Vor ungewisser Zukunft

  16.04.2021 Bremgarten

Cosplay-Atelier und Burkaverbot

Beim Cosplay bedarf es manchmal einer Vollmaskierung – was sich künftig mit dem Gesetz schneiden wird.

Nach Annahme der Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» am 7. März blickt das Cosplay-Atelier in eine ungewisse Zukunft. Für den Präsidenten Nicolai Graf ist klar: «Bei speziellen Anlässen wie den Conventions wird sich wohl nichts ändern, da sie auf privatem Grund stattfinden.» Vieles sei aber noch offen: So ob und wie die Freiämter Cosplay-Fans zukünftig im öffentlichen Raum aktiv sein dürfen. Die Cosplay-Szene macht sich nun bei der Vernehmlassungsinstanz stark. --cbl


Schlicht vergessen gegangen

Das Cosplay-Atelier steht vor grossen Fragezeichen

Mit der Annahme der Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» im März ist die Verhüllung des Gesichts und somit die Vollmaskierung im öffentlichen Raum grundsätzlich verboten. Davon sind auch unbekanntere Hobbys betroffen – beispielsweise das «Cosplay».

Celeste Blanc

Spider-Man, die Schneekönigin Elsa, Harry Potter oder Charaktere aus «Star Wars» sind nur wenige von zahlreichen Beispielen der farbenfrohen und vielfältigen Welt des «Cosplay», in der Fans von Fantasy, Manga, Anime, Comics oder Zeichentrick in die Haut ihres Helden oder ihrer Heldin schlüpfen. Dabei verkleidet man sich so detailgetreu wie möglich nach dem Lieblingscharakter. «Da es primär um die perfekte Verkleidung geht, meinen viele, Cosplay sei so etwas wie Fasnacht. Aber es ist weit mehr», erzählt Nicolai Graf, Präsident des Cosplay-Ateliers. Im Jahr 2017 gegründet, zelebrieren die Mitglieder des Freiämter Vereins ihr Lieblingsgenre, indem sie nebst dem Kostüm auch charakterlich während Events ganz in die Rolle ihrer Figur eintauchen.

Mit der Annahme des Verhüllungsverbots am 7. März steht die Fangemeinde nun vor ungewissen Zeiten: Es ist fraglich, inwieweit und in welcher Form sie ihrem Hobby noch nachkommen können – denn nebst ausgefallener Bekleidung gehören auch haufenweise Schminke und Vollmaskierung zum perfekten Kostüm dazu.

Events auf Privatgrund erlaubt

Mit der Annahme der Volksinitiative darf das Gesicht, sobald ein Gesetz zum Verfassungsartikel vorliegt, im öffentlichen Raum und an öffentlich zugänglichen Orten nicht mehr verhüllt werden. Dies tangiert somit das Ausleben der Aktivitäten der Cosplay-Fangemeinde generell sowie der Vereinsaktivitäten des Cosplay-Ateliers im Speziellen. «Als ich sah, dass die Initiative angenommen wurde, habe ich leer geschluckt», so Graf. «Im ersten Moment dachte ich nur: Zum Glück sind Conventions kein Problem, da diese auf Privatgrund stattfinden.» Conventions sind grosse Events und beliebter Treffpunkt zahlreicher Cosplayer und Cosplayerinnen aus der ganzen Schweiz. Doch ob und wie es möglich ist, an solche Conventions anzureisen, ist ungewiss. Viele reisen verkleidet mit den öffentlichen Verkehrsmitteln an oder tummeln sich nach der Veranstaltung in ihren Kostümen noch auf den Strassen. «Das wird sicher geregelt werden müssen, damit wir nicht bei der Anreise gebüsst werden», so Graf. Nebst dem Besuch der Conventions spielen sich viele Vereinsevents im öffentlichen Raum ab.

Bewilligungen wahrscheinlich

So sind die durchschnittlich zweimal jährlich stattfindenden Charity-Veranstaltungen des Cosplay-Ateliers wichtige Termine im Vereinskalender. Dabei verkleiden sich die Mitglieder und für einen kleinen Betrag kann ein Foto mit Spider-Man, dem nordischen Gott Thor oder anderen Comic-, Manga- oder Zeichentrickfiguren gemacht werden. Den Ertrag spendet der Verein dann an eine gemeinnützige Organisation. Die Charity-Events zählen für Präsident Graf zu den schönsten Anlässen des Vereins: «Das ist bei Kindern sehr beliebt, sie haben immer eine Riesenfreude, sich mit den Superhelden fotografieren zu lassen.» Für solche Anlässe stellt das Cosplay-Atelier seine Stände auf gut besuchten Plätzen auf, beispielsweise vor Einkaufszentren. Hier sieht Graf das nächste Problem: «Die Charity-Events sind sicherlich ein grosses Fragezeichen. Die Standorte gehören ja auch zum öffentlichen Raum. Wahrscheinlich wird es so gelöst, dass man bei der Polizei eine Bewilligung einholen muss.»

Fällt durch alle Raster

Für Graf ist es schwer, die gesamten Konsequenzen der Annahme der Initiative für die Cosplay-Szene abzuschätzen, denn viele Fragen zur Umsetzung seien offen. So falle man beispielsweise auch bei den Ausnahmen, bei denen eine Gesichtsverhüllung erlaubt sei, durch das Raster: «Die einzige Ausnahme, worunter wir fallen könnten, wäre das traditionelle Brauchtum wie die Fasnacht.» Doch das sei mehr als fraglich, da Cosplay ursprünglich aus dem asiatischen Raum kommt und in der Schweiz als Randphänomen eher noch unbekannt ist. «Zwar ist seit der ‹Fantasy Basel› die öffentliche Aufmerksamkeit sowie die Fangemeinde gewachsen, doch für viele ist ‹Cosplay› kein Begriff. Es ist bei der ganzen politischen Diskussion einfach übersehen worden», meint Graf. Nun hoffen er und die Vereinsmitglieder inständig, dass der Gesetzgeber sie nun bei der Vernehmlassung berücksichtigt.

In andere Welten tauchen

Im Moment gibt es einen Aufruf innerhalb der Cosplay-Szene, sich direkt an die Vernehmlassungsinstanz zu wenden. Auch das Cosplay-Atelier überlegt sich, wie man sich beteiligen kann: «Wir müssen uns zeigen, denn wir sind die Ausnahme, die nicht vergessen werden darf.»

Das Cosplay-Atelier bringt verschiedenste Leute aus der ganzen Region zusammen. Vom Banker bis zum «Büezer», vom 17-jährigen Schüler bis hin zum 40-jährigen Angestellten treffen sich Fantasy-Liebhaber zum gemeinsamen Basteln an den Kostümen, zu den Vorbereitungen für Conventions oder Charity-Veranstaltungen oder für die Planung ihrer Workshops. Dort können Interessierte für ein paar Stunden in die vielen Fantasy-Welten eintauchen und werden ins Kostümherstellen eingeführt.

«Schadet niemandem»

Hauptziel des Vereins ist es, den Menschen die Begeisterung für das Cosplay näherzubringen und zu verbreiten. Und es zahlt sich aus: Während 2017 sechs Personen den Verein gründeten, sind es heute über 30 Vereinsmitglieder. Und stetig gehen neue Anfragen ein. Graf versteht die Faszination: «Letztlich ist es doch irgendwie das Bedürfnis von jeder Person, einmal eine andere Rolle einzunehmen und somit aus dem Alltag auszubrechen. Und das schadet ja wirklich niemandem.»


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote