Sina im Interview

  21.05.2021 Region Unterfreiamt

Die Sängerin, die heute in Fahrwangen lebt, geht bald wieder auf Tour. Auch hat Sina ein neues Video am Start, das im Wallis gedreht wurde. «Die Bergwelt ist ein wichtiger Teil von mir geblieben und das Wallis meine Heimat.» Gleichzeitig betont Sina, wie wohl sie sich am Hallwilersee fühlt.


«Hat schon aufs Gemüt geschlagen»

Interview mit der in Fahrwangen lebenden Walliser Sängerin Sina vor dem Start zur neuen Tour

Mit einem neuen Video meldet sich Sina aus der Zwangspause zurück. Für die Aufnahmen ist sie zurückgekehrt zu ihren Wurzeln. «In der eigenen Heimat wertgeschätzt zu werden, ist wunderschön», sagt sie.

Chregi Hansen

Das neue Video «Emma» ist im doppelten Sinn eine Rückkehr zu den Wurzeln. Der Text handelt von Ihrer Grossmutter, das Video wurde im Wallis gedreht. Was hat Sie zu dieser Zeitreise bewegt?

Sina: Meine Grossmutter war eine wichtige Bezugsperson als Ziehmutter im Kindesalter und Fels in der Brandung. Ich wollte ihre Geschichte erzählen, einerseits aus meiner kindlichen Erinnerung und als Erwachsene, die verstanden hat, dass ihre Krankheit eine Depression war, mit der sie jahrelang zu kämpfen hatte.

Wie sehr hat die Krankheit Ihrer Grossmutter Sie selbst beeinflusst respektive Ihren Blick auf das Leben und die Menschen.

Das Wissen darum hat mir als Erwachsene geholfen, zu verstehen, warum meine Grossmutter ihr Bett nicht mehr verliess und kaum mehr am sozialen Leben teilnahm. Es hat mich aber auch sensibilisiert für Menschen in meinem Umfeld, die mit ihren Depressionen zu kämpfen haben. Das braucht viel Kraft und eine intensive Auseinandersetzung mit sich selbst. Ein Gips am Bein braucht keine Erklärung, Menschen mit psychischen Erkrankungen müssen sich oft rechtfertigen, wenn sie nicht mehr 100 Prozent arbeitsfähig sind.

Der Song ist bereits zwei Jahre alt. Warum erst jetzt ein Video dazu?

Wir hatten zum Album schon ein Video gedreht für den Song «Ich süächu dich», ein zweites war nicht geplant. Auf der anschliessenden Tour sah mich der Initiator und Regisseur Patrick Merz. «Emma» hatte ihn berührt und er bot mir an, ein Video darüber zu drehen. Bei einem Treffen fanden wir heraus, dass seine Grossmutter aus demselben Dorf stammte und die beiden sich gekannt hatten. Ab da wurde meine Geschichte auch zu einem Teil von Patrick und wir machten eine gemeinsame Reise in unsere Vergangenheit.

Wie haben Sie die Dreharbeiten mitten in der Walliser Bergwelt erlebt?

Die Küche im Wohnhaus Lorihiischi in Randa sah exakt aus wie unsere, der Herd mit mehreren Eisenringen über offenem Feuer, die man je nach Pfannengrösse wegnahm. Ein paar Gegenstände kannte ich ebenfalls aus meiner Kindheit und die ganze Stimmung, der Geruch erinnerte an längst vergangene Zeiten. Oben auf dem Bettmerhorn war die Natur einfach atemberaubend. Die Bergwelt ist ein wichtiger Teil von mir geblieben und das Wallis meine Heimat. Das wurde mir bei diesem Dreh einmal mehr bewusst.

Welche Reaktionen haben Sie bislang erhalten?

Die Begriffe «wunderschön» und «berührend» fallen am meisten. Oft erinnern sich die Leute auch an ihre eigene Beziehung zu ihrer Grossmutter oder einer ihnen nahestehenden Person. Mich freut vor allem, darum ist das Medium Musik auch so schön, dass sie Emotionen auslöst. Bei «Emma» ist dies sehr spürbar.

«Emma» ist ein sehr besinnliches Lied, fast schon melancholisch. Entspricht das Ihrer Gefühlslage?

Ich habe ganz klar eine melancholische Seite, die scheint immer wieder durch in meinen Songs.

Hat Corona diese Wehmut verstärkt?

Was im letzten Jahr mit der gesamten Kreativbranche geschehen ist, war ziemlich heftig. Über ein Jahr Berufsverbot, für viele meiner Musikerfreunde und -freundinnen gab es finanzielle Engpässe, die Kultur wurde vom Staat als nicht systemrelevant eingestuft und dementsprechend behandelt. Das hat alles schon aufs Gemüt geschlagen. Dazu kam, dass man am Anfang so wenig über das Virus wusste, und dann diese lähmenden Horrormeldungen. Irgendwann kam der Moment, wo ich es schaffte, zurück zur Kreativität zu finden, und seit da arbeite ich an einem neuen Album.

Als Künstlerin waren Sie lange zum Nichtstun verurteilt. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

In Phasen des Songwritings kennen wir Kulturschaffenden die selbst auferlegte Quarantäne gut. Für mich war es aber ein jäher Stopp, weil wir ja auf Tour waren und diese nach unserem zweiten Konzert schon wieder zu Ende war. Mit meinem Trio habe ich danach, so oft es möglich war, geprobt, um unser Programm frisch zu halten und meine Musiker regelmässig zu treffen. Die Konzertatmosphäre und unser Publikum haben wir natürlich schmerzlich vermisst.

Im Juni möchten Sie Ihre Tour mit dem Trioprogramm fortsetzen. Wie sehr freuen Sie sich darauf? Oder bleibt die Ungewissheit, dass es klappt?

Die Junidaten sind immer noch in der Agenda – ich fange langsam an zu glauben, dass wir tatsächlich wieder loslegen können (lacht). Das Programm hat sich minim verändert. Die selbst gedrehten Filme, die parallel zu unseren Songs auf die Leinwand kommen, habe ich bearbeitet und es sind ein paar neue dazugekommen. Aufgrund erster Live-Erfahrungen habe ich die Setliste angepasst. Wir sind bereit für die zweite Premiere.

Noch kann niemand genau sagen, welche Bedingungen ab Mitte Juni gelten. Zu welchen Kompromissen sind Sie bereit bei Ihren Auftritten?

Meine Managerin hat im letzten Jahr fast 150 Konzerte ihrer vier Künstler verschoben. Zuerst, weil wir nicht auftreten konnten, dann weil es sich für viele Veranstalter nicht rechnete, mit 10 oder 20 Leuten ein Konzert durchzuführen. Jetzt sind wir bei 50 Leuten drinnen und 100 draussen. Ich kann mir vorstellen, dass sich diese Zahl bis Juni noch nach oben korrigiert. Und natürlich möchten wir spielen. Die Plexigläser für die Bühne und den CD-Verkauf sind bereit, Masken gehören seit Längerem zu unser aller Alltag. Und die Leute freuen sich auf Kultur. Höchste Zeit, dass diese wieder möglich ist.

Bislang sind für dieses Jahr nur 25 Konzerte aufgeführt. Dürften es für Sie noch mehr sein?

Durchschnittlich spielen wir etwa 50 bis 60 Konzerte im Jahr. Wie ich das früher mit 120 Shows im Jahr gemacht habe, ist mir heute ein Rätsel (lacht). Durch die Pandemie konnten einige Konzerte nicht verschoben werden und ich werde 2021 im Studio sein. Somit werden es dieses Mal weniger als üblich.

Das erste Konzert ist auf den 10. Juni terminiert. Sind Sie vor diesem Konzert noch nervös?

Es ist die Mischung zwischen Anspannung und Vorfreude, die mich seit Anfang begleitet. Heute überwiegt die Vorfreude.

Auf welche Auftritte freuen Sie sich allenfalls am meisten?

