Und wieder wird ein Haus besetzt

  05.08.2022 Wohlen

«Morsch», die Eigenproduktion des Sternensaals aus dem Jahr 2017, wird im Appenzell neu aufgeführt

Fünf Jahre nach dem riesigen Erfolg in Wohlen soll das Stück von Adi Meyer nun auch das Publikum in der Ostschweiz begeistern. Vom 23. August bis 17. September präsentiert die Theatergesellschaft Appenzell «Morsch – ein Fassaden-Theater unter freiem Himmel». Sehr zur Freude des Sternensaals.

Chregi Hansen

Die Alte Bleiche in Appenzell soll Teil eines luxuriösen Ferienresorts werden mit Réception, Bar, Roulette und Wellness. Gemeindehauptmann Tanner unterstützt das Projekt. Gemeinderätin Ebneter hingegen möchte die Liegenschaft in ein Hospiz für gehobene Ansprüche umfunktionieren. Weder Ferienresort noch Sterbehaus der Luxusklasse, findet eine ungestüme Seniorenbande und besetzt die morschen Gebäude kurzerhand. Die wilden Alten, die in jungen Jahren zusammengewohnt haben, bringen mit ihrer spontanen Aktion nicht nur Dorf und Behörden in Aufruhr. Sie sehen sich auch mit ihrer eigenen Situation, mit ihrer Vergangenheit und ihrem Älterwerden konfrontiert.

Bereits zweite Zusammenarbeit

Wem die Geschichte bekannt vorkommt, der liegt richtig. Die wilden Alten, die zu Hausbesetzern werden, gab es 2017 schon in Wohlen. Statt der Alten Bleiche sollte hier der Sternensaal vor dem Verschwinden gerettet werden. Das Stück von Adi Meyer, welches der Verein Kultur im Sternensaal sich selber zum 30-Jahr-Jubiläum schenkte, wurde in Wohlen zum Grosserfolg. Jetzt soll es in Appenzell die Menschen begeistern.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Theatergesellschaft Appenzell sich beim Sternensaal bedient. Die Ostschweizer haben bereits die Wohler Eigenproduktion «Tschingge» zu neuem Leben erweckt. Vor fünf Jahren war darum eine Delegation der Theatergesellschaft bei einer Aufführung von «Morsch» zu Gast. Das Gebotene hat sie offenbar überzeugt – jetzt wagen sie sich an die Geschichte. Mit an Bord auch Autor Adi Meyer.

Die Suche nach der passenden Liegenschaft

«Ich hatte mehrmals Kontakt mit dem Präsidenten der Theatergesellschaft Appenzell und mit Regisseur Jean Grädel und war im letzten Sommer zweimal vor Ort. In einer ersten Runde ging es um einen passenden Aufführungsort. Wir besichtigten zahlreiche Liegenschaften in Innerrhoden und landeten schliesslich bei der Alten Bleiche in Appenzell», berichtet der Wohler. Die Liegenschaft aus dem Jahr 1535 hat eine lange Geschichte und steht heute unter Bundes- und Denkmalschutz. Sie diente bereits als Bleicherei, Sägerei, Bäckerei und zuletzt gar als Pizzeria. Nun also wird die Alte Bleiche zur Theaterkulisse.

Später ging es darum, die Geschichte und die Liegenschaft in Übereinstimmung zu bringen und eine glaubwürdige Version zu finden. Wie in Wohlen soll auch im Appenzell das Stück zur Umgebung passen. Darum musste Meyer die Geschichte an einigen Stellen umschreiben. «Bei der Alten Bleiche handelt es sich um ein historisch sehr wertvolles, denkmalgeschütztes Gebäude. In der Appenzeller Version geht es deshalb nicht um Abbruch, sondern um Verkauf und Umnutzung», erklärt der Autor. «Ausserdem musste ich auf Wunsch der Produktionsleitung für einen betagten Schauspieler eine kleine Rolle dazuerfinden», fügt er schmunzelnd an. Geändert wurde auch der Schluss – was anders ist, verrät Adi Meyer nicht. «Im Übrigen stimmen Figuren und Szenen aber weitgehend mit der Wohler Urfassung überein», hält der Mitbegründer des Sternensaals fest.

Den Schluss geändert

Auf die konkrete Umsetzung nimmt er allerdings keinen Einfluss, nachdem er in Wohlen noch selber Regie geführt hat. Mit Jean Grädel hat ein erfahrener Theatermann die Leitung inne. Bisher hat dieser über 180 Inszenierungen im In- und Ausland realisiert und fünf verschiedene Theater geleitet; in Appenzell hat er auch schon die Sternensaal-Eigenproduktion «Tschingge» inszeniert. Die Probearbeiten laufen seit März, die Premiere steht am 23. August auf dem Programm. Insgesamt sind 13 Aufführungen geplant.

An einer davon wird auch eine Delegation des Sternensaals dabei sein. «Wir haben damals schon ihre Inszenierung von ‹Tschingge› besucht und sind nun gespannt, was sie diesmal aus unserem Stück machen», sagt Präsidentin Eva Keller. Auch sie hatte im Vorfeld Kontakt mit den Ostschweizer Kollegen und freut sich, dass «Morsch» nun ein zweites Leben eingehaucht wird. «Die Schauspieler und Schauspielerinnen sind natürlich gespannt, was aus ihren Figuren geworden ist», so Keller. Und natürlich wird man vor allem auf die Figur des Chlütter achten. Diese wurde in Wohlen von Kurt Steimen gespielt, der dieses Jahr viel zu früh verstorben ist. Adi Meyer hatte ihm damals die Rolle des belesenen und philosophischen Alt-Hippies auf den Leib geschrieben. «Er war der Einzige, der bei der Rollenwahl nicht mitreden durfte», erinnert sich Keller. Das Wiedersehen mit Chlütter wird sicher viele Emotionen wecken. Und trotzdem: «Wir freuen uns sehr auf diese Vorführung», so die Präsidentin.

Mehr Informationen zur neuen Inszenierung: www.tgappenzell.ch.


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