Wie ein Ritt auf dem Motorrad

  02.03.2021 Region Bremgarten

Gemeindeschreiber Walter Bürgi wirkt seit 30 Jahren auf der Verwaltung

Ein leidenschaftlicher Motorradfahrer ist der Eggenwiler Gemeindeschreiber Walter Bürgi. Blickt er auf die bisherigen 30 Jahre auf der Verwaltung zurück, sieht er verschiedenste Parallelen zu seinem Hobby. Dazu zählen das richtige Timing und die Art der Zielplanung.

Roger Wetli

Setzt sich Walter Bürgi auf seine BMW-Enduro-Tourenmaschine, beginnt er zu strahlen. Er wirkt dabei so gelassen und ernst, wie er es auch in seiner Funktion als Gemeindeschreiber tut. Er liebt sowohl das Motorradfahren wie auch seinen Beruf. Und an beides stellt er die gleichen hohen Ansprüche. «Mein Motorrad ist so gebaut, dass ich mit ihm überall durchkomme. Dieses Generalistische mag ich. Die Gemeindeverwaltung Eggenwil hat eine Grösse, um ebenfalls sehr flexibel zu sein», analysiert er. «Ich bin gerne ein Generalist.»

Hohe zeitliche Belastung

Dies bedeute auch, dass man in allen Disziplinen bestehen muss. «Meine Anforderungen an mich selbst sind hoch», erklärt er und wird nachdenklich. «Der Nachteil davon ist die teilweise sehr hohe zeitliche Belastung. Es braucht überall fundiertes Wissen, wofür ich mich intensiv einarbeiten muss.» Gleichzeitig geniesst es Bürgi, immer wieder neue Projekte anzupacken und neue Wege zu bestreiten. Dabei hilft ihm auch das Motorradfahren. «Bin ich unterwegs, kann ich abschalten und erhalte Distanz zu Eggenwil.»

Vor einer Tour definiert er das Endziel, den ungefähren Weg und den Zeitrahmen. Erst unterwegs entscheidet Bürgi, welchen Weg er genau nimmt. «Ich reagiere im Moment», weiss er. Das macht der Gemeindeschreiber auch auf der Verwaltung. In der Freizeit begleiten ihn mal seine Freunde, sein Bruder oder eine Kollegengruppe – in Eggenwil sind es der Gemeinderat, die Verwaltungsangestellten und die Bürger. 2013 erfüllte er sich den Traum einer 30-tägigen Amerikareise. Er und sein Bruder fuhren auf zwei Harleys von Las Vegas durch das ganze Land nach Florida. «7000 Kilometer, 13 Staaten, 4 Zeitzonen und viel Spontanität», schwärmt Bürgi. Aber auch die Schweiz liebt er als Töffland. «2020 habe ich jeden Pass befahren. Manchmal sogar mehrfach. Nur als die Spitäler überfüllt waren, verzichtete ich darauf, um das Gesundheitswesen nicht durch einen Unfall zusätzlich zu belasten.» Sind die Grenzen offen, liebt er es, in Bayern, Österreich, in den Dolomiten oder im Schwarzwald unterwegs zu sein. Dabei gilt es viele Hügel und Berge zu überwinden.

Kurve zu schnell angefahren

In den 30 Jahren in Eggenwil hat der Gemeindeschreiber sehr viele Höhen und einige wenige Tiefen auf der Verwaltung erlebt. Ein sehr schönes Erlebnis war für Walter Bürgi die Einweihung des Dorfplatzes, den er als Abschlussarbeit zur Weiterbildung als Bauverwalter konzipiert hatte. 400 Gäste kamen. Diese Zeitung kürte ihn zum «Kopf des Monats». «Ich ahnte damals, dass es jetzt wohl schwieriger wird», schaut Bürgi zurück.

Und tatsächlich kamen kurz darauf die grossen Hürden bei den Projekten Hochwasserschutz und Schulhauserweiterung und -sanierung. «In den ersten 20 Jahren konnte ich nur immer am Gashahn ziehen. Dann stimmte gelegentlich das Timing nicht immer optimal», analysiert der Gemeindeschreiber heute. Er habe diese Kurven wohl falsch eingeschätzt und sie zu schnell nehmen wollen, gesteht er ein. Die Hochwasserschutzkarten des Kantons seien damals neu erstellt gewesen. «Wir wollten die Massnahmen sofort umsetzen und haben dabei wohl zu wenig beachtet, dass die Leute noch nicht richtig für das Thema sensibilisiert waren. Diese Kurven hätten wir langsamer anfahren sollen.» Die Folgen: Einsprachen und zähe Verhandlungen und ein Projekt, das zwölf Jahre bis zum Ende der Umsetzung beanspruchte.

