Den inneren Kern freilegen

  22.07.2022 Wohlen

Die Sanierung des Chappelehofs erlaubt ungewohnte Einblicke in das Gebäude

Es ist eine besondere Situation. Während im Nordtrakt mit schwerem Gerät Wände herausgerissen und Löcher geschlagen werden, geht das Leben im Südtrakt seinen gewohnten Gang. Doch die Arbeiten sind für die Bewohner spannend.

Chregi Hansen

An diesem Tag wird nur ganz oben und ganz unten gearbeitet. Im Keller erhalten die Böden einen neuen Anstrich, auf dem Dach wird die neue Isolation verlegt. Die Abbrucharbeiten der ersten Etappe sind mehr oder weniger abgeschlossen. «Der Bagger hat jetzt eine Pause», erklärt Architekt André Konrad schmunzelnd.

Im Innern werden die Resultate der Baggerarbeiten sichtbar. Ganz viel Mauerwerk und Verschalungen wurden herausgerissen. Auch wenn noch alles im Rohbau ist, so wird das künftige Erscheinungsbild bereits sichtbar. So wurde der Eingangsbereich durch den Abriss der Treppe vom Restaurant in den oberen Saal viel luftiger. Und der grosse Saal strahlt trotz den Bauspuren eine grosse Eleganz aus. «Wir möchten ihn so wiederherstellen, wie er damals gebaut wurde», so Architekt Kurt Kolb. Dazu werden auch möglichst originale Bauteile verwendet, wird zum Beispiel der alte Holzboden später wieder eingebaut. «Der ist zwar aus Tropenholz und das würde man heute nicht mehr verwenden. Aber es ist sinnvoller, ihn wiederzuverwenden als zu ersetzen», so Konrad.

Möglichst viel wiederverwenden

Auch wenn es auf den ersten Blick im Gebäude nach Abriss aussieht, so wird mit dem Material sorgsam umgegangen. So haben die Fensterflügel im Verbindungstrakt eine neue Heimat gefunden – sie kommen nun in einem Coworking Space in Lenzburg zum Einsatz. Und bei allem Willen, den Chappelehof im Originalzustand zu behalten, so geht es manchmal nicht ohne Kompromisse. Die Lamellen vor den Fenstern werden neu aus Metall und nicht mehr aus Holz sein und so witterungsbeständiger.

Wie immer bei Sanierungen von Altbauten ist man trotz guter Planung nicht vor Überraschungen gefeit. In vielen Fällen sind diese negativ, im Chappelehof bisher eher positiv. «Es waren teilweise weniger Eingriffe nötig als gedacht», macht Konrad deutlich. Darum ist man jetzt trotz anfänglichen Verzögerungen wieder im Zeitplan. Teilweise sogar voraus. «Wegen der explodierenden Ölpreise haben wir die Heizung schon jetzt ersetzt. Eigentlich wäre dies erst nächstes Jahr geplant gewesen», erklärt Paul Huwiler, der Präsident des Vereins St. Leonhard.

Interessierte Bewohner

Bewährt hat sich die gewählte Etappierung. Im Südflügel wurden provisorische Wohnungen erstellt, sodass alle Bewohner bleiben können. «Sie sind froh darum. Deshalb beklagen sie sich auch nicht über den Baulärm oder den Staub, sondern nehmen das in Kauf», so Huwiler. Im Vorfeld seien verschiedene Lösungen geprüft worden, bis hin zu Containern. «Durch die Etappierung muss niemand ausziehen. Das schätzten die Bewohner. Schliesslich sind sie in all den Jahren zu einer Gemeinschaft geworden», weiss Huwiler. Zudem bringen die Arbeiten Abwechslung in den Alltag. «Die Bewohner schauen oft von den Fenstern oder der Dachterrasse zu», erzählt Konrad. Wie als Beweis verfolgt ein Senior interessiert durch das Fenster die Arbeiten auf dem Dach.

Diese kommen gut voran. Gerade auch im zweiten Obergeschoss über dem Saal, wo in Zukunft keine Wohnungen mehr sind, sondern Praxisräume. Um was für eine Praxis es sich handeln wird, will Huwiler noch nicht verraten, das werde erst im August kommuniziert. Der Grundriss aber macht deutlich, dass es eine grössere sein wird. «Es macht Sinn, dass hier aus Lärmgründen auf Wohnungen verzichtet wird», sagt auch Architekt Kolb. Hier werden die statischen Verstärkungen besonders sichtbar, die nötig waren. «Diese Arbeiten sind jetzt abgeschlossen, dieser Teil des Hauses ist jetzt erdbebensicher, wie es die heutigen Vorgaben verlangen», erklärt Konrad.

Wenn Bagger durch Wände fahren

Der Chappelehof erweist sich auch im Rohzustand als ganz besonderes Gebäude. Kurt Kolb spricht von einer grossen Eleganz und Reinheit, die es zu bewahren gilt. Dabei werden auch Fehler aus der Vergangenheit wieder ausgemerzt. So wurde das Dach schon früher einmal saniert, doch die eingesetzte Dämmung ist zu gering. «Nach der Sanierung wird das Haus allen heutigen Anforderungen genügen», macht Konrad deutlich. Der grösste Eingriff in die bestehende Struktur ist der Anbau im Norden mit dem neuen Lift und dem zweiten Treppenaufgang. Hier ist der Rohbau auch schon beendet. «Der neue Zugang bringt für die Bewohner wie auch die zukünftigen Patienten grosse Vorteile», ist Konrad überzeugt.

Huwiler, Kolb und Konrad sind zufrieden mit dem Bauverlauf. Auch von Lieferschwierigkeiten und den steigenden Preisen blieb man bisher verschont. Die Sanierung ist auf Kurs. Und macht den Verantwortlichen viel Freude. «Auch wenn es manchmal etwas wehtat, wenn man gesehen hat, wie der Bagger durch die Wände fuhr», lacht Konrad. Aber diese Löcher könne man ja alle flicken. Und bald wird der Chappelehof wieder in alter respektive neuer Pracht erstrahlen.


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