Es gibt keine Fusion

  24.06.2022 Boswil

Klarer Entscheid an der «Gmeind» in Boswil

Die Würfel sind gefallen. Boswil und Bünzen fusionieren nicht – zumindest vorläufig nicht. Der Entscheid fiel so klar wie noch kein anderer zu diesem Thema.

Vor einem Jahr war es in Boswil und in Bünzen sehr eng. Wenige Stimmen machten den Unterschied aus, aber in beiden Gemeinden wurden die 115 000 Franken für die vertieften Abklärungen zu einer möglichen Fusion bewilligt. Jetzt sieht alles anders aus. Der Boswiler Gemeinderat traktandierte das Thema erneut. «Die Ausgangslage ist anders», sagte Ammann Michael Weber. --ake


Einen Schlussstrich gezogen

Die Boswiler Bevölkerung beendet an der «Gmeind» die Fusionsabklärungen mit Bünzen

2014 wurde die Brücke zwischen Boswil und Bünzen mit einem gemeinsamen Fest eröffnet. An der Brücke, die zur Fusion hätte führen können, wird hingegen vorläufig nicht weitergearbeitet. Bei allen Abstimmungen rund um die mögliche Fusion war es der deutlichste Entscheid. Einig waren sich aber nicht alle Stimmberechtigten.

Annemarie Keusch

Der Wind habe gedreht, sagt Gemeindeammann Michael Weber. Knapp ein Jahr ist vergangen, seit er an der «Gmeind» für ein Ja plädierte. Ein Ja zu 115 000 Franken für vertiefte Abklärungen für eine mögliche Fusion von Boswil und Bünzen. Jetzt steht er vor den Stimmberechtigten und bringt wieder Argumente vor, Ja zu stimmen. Diesmal aber ist es Ja zur Beendung ebendieses vor einem Jahr gefassten Kredits. Ein Ja zum Ende der Fusionsabklärungen, ein Ja zum Alleingang von Boswil.

Fiel das Resultat vor Jahresfrist noch äusserst knapp aus, ist es diesmal klarer. Mit 56 Ja- gegenüber 27 Nein-Stimmen ist das Kapitel Fusion mit Bünzen vorläufig geschlossen. Dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nur gut ein Jahr später über das gleiche Thema abstimmen müssen, ist selten. «Die Ausgangslage hat sich in der Zwischenzeit verändert», sagt Gemeindeammann Michael Weber. Vor gut vier Jahren hätten die intensiven Gespräche zwischen den Gemeinden begonnen, eine Umfrage stimmte die Gemeinderäte positiv, also arbeiteten sie an einem möglichen Fusionsprojekt weiter. Die Zustimmung zum Kredit vor einem Jahr gabs in beiden Gemeinden nur knapp, in Bünzen folgte ein Referendum mit wiederum knappem Resultat.

Bauamtsentscheid als Knackpunkt

Grundlegend verändert habe sich die Ausgangslage in den letzten Monaten. Im Zuge von Rücktritten im Bünzer Gemeinderat wurden vier Neue gewählt, allesamt fusionskritisch. Und dann folgte die Bauamtsanalyse. «Das Resultat drückte aus, dass der Werkhof Boswil alle Aufgaben des Bauamts Bünzen qualitativ abdecken könne», führte Weber aus. Der Bünzer Gemeinderat entschied sich aus verschiedenen Gründen für ein weiterhin eigenständiges Bauamt. Es folgten Gespräche. «Wir appellierten an den Bünzer Gemeinderat, die neue Ausgangslage ihrer Stimmbevölkerung nochmals aufs Tapet zu bringen und nochmals abstimmen zu lassen. Und wir sagten klar, dass, wenn sie dies nicht tun, wir das Thema traktandieren werden», führt Weber aus. Der Gemeinderat wolle Initiative ergreifen. «Dass klare Resultate von Analysen trotzdem zu anderen Entscheiden führen, löst bei uns Bedenken aus.» Die Überzeugung zu einer Fusion fehle in Bünzen. «Es wäre schade, noch mehr Zeit und Geld zu investieren.»

Am Schluss ist es eine deutliche Mehrheit, die Webers Ausführungen folgt. Aber gänzlich ohne Diskussionen wurde der Entscheid nicht gefällt. Er könne verstehen, dass der Gemeinderat verärgert sei, meinte ein Stimmbürger. Gleichzeitig habe der Gemeinderat gewusst, dass im Bünzer Gemeinderat neu Leute sitzen, die gegen die Fusion sind. «Aus meiner Sicht haben sich die Rahmenbedingungen nicht verändert. Der Bauamtsentscheid steht nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der möglichen Fusion», führt er aus. Warum die Abklärungen nun abgebrochen werden sollen, sei für ihn nicht nachvollziehbar. «Mit einem Ja fallen wir der Bünzer Bevölkerung in den Rücken und machen das, was der Bünzer Gemeinderat will. Und es wird immer heissen, dass wir es waren, die den Prozess abbrachen.»

«Starkes Zeichen nach Bünzen»

Den Antrag zurückzuweisen, sei ein starkes Zeichen nach Bünzen. «Damit würden wir zeigen, dass wir zu unserem Entscheid vor einem Jahr stehen, dass wir uns vom Bünzer Gemeinderat nicht instrumentalisieren lassen. Damit würden wir uns nicht auf eine Fusion festlegen.» Es sei doch schade, wenn das Projekt scheitere, bevor fundierte Resultate und Abklärungen vorliegen. Seinem Rückweisungsantrag folgten aber nur 28 Stimmberechtigte, 54 sprachen sich dagegen aus. Mit dem klaren Ja zum Antrag des Gemeinderates sind die Abklärungen bezüglich einer möglichen Fusion also beendet.


