idee kommen liess, eine Lehre als Forstwartin zu absolvieren. «Ich sah einem Forstwart im Wald zu, wie er einen Baum fällte, und war fasziniert davon», erzählt die junge Frau, die mit ihrem Partner in Bünzen lebt.

Hinzu kam, dass sie sich immer mehr bewusst wurde, dass sie als Polizistin auf die Dauer nicht ihr berufliches Glück finden wird. Müller entschloss sich, nochmals eine Lehre zu machen. «Ja, das brauchte schon ein bisschen Mut», sagt sie heute und lacht. Bereut habe sie diesen Schritt aber keinen Moment. Nun will sie sich in diesem Berufsfeld weiterbilden. --ake


Per Zufall im Wald gelandet

Rahel Müller war Drogistin und Polizistin, jetzt schloss sie die Lehre als Forstwartin ab

Gesamtnote 5,4, die Drittbeste im Kanton. Rahel Müller hat die Lehre als Forstwartin mit Bravour bestanden. Beim Forstbetrieb Wagenrain lernte die 34-Jährige in den letzten zwei Jahren das Forsthandwerk. Im Wald hat sie ihre berufliche Zukunft gefunden. Der Weg, der hinter ihr liegt, ist aussergewöhnlich.

Annemarie Keusch

Rahel Müller spricht von einer Entscheidung, die sie mit dem Bauch und mit dem Herzen gefällt hat. Und sie sagt, dass sie lange brauchte, um sich auch wirklich zu entscheiden. «Polizistin zu sein ist ein interessanter, ein abwechslungsreicher Job – und ein gut bezahlter», sagt die 34-Jährige. Dennoch entschied sie sich vor über zwei Jahren, einen anderen Weg einzuschlagen. Polizistin war sie während neun Jahren – mit einem Jahr Unterbruch. «Schon alleine die Polizeischule war unglaublich interessant. Als Polizistin siehst du in so viele Bereiche des Lebens.» Der Haken? Rahel Müller erhoffte sich, mehr präventiv tätig zu sein. «Schliesslich war mir die Arbeit zu repressiv und ich wusste, dass ich damit auf Dauer nicht glücklich werde.»

Glücklich und zufrieden und mit mehr Freude an der Arbeit ist die gebürtige Alikerin, die seit gut zwei Jahren in Bünzen lebt, mittlerweile. Sie entschied sich damals, die «sichere Bank» zu verlassen und eine Lehre anzufangen. Heisst, auf ein gutes Salär zu verzichten und wieder von einem Lehrlingslohn zu leben. «Das ist Kopfsache», sagt sie. «Man muss zurückstecken, das ist klar. Aber darauf kann man sich einstellen.» Rahel Müller wagte den Schritt, eine Lehre als Forstwartin in Angriff zu nehmen. Sie tat dies im Forstbetrieb Wagenrain, bei Förster Leonz Küng.

Über eine zufällige Begegnung zum Traumberuf

Dass es Rahel Müller beruflich in den Wald verschlägt, darauf deutete eigentlich gar nichts hin. Ihre Lehre nach der obligatorischen Schule machte sie als Drogistin. Es folgte die Berufsmatur, um die Option eines Studiums offenzulassen. Und nun war es nochmals eine Lehre. «Als ich zufällig im Wald einem Forstwart begegnete, der gerade einen Baum fällte, war die Faszination gross», erklärt Müller. Sie begann, sich vertieft mit diesem Beruf zu befassen, lernte das Berufsbild kennen. Und sie bewarb sich für die Lehre. «Es ist die Arbeit draussen, im Einklang mit der Natur, zu sehen, wie sich mit den Jahreszeiten alles verändert», erklärt sie ihre Begeisterung. Nicht räumlich eingeschränkt sein, das gefalle ihr, auch die körperliche Arbeit.

«Das Holzen», das Fällen und Verarbeiten der Bäume, gefällt der jungen Frau dabei am besten. «Aber es gehört weit mehr dazu, die Waldpflege, der Unterhalt der Waldstrassen, die Verjüngung und in unserem Betrieb die Christbaumkulturen», zählt sie auf.

Nicht zum ersten Mal in einer Männerdomäne

Mit einer Gesamtnote von 5,4 schloss Rahel Müller die Lehre als Forstwartin ab, der drittbeste Abschluss im Kanton. «Ich brachte sicher einen gewissen Ehrgeiz mit», sagt sie. Das sei auch ein Muss gewesen. «Das alles in zwei Jahren zu lernen, ist sehr anspruchsvoll. Ich bin froh, vor allem im praktischen Bereich auf eine grosse Unterstützung des Betriebs und auch von meinem privaten Umfeld zählen zu dürfen», betont sie weiter. Dass sie diese Lehre anders anging als ihre teilweise 16-jährigen Mitschüler, sei ganz normal. «Das Alter macht auch fokussierter.» Trotz dem grossen Altersunterschied habe sie sich in der Berufsschule sehr wohl gefühlt. Gleiches gelte für das Team des Forstbetriebs Wagenrain. «Ich wurde überall gut aufgenommen, bin respektiert, wie alle anderen auch. Das gefällt mir.» Ungewohnt sei es für sie zudem nicht, in einer von Männern dominierten Berufswelt zu leben. «Das war bei der Polizei nicht anders.»

Studium der Waldwissenschaften

Drogistin, Polizistin und jetzt Forstwartin. Viel gemein haben die drei Berufe, die Rahel Müller in ihrem 34 Jahre dauernden Leben schon ausgeübt hat, nicht. Die junge Frau lacht. «Jetzt habe ich meine berufliche Richtung definitiv gefunden», sagt sie. Sie bereue es keinen Moment, nochmals eine Lehre absolviert zu haben. «Natürlich, es braucht Mut, aber ich würde allen nur dazu raten, ihre beruflichen Ziele zu verfolgen, auch wenn der Weg dahin nicht geradlinig verläuft.»

Die Natur, der Wald. Rahel Müller hat das Berufsfeld gefunden, in dem sie ihr Arbeitsleben verbringen will. Aber die junge Frau will sich weiterbilden. Mitte September startet sie ein berufsbegleitendes Studium in Waldwissenschaften in Zollikofen. 40 Prozent arbeitet sie weiterhin beim Forstbetrieb Wagenrain, 60 Prozent studiert sie.

Wenig Zeit für Hobbys

In vier Jahren hofft sie den Bachelor in der Tasche zu haben. «Ich bin froh, dass es möglich ist, das Studium mit der Arbeit hier zu verbinden», zeigt sie sich dankbar. Die körperliche und die geistige Tätigkeit kombinieren zu können, darauf freut sie sich. «Und mit wenig Geld auszukommen, bin ich dank den letzten zwei Jahren gewohnt», meint sie lachend.

Auch damit, dass ihr in dieser intensiven Phase der Lehre und des Studiums wenig Zeit für ihre Hobbys wie Biken, Wandern, Trekken oder Lesen bleibt, hat sie sich abgefunden. «Ich habe etwas gefunden, was mich beruflich ausfüllt, das ist viel wert», sagt sie.


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