Wohlens Exportschlager Nummer 1

  27.05.2022 Wohlen

Die legendäre First Harmonic Brass Band feiert heute ihren 50. Geburtstag

Vor 50 Jahren starteten 12 Wohler eine Karriere, mit der wohl keiner von ihnen gerechnet hatte. Mehr aus Spass gegründet, begeisterte die FHBB als Showband das Publikum während 20 Jahren immer wieder von Neuem. Die Erinnerungen daran sind noch immer lebendig.

Chregi Hansen

Aus solchen Geschichten werden Legenden gestrickt. Es war irgendwann im Frühling 1972, als die Truppe aus Wohlen vor ihrem ersten Konzert stand. Und Pianist Herb Miller ganz aufgeregt im Stammlokal, dem Bahnhof buffet, auftauchte. «Die Veranstalter wollen Plakate drucken, wir brauchen sofort einen Namen», erklärte er. Alle am Tisch beteiligten sich spontan an der Diskussion.

Das Resultat: Als «1. Harmonics Brass Band» wurde das Orchester an der Instrumentenweihe der Musikgesellschaft Bünzen vom 27. Mai dann angekündigt. «Rolf Wernli wollte irgendwas mit harmonisch, ich war Fan vom Ausdruck Brass Band», erinnert sich Herb Miller. Und englisch sollte der Name sein – was sich später als Vorteil erwies, als die internationale Karriere begann. Aber davon waren die Wohler noch weit entfernt. «Es gab keine Pläne, wie es weitergehen sollte. Wir haben einfach mal losgelegt», sagt Rolf Wernli, der Dirigent des komischen Orchesters, heute.

Bei späteren Auftritten wurde das S in «Harmonics» gestrichen und dafür die Nummerierung «1.» plötzlich ausgeschrieben, die «First Harmonic Brass Band» war geboren und die Abkürzung FHBB wurde zur Marke, welche 20 Jahre lang Erfolge feierte.

Gar nicht so einfach, schlecht zu spielen

Doch zurück zum Anfang. Heute vor genau 50 Jahren fand also der allererste Auftritt statt. Zumindest offiziell. In einer ähnlichen Formation war die Truppe an einem Firmenanlass der UBS aufgetreten. «Der SBG», wie der frühere Bankkassier Hubert Tschibi Schneider schmunzelnd präzisiert. Er hatte den Auftritt eingefä- delt, bei dem Rolf Wernli endlich seinen Traum von einem komischen Orchester verwirklichen konnte. Dabei dienten ihm «The Nitwits» aus England als Vorbild. Für das Projekt schlossen sich Teile der Guggenmusik «Sportschränzer» mit Musikern der eben aufgelösten Tanzband «hei mubedi» zusammen. «Die eine Hälfte konnte musizieren, die andere nicht. Aber wie hat jemand mal so schön gesagt: Es ist fast schwerer, falsch zu spielen als richtig», sagt Walter Wädi Bächer, der zu der Fraktion der Nicht-Musiker gehörte.

«Hei mubedi» war sehr bekannt und beliebt in der Region. Und darum bekam Herb Miller öfters Anfragen, ob er jemand anders empfehlen kann. So war es auch bei der Premiere in Bünzen, zu der er seine neue Formation vorschlug. «Wir haben im Vorfeld intensiv geprobt und eine Hauptprobe vor Freunden gegeben», erinnert sich Schneider. 400 Franken betrug die Gage für die damals 14 Mitglieder. Einer gab prompt wieder den Austritt. «Sollte nach jedem Auftritt ein Künstler die Truppe verlassen, wäre der FHBB eine kurze Lebenszeit beschieden», notierte Erwin Müller in der Chronik. Zum Glück kam es anders.

Auf der Bühne Chaoten, bei den Proben hochkonzentriert

Der Auftritt in Bünzen war ein Erfolg, es folgten weitere, so am Eisfest in Wohlen. Oder – vermittelt durch Max Forster – am Jubiläum des Bobverbands Zürich. Im Rückblick ein Glücksfall, sass hier doch «Kindli»-Wirt Jules Schmid im Publikum, dieser liess seine Beziehungen spielen und vermittelte Kontakte zu einer Künstleragentur. Und wieder kam der FHBB ein günstiger Zufall zu Hilfe. Kurz zuvor hatten sich die «Comedian Harmonics» aufgelöst. Und weil deren Mitglied Joe Bürli für die Künstleragentur arbeitete, welche jetzt die FHBB betreute, lag es nahe, sie als Ersatz anzupreisen. «Lustige Showorchester waren Mangelware, daher waren wir von Anfang an sehr gefragt», erklärt Miller.

Die First Harmonic Brass Band machte schnell Karriere. Obwohl sie auf der Bühne als Chaoten auftraten, waren die Mitglieder bei den Proben sehr konzentriert. Den Hauptteil des Programms gestalteten Rolf Wernli und Dieter Studer, der die Vorschläge von Wernli musikalisch arrangierte. «Aber jeder konnte Ideen einbringen in der Probe», erklärt Bächer. «Mancher Gag entstand auch spontan während des Auftritts.» Oft kam dann das ganze Orchester nicht mehr aus dem Lachen heraus. «Es war unser Vorteil, dass das Publikum immer meinte, das gehöre zum Programm», so Schneider.

Carrell wollte sie rausschmeissen

Schon 1975 folgte der erste TV-Auftritt, bei Rudi Carrells «Am laufenden Band». Der wäre allerdings fast in die Hosen gegangen. Denn Carrell war ein grosser Fan von «The Nitwits» und sah nach dem Probedurchlauf in der FHBB bloss eine billige Kopie und wollte sie nicht dabeihaben. Die Wohler durften dann doch auftreten, mussten aber den Auftritt von 12 auf 8 Minuten kürzen. «Die ganze Nacht vor der Show haben wir uns überlegt, was wir ändern können», erinnert sich Wernli. Der Auftritt wurde ein Erfolg – und kann heute noch auf Youtube bewundert werden.