Die weiteren Themen

Es war eine erfreuliche Jahresrechnung, die Vizeammann Jakob Dolder präsentierte. Statt eines Verlusts von knapp 300 000 Franken resultiert ein Gewinn von knapp 700 000 Franken. «Das freut uns natürlich, aber die bevorstehenden hohen Investitionen sind uns bewusst. Wir dürfen nicht euphorisch sein, sondern weiterhin sparsam», betonte er. Boswil wachse, mittlerweile sind es über 3000 Einwohner. «Da kommt einiges auf uns zu, etwa was die Infrastruktur betrifft.» So sieht es auch Finanzkommissionspräsident Thomas Hügli. «Wir werden die grossen Investitionen wohl nicht ohne Steuerfusserhöhung stemmen können.»

Mehrere dieser grossen Investitionen stehen im Bereich der öffentlichen Bauten und Anlagen bevor. Im November 2018 wurde ein Antrag des Gemeinderates zurückgewiesen. Es folgte eine detaillierte Ausarbeitung des Entwicklungspotenzials. Im November 2020 wurde ein entsprechender Projektierungskredit gesprochen. «In der Kommission hatten wir alle Bedürfnisse auf dem Tisch – der Schule, der Feuerwehr, der Vereine, der Verwaltung, des Werkhofs. Verschiedene Varianten wurden studiert, nun ist ein Szenario übrig geblieben», sagt Ammann Michael Weber.

In einem ersten Schritt sei ein Ergänzungsbau für die Schule geplant, inklusive Anpassungen in den bestehenden Schulhäusern für Gruppenräume. Als zweiter Schritt soll eine neue Doppelturnhalle im Bereich des roten Sportplatzes realisiert werden. Drittens ist geplant, anstelle der alten Turnhalle und des Zwischentraktes mögliche Neubauten zu realisieren. --ake


Die Beschlüsse

Von den 1929 Stimmberechtigten nahmen deren 89 an der Einwohnergemeindeversammlung teil. Ohne Diskussion sagten sie Ja zum Protokoll, zur Jahresrechnung, samt Rechenschaftsbericht, und zu den drei Kreditabrechnungen: Radwegverbindung Knoten Südstrasse–Muristrasse, Kanalisation Grundächer und Kanalisation Zentralstrasse–Bahnhofstrasse. Der Antrag, die Zustimmung zur Beendigung des Verpflichtungskredites vom 1. Juni 2021 betreffend vertiefte Abklärungen für einen allfälligen Zusammenschluss der Gemeinden Boswil und Bünzen zurückzuweisen, wurde mit 54 Nein- gegenüber 28 Ja-Stimmen abgelehnt. Dem Antrag des Gemeinderates folgte mit 56 Jagegenüber 27 Nein-Stimmen eine deutliche Mehrheit. Keine Diskussionen gab es zur Teilrevision des Abwasserreglements und zum Zusatzkredit zum Verpflichtungskredit vom 27. November 2008 für die Erschliessung Süd II. --ake


NACHGEFRAGT

«So erwartet»

Die Boswiler Stimmbevölkerung sagt Ja zur Beendigung des Verpflichtungskredites betreffend vertiefte Abklärungen für einen allfälligen Zusammenschluss von Boswil und Bünzen. Bünzens Gemeindeammann Marcel Riesen hofft, dass die Zusammenarbeit der beiden Gemeinden weitergeht.

Waren Sie überrascht vom Resultat in Boswil?

Marcel Riesen: Wir haben ein Stück weit damit gerechnet. Wenn der Gemeinderat diesen Antrag so stellt, war zu erwarten, dass die Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ihm folgt.

Wie fiel Ihre Reaktion aus?

Wir bedauern, dass unsere Beweggründe für den Bauamtsentscheid offensichtlich nicht verstanden worden sind. Zudem ist es schade, dass der Boswiler Gemeinderat damit argumentierte, dass der Bünzer Gemeinderat womöglich eine Fusion auch ablehnen würde, wenn die vertieften Abklärungen mehr Vorteile zutage führen. Es entscheidet nicht der Bünzer Gemeinderat, sondern die Bevölkerung beider Gemeinden.

Dass Sie grundsätzlich nicht Freund der Fusion sind, ist kein Geheimnis. Freuen Sie sich über die Beendigung?

Nein. Es geht darum, dass eine Mehrheit entscheidet. Es wird ab und zu Geschäfte geben, die das Volk anders beurteilt als der Gemeinderat. Wir und ich hätten uns damit abgefunden, wenn sich die Mehrheit beider Gemeinden für eine Fusion ausgesprochen hätte. Auch dann hätten wir versucht, das Beste für Bünzen herauszuholen.

Wie geht es nun weiter?

Wir machen uns an die Analysen, wollen wissen, weshalb unsere Vorgänger die mögliche Fusion anstrebten. Die Probleme, die dort aufgelistet wurden, probieren wir anzupacken. Eine Zusammenarbeit mit Boswil ist unsererseits weiterhin sehr erwünscht und wir werden diese weiterverfolgen, wie wir dies bei anderen Nachbargemeinden auch tun.

Was bleibt vom Hin und Her rund um die mögliche Fusion?

Wir gehen davon aus, dass keine der beiden Gemeinden Groll gegenüber der anderen hegt. Wir arbeiten in vielen Bereichen eng zusammen, etwa in der Feuerwehr, beim Steueramt oder beim Sozialdienst. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema hat gezeigt, dass noch mehr Potenzial vorhanden ist. Daran wollen wir anknüpfen. --ake


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