Authentischer Handball-Punk

  28.06.2022 Berikon

Die deutsche Handball-Legende Stefan Kretzschmar kam für einen Besuch nach Berikon

«Kretzsche», wie er leibt und lebt. Frisch von der Leber weg, frei Schnauze. So konnten die 70Gäste in der Touring-Garage in Berikon die deutsche Handball-Legende Stefan Kretzschmar erleben und geniessen.

Alexander Wagner

Berührungsängste kennt der langjährige deutsche Nationalspieler – der für seine Eskapaden neben dem Platz mindestens so bekannt war wie für seine geniale Wurftechnik – absolut keine. Er mischte sich nach seinem Auftritt unters Publikum, gab bereitwillig Autogramme, Auskünfte oder machte Fotos.

Zuvor äusserte er sich in seiner typischen Art aber auch kritisch – gerade zu den sozialen Medien: «Sie sind Fluch und Segen zugleich.» Und blickt schmunzelnd zurück: «Meine Karriere ginge heute gar nicht mehr.» Weil stets jemand mit einer Kamera da wäre und alles festhalten würde. Aber heute als Sportvorstand der Füchse Berlin hilft es ihm, immer zu wissen, wo seine Spieler sind: «Denn die sind ja so doof und posten alles», meinte er mit einem schallenden Lachen.

Kritische Töne zu Andy Schmid

In der Touring-Garage Baur versammelten sich rund 70Gäste. Es hätten noch etwas mehr sein dürfen. Unter den Zuhörern waren illustre Gesichter aus der regionalen und nationalen Handballszene. Durch das Gespräch geführt hat Karin Weigelt, die früher selber in der Schweizer Nationalmannschaft spielte. Dass Stefan Kretzschmar, die Handball-Ikone und ehemaliger Handball-Punk, überhaupt in Berikon landete, hat der HC Mutschellen dem Sportchef Alexander Milosevic zu verdanken.

Die beiden kennen sich, weil Sohn Alen Milosevic lange bei Leipzig spielte und «Kretzsche» – wie ihn alle nennen – im Vorstand wirkte. Aber Alex Milosevic hat auch bei einem Transfer entscheidend mitgeholfen, deshalb schuldete die deutsche Legende ihm einen Gefallen. Und dies hat er jetzt endlich auf dem Mutschellen einlösen können, zuvor liess es die prall gefüllte Agenda des Mannes mit den vielen Frisuren nicht zu. Sein Bezug zum Schweizer Handball oder gar zum HC Mutschellen ist eher mässig. Aber er hat in Schaffhausen sein erstes Länderspiel für Deutschland absolviert – noch in der alten Halle. «Da waren zwei Flügel aufgeboten. Ich durfte die erste Halbzeit ran und habe gleich fünf Tore gemacht», erinnert er sich noch genau. «Und das in nur 30 Minuten. Dann war ich im Nationalteam dabei», ergänzt er sichtlich stolz. Sonst kennt er natürlich alle Schweizer Nationalspieler, die in der Bundesliga auflaufen. Den Wechsel der Schweizer Handball-Koryphäe Andy Schmid zu Kriens versteht er hingegen gar nicht und kommentiert ihn auch entsprechend bissig: «Ich weiss nicht, was das soll», meinte er achselzuckend. Der 1,90Meter grosse Hüne ist überzeugt, dass Schmid gleich als Trainer in der Bundesliga hätte einsteigen können. Zudem macht er sich Sorgen um seine Gesundheit: «Hier wird er verprügelt», ist er überzeugt und ergänzt: «Für die Schweiz ist es toll, aus Karrieresicht ist es ein Fehler», nimmt er kein Blatt vor den Mund.

Grosse Ausstrahlung

Was für eine riesige Ausstrahlung «Kretzsche» nach wie vor hat, zeigt, dass eine Schweizer Trainerlegende wie Urs Mühlethaler – der selber in der Bundesliga den VfL Hameln trainierte – dabei war. Und nicht als geladener Gast, sondern einfach wegen Kretzschmar. Mühlethaler macht sich Sorgen, dass eine gute Defensive nicht mehr geschätzt wird. «In der Abwehr wird zu wenig erlaubt. Mehr Härte wäre angesagt», pflichtet ihm der geniale Flügelspieler zu, der sich auch solche Freiheiten während seiner Karriere gewünscht hätte. Aber er hat eine klare Meinung zur neuen Strafenauslegung der Schiedsrichter. «Das nervt mich manchmal. Wir sind der harte Sport und das sollen wir auch bleiben.» Den Event ebenfalls nicht entgehen liess sich der ehemalige Kadetten-Schaff hausen-Trainer Matjaz Tominec, denn «Kretzsche» kam nur für diesen Besuch auf dem Mutschellen in die Schweiz. Am gleichen Tag kam er aus München nach Berikon und nach einer kurzen Nacht fuhr er zurück nach Berlin – geschätzte zehn Stunden lang. Obwohl er eine grosse Klappe führt, hat er Flugangst und steht dazu: «So viel, wie nur irgendwie geht, mache ich mit dem Auto.»

Alle waren begeistert

«Es war ein Superanlass. Ganz Kretzsche-like», freute sich Mutschellens Präsident Pitsch Müller. «Er ist nahe bei den Leuten, geradeheraus», zog er ein positives Fazit. Aber es steckte auch viel Vorbereitung dahinter: «Wir haben ein Jahr lang auf diesen Anlass hingearbeitet.» Alle Besucher waren restlos begeistert vom Anlass. Und alle, die nicht gekommen sind, haben etwas verpasst.


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