Sehr gerne spiele ich dort, wo die Location speziell ist und ich die Veranstalter und Veranstalterinnen seit Jahren kenne. Einige davon sind das Wetterhorn auf dem Hasliberg, die Schlosskapelle in Ueberstorf, die Mühle Hunziken in Rubigen, das Salzhaus Brugg und natürlich das Kellertheater Brig.

Dort sind Sie im Dezember zweimal, beide Konzerte sind schon ausverkauft. Was bedeutet Ihnen diese Wertschätzung im Wallis?

In der Heimat wertgeschätzt zu werden, ist wunderschön. Meine Herkunft, die Sprache und Mentalität verbindet mich mit den Leuten dort und es gibt meistens auch keine Missverständnisse, was die Songtexte angeht (lacht).

Hat man Ihnen den Wegzug in die Deutschschweiz verziehen?

Meine Walliser Fans sind treu und begleiten mich seit Jahrzehnten. Das bedeutet mir viel. Damit, dass der eine oder andere findet, ich sei keine richtige Walliserin mehr, weil ich schon früh wegzog, kann ich gut leben. Mittlerweile habe ich ganz klar mehr als eine Heimat. Der Aargau ist eine wichtige geworden.

2019 haben Sie den Outstanding Achievement Award erhalten und war Ihr Album auf Platz 1 der Hitparade. Mehr geht eigentlich nicht. Welche Ziele setzen Sie sich selber noch?

Preise sind eine schöne Bestätigung für den Weg, den man hinter sich hat. Die Motivation, kreativ zu sein und weiter zu lernen, beeinflusst das kaum. Die Lust am Kreieren kommt aus dem Bauch und wenn ich mir Zeit nehme und neugierig bleibe, entsteht oft etwas Neues. Das Musikbusiness ist aber auch schnelllebig, die Entwicklung rasend, neue Verkaufsmodelle, Tools, das fordert und braucht Zeit. Wenn ich sehe, dass manche Künstler und Künstlerinnen täglich bis zu 10 Posts auf Instagram veröffentlichen, merke ich deutlich: Das ist nichts für mich. Ich melde mich zwar auch, aber manchmal einfach, um zu vermelden, dass ich noch lebe.

Sie haben Erfolg als Sängerin, inzwischen haben Sie die Malerei entdeckt. Letztes Jahr hätten Sie zusammen mit anderen Musikern in Bern eine Ausstellung gehabt. Was gibt Ihnen die Malerei?

Für mich ist die Malerei eine Spielwiese, in die ich nach Lust und Laune eintauchen kann. Ich mach das meistens für mich und verschenke die Bilder an Familie und Freunde. Dass ich an der Ausstellung «Wenn Musiker malen» mitmache, ist eine Ausnahme – ich freue mich aber, mit Hardy Hepp, Christine Lauterburg und Dieter Meier im nächsten Jahr dabei zu sein.

Von Ihnen ist bekannt, dass Sie gerne Rundfahrten auf dem Hallwilersee unternehmen. In der Coronazeit war der Betrieb lange unterbrochen. Wie haben Sie sich alternativ beschäftigt am und auf dem See?

Ich musste lange warten, bis es auch in der Schifffahrt wieder losgeht. In dieser Zeit war ich statt auf am Wasser unterwegs und habe im Aargau viele neue Wanderwege entdeckt. So fit wie jetzt war ich schon lange nicht mehr.

Und wann gibt es allenfalls ein neues Album?

Zurzeit bin ich am Songschreiben mit meinem Mann, dem Musiker Markus Kühne, und Adrian Stern. Textlich spanne ich mit Autoren und Autorinnen zusammen, auch aus dem Aargau. Nächstes Jahr sind Studioaufnahmen geplant, dann entscheiden wir, wann das 14. Album erscheinen wird.

Der neue Clip ist Teil des Trioprogramms, das im Juni seine Wiederaufnahme feiert. «Sina – Im Kleinformat» ist erstmals am 10. Juni im Kulturhof Schloss Köniz zu erleben. Alle weiteren Daten findet man unter www.sina.ch/konzerte.


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