Im Spatz durchs Freiamt

  03.05.2022 Wohlen

12. Internationales Microcar-Treffen in Wohlen auf der Kartbahn: Die Samstagsrallye hatte es in sich

Die 86-Kilometer-Rallye im grünen Cabriolet Spatz bleibt in Erinnerung. Was frühlingshaft und entspannt in Waltenschwil begann, endete nass und abrupt in Fahrwangen. An der Bahnhofstrasse war Endstation.

Simon Huwiler

Mit Blick auf den Hallwilersee führt die idyllische Ausfahrt von Seengen nach Meisterschwanden. Ein paar graue Wolken trüben den Himmel. Nicht weiter schlimm. Denkt man. Dann passierts. Wie aus dem Nichts hagelt es Eiskörner vom Himmel – auf den Spatz, in den Spatz, auf die Köpfe im Spatz. Heinz Forster fährt rechts ran. Aussteigen, Kofferraum öffnen, Stoffdach herausnehmen. Dach aufsetzen, Riemen verankern. Das geht flott. Doch nicht flott genug. Die weisse unbeliebte Pracht macht sich über den hellbraunen Sitz breit. Unaufhaltsam. Da muss man durch. Auf nassem Untergrund gehts weiter. Ins nächste Abenteuer.

An der Bahnhofstrasse ist Endstation

Der Spuk dauerte nur wenige Minuten. Ein paar Regentropfen später zeigt sich bereits wieder die Sonne und das Ortsschild von Meisterschwanden. Nicht mehr weit bis zum letzten Posten hoch über Bettwil. Doch dann: Am Ende der Bahnhofstrasse ist Endstation für den Spatz und seine zwei durchnässten Mitfahrer. Der Spatz hat ausgezwitschert, die Batterie will nicht mehr. Improvisation ist gefragt. Während der Abschleppdienst sich auf die Reise macht, gehts für den Reporter im knallgelben Goggomobil von Bruno Riesen weiter. Diesmal mit Dach über dem Kopf. Mit dem Goggomobil war Riesen einst am Nordkap, kennt sich also mit schwierigen Witterungen bestens aus. Nun bringt es die beiden Passagiere zurück nach Waltenschwil. Dahin, wo das Abenteuer begann.

Der grüne Spatz aus Bayern

Heinz Forsters Träume gingen früh in Erfüllung. Bereits auf seinen 11. Geburtstag schenkte ihm sein Vater den Spatz – ein Auto des deutschen Herstellers Bayerische Auto-Werke. Ein typischer Microcar: Jahrgang 1956, 4 Gänge, knapp 200 ccm, ein paar wenige PS. «Doch der Zustand des Autos war himmeltraurig», erinnert sich Forster. So begann er ihn Jahre später Schraube für Schraube zu zerlegen. Sein Beruf kam ihm gelegen – Automechaniker. Vieles hat er mittlerweile selbst instand gesetzt. Als Pensionär hat er mehr Zeit dazu.

An der Samstagsausfahrt führt der Rundkurs von Waltenschwil über Bünzen, Zufikon, Stetten, Möriken, Hägglingen und Meisterschwanden zurück an den Startort.

Forster: «Den gebe ich nicht mehr her»

Die schönsten Strecken im Freiamt. Insbesondere jetzt, im Frühling. Und dann noch in einem Cabriolet wie dem Spatz. Weiche Sitzbank. Ohne Türen: Einsteigen wird zum Reinspringen. Die Windschutzscheibe ist so klein, entweder duckt man sich leicht oder blickt beinahe darüber und damit direkt in den kühlen Fahrtwind. Ein tolles Gefühl. Eines, das Forster seit über 50 Jahren kennt. Denn so lange schon zwitschert der Spatz auf sein Kommando. «Den gebe ich nicht mehr her. Er ist einzigartig.» Weltweit gibt es geschätzt noch eine Handvoll.