Beim Motorradfahren spielten je zu 50 Prozent die Technik und die eigene mentale Verfassung eine Rolle. «Und man schaut immer auf die anderen Verkehrsteilnehmenden. Auch das sollte man sinnbildlich in einer Gemeinde tun.» Er habe gelernt, auf die innere Stimme zu hören. Dabei helfe die lange Erfahrung. «Man wird gelassener und kennt seine Stärken und Schwächen», weiss er.

Ausgebremst

Walter Bürgi bezeichnet seinen Fahrstil als integer. Er fahre zwar zügig, halte sich aber an das Tempolimit. «1991 hatte die Gemeinde halb so viele Einwohner wie jetzt. Ich wollte der Gemeinde Schub geben. Es war sehr anstrengend, klappte aber alles sehr gut», resümiert er. Bürgi liebt seine Arbeit so sehr, dass er vor 15 Jahren die Warnsignale übersah und jäh zu einer Vollbremsung gezwungen wurde. «Es lief in der Gemeinde sehr viel. Ich war manches Mal zwölf und mehr Stunden präsent und hatte gleichzeitig viele intensive nebenamtliche Engagements. Im Nachhinein betrachtet machte ich damals zu viel», so Bürgi.

Gestoppt wurde er während einer Motorradtour an einem Samstag. Sein Töff war mit 60 km/h auf Kies geraten. Ein Helikopter brachte ihn in eine Intensivstation. Ergebnis: unter anderem mehrere Rippenbrüche und eine Rippe in der Lunge. «Auf der Agenda war ich am darauf folgenden Montag für ein Referat gebucht. Als ich am Sonntag im Spital aufwachte, wollte ich sofort aufstehen und das Referat am nächsten Tag halten. Vollbremsungen gab es für mich nicht.»

Eine Ärztin sprach ihm ins Gewissen, den Unfall als Zeichen zu interpretieren. Dafür sei er ihr dankbar. «Schlimm waren für mich nicht die grossen Schmerzen, sondern dass ich für die nächsten paar Wochen nicht mehr arbeiten konnte.» Er habe danach sein Leben neu geordnet – und sich bewusst wieder fürs Motorradfahren entschieden. «Beim Unfall hatte ich riesiges Glück. Die gänzliche Unbeschwertheit beim Fahren ist seither weg. Trotzdem geniesse ich immer noch das Töfffahren.» Bei der Arbeit selbst sei er von solchen dramatischen Ereignissen aber verschont geblieben.

Gefährt mit Charakter

Trotzdem schaut er heute noch besser voraus, was auf ihn und die Gemeinde zukommt. «Bei jeder Entscheidung müssen wir deren Konsequenzen abschätzen können. Ich bin wohl auch klüger geworden.» Die kommenden Herausforderungen für Eggenwil sieht er darin, für die Ämter und die Verwaltung genügend geeignete Leute zu nden. Aber auch bei den Finanzen. Denn die kleine Gemeinde möchte weiterhin selbstständig bleiben. «Diese Herausforderungen müssen demokratisch, effizient und finanziell vertretbar angepackt werden. Es gibt eine Tendenz zur Angleichung an die Privatwirtschaft. Das ist bis zu einem gewissen Grad möglich. Aber eine Gemeinde ist keine Firma», betont er. Ähnlich wie beim Motorradfahren muss auch eine Gemeinde nach aussen kommunizieren, was sie als Nächstes vorhat.

Den Töff «Eggenwil» mag der Gemeindeschreiber sehr. «Sein Motor ist mal rauer, mal feiner und ruckelt ab und zu. Er hat Charakter. Ich liebe es, ihn zu fahren.» Eine reale Traumstrecke hat Walter Bürgi noch. «Panamericana, der Weg von Alaska nach Feuerland beträgt rund 26 000 Kilometer. Sie wäre enorm spannend.»


Viel bewirkt

Walter Bürgi begann seine Tätigkeiten als Gemeindeschreiber am 1. März 1991 auf der Gemeindeverwaltung in Eggenwil. In den drei Jahrzehnten absolvierte er verschiedene Weiterbildungen wie die höhere Fachprüfung für Führungspersonal der Gemeinden, das Intensivstudium «Public Management» an der Fachhochschule Nordwestschweiz oder im Bereich Bau und Planung als Bauverwalter.

Er setzte sich zwei Jahrzehnte lang in der Ausbildung des Nachwuchses ein und war Chefprüfungsexperte der Branche öffentliche Verwaltung Aargau der Berufsgruppe Gemeindeverwaltung. Für sein grosses Engagement im Verband Aargauer Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber wurde der heute 52-Jährige zum Ehrenmitglied ernannt.

In der Eggenwiler Verwaltung ist Walter Bürgi für die operative Gesamtleitung inklusive technischer Betriebe mit acht Voll- und Teilzeitstellen verantwortlich und leitet die Abteilungen Kanzlei und Bauverwaltung. Walter Bürgi war bis 2018 Oberstleutnant im Militär. --rwi


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