Einst und jetzt Hand in Hand

  04.10.2022 Wohlen

Ausstellung «Neu aufgespult» im Strohmuseum Wohlen ist eröffnet

Nicht nur Spitzenklöppeln und Gegenwartskunst verbinden sich in der stimmungsvoll eröffneten Ausstellung, auch das Strohmuseum im Park und das Museum Haus zur Glocke in Steckborn arbeiten in der Doppelausstellung Hand in Hand.

Walter Minder

Klöppelspitzen sind filigrane, oft aus Pferdehaaren hergestellte dekorative Schmuckelemente, beispielsweise für Hutgeflechte und Trachten. Mit dieser ursprünglich von Hand in Heimarbeit ausgeführten Technik entstanden aber auch elegante Tischtücher, klerikale Rochetts, Ornate, Bilder und vieles anderes mehr.

Hintergrund der gemeinsamen Ausstellung «Neu aufgespult: Spitzenklöppeln und Gegenwartskunst im Dialog», die im Haus zur Glocke noch bis am 22. Oktober und im Strohmuseum bis am 19. März geöffnet ist, bildet die historische Verbundenheit von Wohlen und Steckborn, das geklöppelte Rosshaarspitzen ins Freiamt lieferte, wo die feinen Gewebe mit Stroh ausgeschmückt und als begehrte Hutgeflechte oder Hutdekorationselemente in alle Welt exportiert wurden.

Gut besuchte Vernissage

Ruth Portmann, Präsidentin der Stiftung Freiämter Strohmuseum, freute sich in ihrer Begrüssung über den zahlreichen Besuch und das Interesse am Dialog zwischen Gegenwartskunst und Spitzenklöppeln. Auch wenn das Strohkunsthandwerk im Freiamt nicht zuletzt dank dem Strohmuseum vielen Leuten gegenwärtig ist – das Klöppeln sei für viele kein Begriff.

Die Idee einer gemeinsamen Ausstellung wurde von Judit Villiger und Gabriele Lutz, Co-Kuratorinnen vom Museum Haus zur Glocke, an Petra Giezendanner, Leiterin des Strohmuseums, herangetragen. «Wir haben dann sehr schnell festgestellt, wie viele Synergien zwischen den beiden Museen bestehen.» Bald sei auch das Konzept geboren worden – der Dialog zwischen kreativer Gegenwartskunst und handwerklicher Vergangenheit.

Sieben Kunstschaffende sind zur Mitarbeit eingeladen worden, in Wohlen sind dies Annalise Hess und Margrit Linder. Portmann bedankte sich insbesondere bei der Ortsbürgergemeinde – «der finanziellen Schlagader des Strohmuseums» – und beim Verein Freunde Strohmuseum für die Unterstützung, die nicht zuletzt auch die aktuelle Ausstellung ermöglicht habe. «Wenn Sie nachher die künstlerischen Arbeiten von Annalise Hess und Margrit Linder intensiv betrachten, eröffnen sich neue Perspektiven auf die Knochenarbeit der damaligen Klöpplerinnen.»

Lange Geschichte des Handwerks aufzeigen

«Unsere Schwester ist etwas grösser»: Mit dieser Feststellung, bezogen auf das Museum zur Glocke, ging Giezendanner auf die lange Geschichte des Klöppelns im thurgauischen Städtchen am Untersee ein. «1840 zählte man 240 Klöpplerinnen bei insgesamt rund 1700 Einwohnenden, die zudem von ihren Kindern und im Winter von ihren Männern bei der Heimarbeit unterstützt wurden.» Die Blütezeiten der Zusammenarbeit für die internationale Modewelt seien die Jahre 1845 bis 1860 und 1881 bis 1905 gewesen, wobei rund zwanzig Prozent der im Freiamt verarbeiteten Klöppelspitzen aus Steckborn stammten. Die beiden Künstlerinnen Annalise Hess und Margrit Linder hätten sich auf die spezifischen Eigenheiten dieses Kunsthandwerks konzentriert und sehr viel Zeit in ihre Arbeit investiert. So reflektiere die Installation «Die Klöpplerin» von Linder die Träume und Sehnsüchte einer Klöpplerin und deren zerrissene Gefühlswelt. Giezendanner bedankte sich bei allen Beteiligten und den insgesamt sieben am Projekt beteiligten Künstlerinnen und Künstlern für ihr Engagement.

Abschliessend gab Margrit Linder einen kurzen Einblick in ihre Arbeit mit Klöppelbriefen, Klöppelkissen und Klöppelspitzen. Das in der Ausstellung präsentierte Klöppelkissen fand übrigens den Weg nach Wohlen dank einem Online-Marktplatz, auf dem es zum Verkauf angeboten worden war …

Beim Rundgang durch den Ausstellungsraum faszinieren die feingliedrigen, dekorativen Arbeiten der beiden Künstlerinnen, die nur erahnen lassen, unter welch schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen und zu welch magerer Entschädigung die Heimwerkerinnen seinerzeit haben arbeiten müssen, um mitzuhelfen, die Familie zu ernähren. Einen Einblick in die intensive Arbeit der Kunstschaffenden vermittelt ein informatives Video, das im Eingangsbereich zu sehen ist. Rund um die Ausstellung organisiert das Strohmuseum verschiedene Aktivitäten – von Informationsveranstaltungen mit Annalise Hess über geführte Rundgänge bis hin zum Vortrag «Spitzenklöppeln von ca. 1620 bis heute». Mehr Infos auf www.strohmuseum.ch.


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