Eine Rallye mit Spiel und Spass

Die Samstagsrallye ist ein Klassiker am Microcar-Treffen. Es ist nicht einfach eine Ausfahrt – Spiel und Spass stehen im Vordergrund. Am Flachsee müssen die Teilnehmenden Blaumeise, Wiedehopf und Eisvogel erraten, in Nesselnbach Bäume anhand ihrer Rinde erkennen, in Möriken die Breite des eigenen Autos schätzen. Es geht um viel mehr, als mit kleinen Autos durch die Gegend zu fahren. «Es tut so gut, zwei Tage hier zu sein. Wo überall Leute über Leidenschaft sprechen, vergisst man den ganzen Rest, der in der Welt passiert», erzählt Jacques Cornu, ehemaliger Weltmeister der Langstrecken-Motorrad-Rennserie. Er ist mit seinem neu restaurierten Fuldamobil in Wohlen. Nur fünf Kilometer ist er bislang damit gefahren, feiert Premiere am Microcar-Treffen. Auf der Kartbahn nimmt er gemächlich Kurve für Kurve. Für die Rallyes reichts dieses Jahr noch nicht. Vielleicht in vier Jahren dann.

Abenteuer bleibt in Erinnerung

Beim Spatz sinds deutlich mehr Kilometer. Genügend, sodass Heinz Forster sich auf Achse von Diessenhofen im Schaffhausischen nach Waltenschwil zu fahren traute. Ob er den Weg zurück auch im Spatz in Angriff nehmen darf, das hängt ganz von dessen Laune ab. So oder so: Dieses Abenteuer bleibt in Erinnerung.


Ein seltener Russe …

Die SMZ von Stefan Höltken ist eine Rarität

Sie ist so dunkelblau wie die Ostsee. Und so selten, dass sie selbst einer wie Bernhard Taeschler noch nie gesehen hat. Die SMZ S3A von 1966. Über Litauen und Deutschland fand sie den Weg ans Microcar-Treffen.

Manchmal braucht man einfach ein wenig Glück. So wie Stefan Höltken und die Geschichte seiner SMZ. «Ich liebe halt solche Kleinfahrzeuge und lese immer mal wieder Inserate. Und dann irgendwann findest du mal so was im Internet», erzählt er. Das dunkelblaue Auto stand in Litauen in einer Militärausstellung. Dort passte das Auto irgendwie nicht mehr so richtig rein, und so stand es zum Verkauf. Und Höltken war zur richtigen Zeit auf dem richtigen Inserate-Portal.

«Man weiss nie so recht, ob man ankommt»

Das Fahrzeug von 1966 hat einen für Microcars ziemlich typischen 350-ccm-Motor und leistet 9,5 Pferdestärken und fährt so um die 55km/h – wenns geradeaus geht. Das reicht, um beim Microcar-Treffen seine Runden zu drehen. «Doch auf Achse hätte ich nicht hierherfahren können», lächelt Höltken, «da hätte ich einen Anhänger voller Ersatzteile mitnehmen müssen.» Von Dülmen in der Nähe von Münster bis nach Waltenschwil zur Kartbahn sind es 600 Kilometer. Die SMZ ist für den Deutschen ein reines Hobbyauto, das auch nicht so laufen muss wie ein Alltagswagen. «Es klappert und rappelt und man weiss halt nie so recht, ob man ankommt, da immer mal wieder was kaputtgeht.»

Wie so oft bei den Microcars finden sich Ersatzteile von ganz anderen Autos und Marken dieser Welt. Braucht Höltken mal einen neuen Zylinderkolben, so findet er diese bei einem sowjetischen ISCH-Motorrad. Treffen wie jene in Wohlen sind es, was Höltken begeistert und wo er sich wohlfühlt. «Mein Ziel ist es, irgendwann mal alle diese Treffen besucht zu haben.» Erst gehts aber wieder zurück Richtung Münster. Da darf die SMZ wieder bequem auf dem Anhänger Platz nehmen. --hus


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