Von den Fliegern zu den Tigern

  02.02.2021 Sport

Alain Bircher aus Hermetschwil-Staffeln spielt mit einer Doppellizenz für Langnau und Langenthal

Der Freiämter Alain Bircher ist beim EHC Kloten ausgebildet worden. Er will sich in der Nationalliga A etablieren und den Sprung ins Nationalteam schaffen. Aktuell versucht der Profi das über den SC Langnau und den SC Langenthal. Zur Region Freiamt und dem Klotener Eishockeyclub fühlt er sich nach wie vor verbunden.

Josip Lasic

Treffpunkt Eishalle Schoren in Langenthal. Das Zuhause des National liga-B-Vereins SC Langenthal ist geschlossen. Obwohl Eishockeyprofi Alain Bircher ein Abwehrspieler der Langenthaler ist, hat er keinen Schlüssel. Er schlägt für das Gespräch mit dieser Zeitung einen Spaziergang durch die Berner Kleinstadt vor. Schnee fällt. Es ist kalt und nass. Die Stadt ist komplett in Weiss gehüllt. Das schreckt den 23-jährigen Athleten nicht ab. Kälte ist er sich gewohnt.

Seit 14 Jahren jagt er dem Puck hinterher. Für die Berner aber erst seit zwei Jahren. Damals wechselte der Freiämter von seinem Stammclub EHC Kloten zu den SC Langnau Tigers in die Nationalliga A. Bei den «Tigern» steht der Verteidiger unter Vertrag und er spielt zusätzlich mit einer B-Lizenz für die Langenthaler. Während der laufenden Saison kommt der Sportler 13 Mal im NLA-Team zum Einsatz und 19 Mal in der Nationalliga B. Der 190cm grosse Abwehrhüne ist seit seinem Transfer in den Kanton Bern zu einem ständigen Pendler geworden. Zwischen Langnau und Langenthal – sowie Burgdorf. Dort wohnt der Eishockeyprofi. «Ich bin Wochenaufenthalter», sagt er. «Mein Wohnort ist nach wie vor Hermetschwil-Staffeln.»

Überflieger bei den «Young Flyers»

In der kleinen Freiämter Gemeinde, die 2014 mit der Stadt Bremgarten fusioniert hat, fing alles an. Dort wächst Alain Bircher auf. Wie sein Vater Jürg ist er Fan des EHC Kloten. Irgendwann packt den Jungen die Lust, sich selbst auf dem Eis zu probieren. Er wird in der Eishockeyschule seines Lieblingsvereins aufgenommen. «Von der Distanz wären die Junioren des EV Zug oder der ZSC Lions auch Optionen gewesen, aber meine Familie und ich, wir sind Kloten- Fans», sagt er mit einem Augenzwinkern. Fortan ist er Teil der «Young Flyers», wie der Nachwuchs des EHC Kloten genannt wird. Der Abwehrmann ist ein Überflieger im wahrsten Sinne des Wortes. Obwohl er erst im Alter von neun Jahren mit dem Sport angefangen hat, reichen Talent und Einsatz der Freiämters aus, um sich bei den Junioren des fünffachen Schweizer Meisters zu behaupten.

U15, U17, U20, Bircher arbeitet sich in den Juniorenteams des Clubs nach oben. Er wird regelmässig für die Schweizer Nachwuchsauswahlen selektioniert. Von der U16 bis zur U20 ist er dabei. Die Zeichen stehen auf Profi. Noch während der Oberstufe wechselt er an eine Sportschule in Zürich. «Das war wichtig für mich. Während ich in Hermetschwil-Staffeln und später in Bremgarten zur Schule ging, war es immer ein Riesenstress, in die Trainings und an die Spiele zu fahren.» Im Anschluss an die Oberstufe besucht er die «United School of Sports». An der Schule des Wohlers Tobias Rohner schliesst der Sportler seine KV-Lehre ab.

In der Saison 2015/16 ist es so weit. Bircher kommt zu seinen ersten beiden Einsätzen in Klotens NLA-Team. Danach erhält er einen Profi-Vertrag. Der 91 kg schwere Abwehrspieler spielt zwei Jahre mit Kloten in der höchsten Schweizer Liga. Dann steigt der Traditionsverein aus der Nationalliga A ab.

