Vor keiner leichten Aufgabe

  26.06.2020 Boswil

Aus dem Jahresbericht des Künstlerhauses Boswil

Am Mittwoch hätte der 20. Boswiler Sommer angefangen. Das Coronavirus verhindert es. Erst im August geht es bei der Stiftung Künstlerhaus Boswil wieder so richtig los. Da kommt der Blick zurück ins letzte Jahr gerade recht.

Annemarie Keusch

In Erinnerungen schwelgen. An grossartige Konzerte denken. Es ist das, was Konzertbesucher des Künstlerhauses Boswil in diesen Wochen machen können. Seit Wochen und noch bis Ende Juli kommen keine neuen Konzerterlebnisse dazu. Infolge des Coronavirus sind sämtliche geplanten Veranstaltungen abgesagt. Ein Blick in den Jahresbericht zeigt aber, dass ganz viele bleibende Erinnerungen geschaffen wurden.

Legendäre Momente

Die Boswiler Meisterkonzerte etwa überzeugten mit zwei Meistercellisten – Steven Isserlis im Duorezital mit dem Pianisten Dénes Varjon und Mischa Maisky mit dem Ensemble Chaarts. Bereits Wochen im Voraus ausverkauft war das Klavierrezital von Sir Andras Schiff im Juni, der sechs Partiten von Johann Sebastian Bach spielte. Bei ingesamt 1897 Besucherinnen und Besuchern lag die Auslastung der Meisterkonzerte bei 88 Prozent, zwei mehr als im Vorjahr. In Erinnerung bleibt auch der «legendäre» Boswiler Sommer 2019. Das Motto bezog sich auf das legendäre Künstlerhaus selber: auf die legendären Künstlerpersönlichkeiten, die in den vergangenen Jahrzehnten ein und aus gingen, auf legendäre Musik von Bach über Mahler bis zu den Beat les, auf Musik verkörpernde Figuren wie Casanova oder Carmen, aber auch auf Musikerinnen und Musiker, «die das Potenzial zur Legende haben, wie die beiden Festival Artists Chiara Enderle und Philippe Tondre», wie Andreas Fleck, künstlerischer Leiter, es ausdrückte. 2920 Gäste besuchten eine der zwölf Veranstaltungen im Rahmen des Boswiler Sommers. Die Auslastung lag im Vergleich zum Vorjahr zwei Prozent höher, bei 87,5 Prozent.

Etabliert sind im Programm auch die Kinderkonzerte. Vor allem das Konzert für die Klassen der Boswiler Schulen komme gut an und sei ein Zeichen einer Verwurzelung der Projekte des Künstlerhauses im soziokulturellen Ortsgeschehen von Boswil. Auch die Boswiler Akademie und die Akademie für Neue Musik erfreuten sich grosser Beliebtheit. Wiederum war zudem das Jugend-Sinfonieorchester Aargau während zwei Projektphasen am Künstlerhaus zu Gast.

Musik- und Hörgarten

Ein spezielles Jahr hat das Jugendorchester Freiamt hinter sich. Das Ensemble gestaltete dies zu Ehren der Tournee-Gastgeber. Seit einigen Jahren pflegt das Orchester eine besondere Beziehung zu den Konzertveranstaltern «Kultur im Reusspark» in Niederwil und «Kultur im Klösterli» in Bremgarten. Beide Institutionen feierten im letzten Jahr ein Jubiläum. Als Geschenk bot das Jugendorchester Freiamt ein massgeschneidertes Programm an, das ihr architektonisches Erbe hervorhob. In einem Weg, der jeweils vom Kreuzgang zur Kirche führte, besetzte das Orchester den Raum so, dass die Besuchenden Werke in Stereofonie und sogar in Quadrofonie hören konnten.

Und zum «herkömmlichen» Programm kamen im letzten Jahr auch zwei spezielle Anlässe dazu. Während eines Monats verwandelte das Projekt «Pleasure Garden» die Liegenschaft in einen zauberhaften Musik- und Hörgarten. Es war ein Projekt der australischen Komponistin und Blockflötistin Genevieve Lacey. Im November fanden die Erstaufführungen des Projekts «Schraffur» innerhalb der Ausstellung «Maske» im Aargauer Kunsthaus statt. 50 Freiwillige und zehn Kinder einer Schulklasse begleiteten das Projekt des Basler Komponisten und Perkussionisten Fritz Hauser.

Drei Wechsel in Schlüsselpositionen

Neben der Musik stand das vergangene Jahr beim Künstlerhaus vor allem im Zeichen des Baustarts für das Projekt Umbau Sigristenhaus in «Haus der Musik». Im Juli startet der Umbau, schon im August wurde das Dach abgedeckt. Für das über fünf Millionen teure Projekt fehlt noch ein kleiner Finanzierungsbetrag.

Zudem stand im letzten Jahr der Wechsel in der Geschäftsführung bevor. Samuel Steinemann übernahm das Ruder. Und er sieht sich keiner einfachen Aufgabe gegenübergestellt. Das zeigt ein Blick in die Finanzen. Wegen Mindereinnahmen und aufgrund erhöhtem Personalund Projektaufwand schliesst die Rechnung mit einem Verlust von 123 400 Franken. Schon im Vorjahr wurde ein Verlust geschrieben und so ist es für Steinemann unerlässlich, den Betrieb so zu reorganisieren, dass Verluste in den kommenden Jahren vermieden werden können. Er tut dies in einem Team mit zwei ebenfalls neuen Schlüsselfiguren: Cynthia Beti als Leiterin Administration und Bettina Leemann in der Kommunikation.


«Night of Light»

Am Montag leuchteten regional, national und gar international verschiedenste kulturelle Institutionen und deren Gebäulichkeiten rot. «Night of Light» heisst das Projekt, mit dem die Kultur- und Eventbranche auf ihre infolge des Coronavirus schwierige Lage aufmerksam machen will. Rot erstrahlte zwischen 22 und 24 Uhr auch die Alte Kirche Boswil. Damit wollte sich die Stiftung Künstlerhaus solidarisch mit der gesamten Veranstaltungsbranche zeigen. --ake


Die Zahlen

Rund hundert Anlässe fanden im letzten Jahr statt, davon 61 Konzerte, 16 Seminare und Kurse und 21 weitere Einzelveranstaltungen. Gut 200 Musikerinnen und Musiker traten einzeln oder in Ensembles am Künstlerhaus auf. Zudem wurden rund 250 Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus der Region, dem ganzen Kanton, der Schweiz und dem Ausland gefördert. Der Förderverein zählte per Ende Jahr 579 Mitglieder, 50 davon sind Donatoren. Der neu ins Leben gerufene Kreis bei einer Spende von tausend Franken wurde auf Initiative von Hans-Mathias Käppeli ins Leben gerufen – auch zur Finanzierung des Umbaus Sigristenhaus. --ake


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