Veloklau

  10.07.2020 Kolumne

Selina Luchsinger, Bremgarten.

Letzte Woche durfte ich mein extra für mich angefertigtes Tourenvelo in der Werkstatt in Zürich abholen. Hochbeglückt radelte ich auf meinem ultraleichten Edelstahlross los. Die Waldegg nahm ich im Flug; noch nie war ich so schnell in Birmensdorf gewesen. Die Pässetour ins Südtirol würde das reinste Vergnügen. Aber dann, im Aufstieg nach Oberwil-Lieli ebbte mein Hochgefühl abrupt ab. Was, wenn mein einzigartiges Gefährt auf der Tour geklaut würde?

Ziemlich aufgelöst kam ich zu Hause an. «Das mit dem Rahmenschloss war ein Fehler», verkündete ich, kaum war ich vom Rad gestiegen. «Wir haben bei den Komponenten für dein Velo jedes Gramm gespart – und jetzt willst du ein tonnenschweres Schloss auf die Tour mitschleppen?» Mein Mann schüttelte den Kopf. «Zudem: Dein Rad ist genau auf dich zugeschnitten – das nimmt keiner.» Das beruhigte mich kein bisschen. «Du erinnerst dich aber schon an die Geschichte von Sylvia?»

Sylvia hatte sich ein stylishes Retro-Rad gepostet und es mit gelben Schweinchen bemalt. Das würde bestimmt nie wegkommen, dachte sie. Denkste – nach nicht mal einem Monat war es bereits verschwunden. Vier Wochen später tauchte es wieder auf; eine Freundin hatte es gesichtet. Sylvia und die Freundin schleppten den abgeschlossenen Göppel zum nächsten Polizeiposten, um den Diebstahl zu melden. Als sie eine Viertelstunde später wieder rauskamen, war das Velo erneut geklaut.

Mein Mann grinste schief. «Das war Pech!» – «Und wie war das mit dem Verschwinden deines Rennrades?», hakte ich nach. Mein Liebster hatte sich von seinem Ersparten auf den 18. Geburtstag sein erstes Rennvelo gekauft, mit dem er fleissig Alpenpässe abspulte – bis auch dieses wegkam … «Schmerzhaft war das», warf ich ein. «Aber meine Geschichte hat ein Happy End», meinte er. Drei Jahre später bekam er einen Anruf von einer netten älteren Dame. An ihrem Gartenzaun stehe seit Tagen ein Velo mit seinem Adresskleber drauf. So bekam mein Mann sein Rennrad zurück. «Und dann war es erst noch tiptop gewartet», sagte er triumphierend. Ja, soll mich nun der Gedanke beruhigen, dass der Dieb meines Velos es liebevoll pflegen und dann ein paar Jahre später an einem Gartenzaun entsorgen wird?


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