Luftveränderung benötigt

Beim Spaziergang durch Langenthal fallen die «SC Langenthal»-Kleber an jeder Ecke auf. «Die Menschen im Ort sind extrem eishockeyverrückt», erzählt der Hermetschwil-Staffler. «In der Schweiz kennt man die Stadt in erster Linie durch den Eishockeyclub.»

Der Profi spielt mit dem EHC Kloten nach dem Abstieg noch eine Saison in der Nationalliga B. Dann folgt der Wechsel ins Bernbiet. Zum einen, weil er mit den SCL Tigers in der NLA spielen kann, zum anderen, weil er laut eigener Aussage eine Luftveränderung gebraucht hat.

Während Birchers Zeit in Kloten ist sein Vater Jürg für drei Jahre – von 2009 bis 2012 – Präsident des Clubs. Eine schwierige Periode. Kloten ist in dieser Phase nahe am Konkurs. Vor einigen Wochen wurde das Thema wieder aktuell, weil ein Gerichtsprozess gegen seinen Vater lief. «Über dieses Thema möchte ich lieber nicht sprechen», sagt Alain Bircher. «Die Medien lassen mich glücklicherweise damit in Ruhe.»

Mit dem Freiamt verbunden geblieben

In den eishockeyverrückten Ortschaften Langenthal und Langnau kann er sich ganz auf den Sport konzentrieren. «Schade ist nur, dass man aktuell coronabedingt wenig machen kann. Die Zuschauer in den Eishallen fehlen. Und ich bin jemand, der gern neben dem Eishockey ins Kino geht oder in ein Restaurant. Das hilft abzuschalten. Aber immerhin können wir momentan spielen.»

Der Athlet fragt, wie es beim HC Wohlen Freiamt und Fischbach-Göslikon aussieht. Ob die Saison dort definitiv abgebrochen wurde. Der junge Mann aus Hermetschwil-Staffeln kriegt nicht mehr alles sportliche aus der Region mit. Das Interesse ist sehr gross. Als er erfährt, dass der FC Wohlen und der FC Langenthal mittlerweile in der gleichen Liga spielen, wird er neugierig. «In welcher Liga spielen die Wohler jetzt? Wie viele Zuschauer haben sie da?»

Bircher spielt für sein Leben gern Fussball. Bis zu den D1-Junioren war er Teil des FC Bremgarten. «Danach musste ich mich entscheiden, welchen Sport ich weiter verfolge. Oft war es so, dass wenn ich ein Eishockeyspiel hatte, mich meine Eltern abholen mussten, ich mich im Auto umgezogen habe und direkt aufs Fussballfeld gerannt bin.»

Eine weitere Verbindung mit der Region findet für den Eishockeyspieler während der Derbys zwischen dem SC Langenthal und dem EHC Olten statt. «Das ist gleichzeitig das Freiämter Duell in der NLB», sagt er lachend und verweist auf den Wohler Cédric Maurer, mit dem er in der Nachwuchs-Nationalmannschaft gespielt hat und der jetzt bei Olten unter Vertrag ist. «In der letztjährigen, regulären Saison stand es 3:1 für Olten in den Derbys. In den Play-offs haben wir souverän mit 4:1 nach Duellen gewonnen und in der jetzigen Saison führe ich mit 3:1-Siegen gegen Cédric», sagt der Hermetschwiler mit einem Augenzwinkern.

Kloten im Herzen

Der Spaziergang neigt sich dem Ende. Kurz vor der Eishalle Schoren steht ein Haus, wo das Gartentor mit Logos diverser NHL-Vereine verziert ist. «Die Leute hier sind wirklich eishockeyverrückt. Dort, das Logo von den Boston Bruins, das ist mein Lieblingsclub», sagt Bircher. Ist die NHL sein Ziel? «Vielleicht. In erster Linie will ich mich in der Nationalliga A etablieren.» Er ergänzt: «Ansonsten ist die Nationalmannschaft ein Ziel. Mit ihr an der WM teilzunehmen oder an den Olympischen Spielen, da würde ich ebenfalls nicht Nein sagen», meint er lachend.

Sein Vertrag mit den Bernern läuft im Sommer aus. Ein Option wäre auf jeden Fall, eines Tages zu Kloten zurückzukehren. «Der Club gehört in die Nationalliga A. Und es ist mein Verein.»


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