Es folgten weitere Fernsehauftritte, insgesamt waren es deren 32. Die FHBB trat in so bekannten Sendungen auf wie «Zum doppelten Engel», «Der grosse Preis», «Teleboy» oder «Wetten dass …». Und erreichte so ein grosses Publikum. «Damals sass noch die ganze Familie gemeinsam am Samstagabend vor dem Fernseher, und alle sahen uns», freut sich Bächer. Immer wieder wurde am Programm gefeilt, wurde es verbessert und erneuert. Die Wohler Amateure standen mit Stars auf der Bühne wie Catarina Valente, Roy Black, Karel Gott, Harald Juhnke, Ivan Rebroff und vielen anderen. Sie spielten in diversen Ländern wie Deutschland, Österreich, Frankreich, Ägypten und sogar in England.

Jeden Tag von England in die Schweiz geflogen

Solche Engagements waren für die berufstätigen Familienväter nicht immer so einfach einzurichten. «Wir haben immer demokratisch abgestimmt, ob wir einen Auftritt annehmen oder nicht. Und das Ergebnis wurde von allen akzeptiert», erklärt Schneider, der alle Anfragen entgegennahm. Darum mussten sie beispielsweise schweren Herzens einen Auftritt in Schweden ablehnen. Und manchmal brauchte es spezielle Lösungen. So flog Lehrer Erwin Müller, der keine Ferien beziehen konnte, beim mehrtägigen Engagement in England jeden Tag von der Schweiz nach England und zurück. Mit der Zeit hatte sich die FHBB einen solchen Namen gemacht, dass auch mal ein Schnellzug spätnachts einen ausserplanmässigen Halt am Bahnhof Wohlen machte, damit die Mitglieder nach einem Konzert noch nach Hause kamen.

Auch wenn sie mit vielen Stars auf der Bühne standen, fühlten sie sich nie so. «Wir waren immer Amateure. Aber unsere Show war auf einem höchst professionellen Niveau», schaut Miller auf die Erfolge zurück. Dass sie 20 Jahre zusammenbleiben, das hätten sie sich nie vorstellen können, sagen die vier heute. «Aber wir hatten es immer gut miteinander. Auf und neben der Bühne. Wir waren eine verschworene Gemeinschaft», betont Bächer. Noch heute treffen sich die zehn noch lebenden Mitglieder mehrmals jährlich und schwelgen in Erinnerungen.

Trotz aller Planung konnten nicht immer alle 12 dabei sein. Vor allem Dieter Studer musste wegen seiner vielen anderen musikalischen Engagements häufiger passen und wurde mit der Zeit immer mehr von Paul Weber abgelöst. Auch Rolf Wernlis Sohn musste ab und zu einspringen – vielleicht der Grund, dass dieser heute mit den «Hardy’s Bubbles» auf der Bühne steht. Und im Gegensatz zu seinem Vater den Wohler Kulturpreis gewonnen hat – den gab es zu Zeiten der FHBB noch nicht. Dafür erhielten diese den Ehren-Prix-Walo.

Vor 12 000 Zuschauern gespielt

Auf der Bühne waren die 12 Wohler Stars, zu Hause in Wohlen blieben sie der Lehrer, der Ingenieur, der Bauleiter, der Vertreter oder der Betriebsleiter von nebenan. «Es gab einige wenige, die waren etwas neidisch. Aber die meisten haben uns den Erfolg gegönnt», berichtet Bächer. Sie spielten vor 12 000 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle, aber auch mal vor nur 29 Leuten im Parkhotel Vitznau. Sie wurden für Kreuzfahrten gebucht und für Silvestergalas. «Wir waren aber alle auch Familienväter. Wir konnten nicht dauernd unterwegs sein. Darum gab es immer auch Wochen, die für Ferien gesperrt waren», erklärt Schneider. Und bei grösseren Anlässen nahmen die Wohler manchmal auch ihre Frauen mit. Kein Wunder, schwärmen heute noch alle von der tollen Zeit.

Aufhören, wenn es am schönsten ist

Doch fast am liebsten spielten sie zu Hause im Casino. «Der Saal war immer bumsvoll und die Stimmung bestens», sagt Wernli. So auch bei ihrem Abschiedskonzert, gleich neunmal mussten sie auftreten, so gross war das Interesse. Am 5. Dezember 1992 war offiziell Schluss. Eine für das Jahr 1993 geplante Amerikareise musste abgesagt werden. Es folgen noch zwei Galaauftritte. Dann ist Schluss.

Das Ende war geplant. «Die Belastung wurde mit der Zeit immer grösser», berichtet Herb Miller. Und die Anfragen trafen immer weiter im Voraus ein. «Wir mussten uns jeweils frühzeitig überlegen, ob wir das kommende Jahr noch machen oder nicht. Und für uns war klar: Entweder machen alle weiter oder keiner», ergänzt Tschibi Schneider. Schliesslich standen zwei Möglichkeiten im Raum. Weitermachen bis zum 25-Jahr-Jubiläum. Oder der Schlussstrich nach 20 Jahren. Es wurde die zweite Variante. Dabei blieb es. «Ein Comeback war für uns nie ein Thema. Es war gut so, wie es war», sagt Dirigent Rolf Wernli. «Das Schönste ist doch, dass wir bis heute Freunde geblieben sind», meint darum Wädi Bächer zum Schluss. Und darum werden sie heute irgendwo zusammen feiern. Und sich gegenseitig so manche Anekdote erzählen.


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