«Rössli» ist dem Erdboden gleich

  22.04.2022 Bünzen

Die Abbrucharbeiten beim «Rössli» in Bünzen sind nach drei Wochen beendet

Im Mai letzten Jahres stiegen dicke Wolken auf über dem «Rössli». Das Gebäude brannte und löste einen grossen Feuerwehreinsatz aus. Mittlerweile ist die Brandruine beseitigt. Besitzer Jörg Rosenberg sagt, wie es mit dem Grundstück im Herzen Bünzens weitergehen soll.

Annemarie Keusch

Die Bilder sind noch nicht aus Jörg Rosenbergs Kopf verschwunden. «Ich war am Kochen», sagt er. Das Telefon habe geklingelt, ein Nachbar des «Rössli» sei am Apparat gewesen. «Hast du gehört? Es brennt.» Sofort habe er sich auf den Weg zum «Rössli» gemacht. «Und da sah ich das Ausmass.» Die Flammen loderten. Dunkler Rauch stieg meterhoch auf und zig Feuerwehrleute standen stundenlang im Einsatz. Das war am 16. Mai letzten Jahres. Bis Anfang April zeugte die Brandruine vom Grossbrand. Jetzt ist auch diese verschwunden.

Ursache weiterhin unklar

Warum das «Rössli» brannte, weiss Besitzer Jörg Rosenberg bis heute nicht. «Die Ursache zu wissen, das wäre für mich emotional wertvoll», sagt Rosenberg. Seine Aussagen machte er gegenüber der Polizei damals noch auf dem Brandplatz. Er äusserte seine Vermutung, dass Jugendliche am Ursprung des Feuers sein könnten. «Natürlich nicht extra, vielleicht haben sie einen Zigarettenstummel liegen gelassen.» Aber eben, Antworten bekam er nie. «Es kam niemand zu Schaden, niemand wurde verletzt, das Haus stand vorher schon jahrzehntelang leer. Da hat diese Aufklärung vielleicht auch bei der Polizei nicht oberste Priorität», mutmasst er.

Mittlerweile ist dieses Thema für den 73-Jährigen abgeschlossen. Schon vor dem Brand hatte er Ideen, was auf dem Grundstück, auf dem über 20 Jahre lang das leer stehende «Rössli» stand, passieren soll. Nun ist er einen Schritt weiter, der Abbruch der Brandruine ist abgeschlossen. Aber der Weg zum fertigen Bauprojekt ist noch lang. Rosenberg sucht Investoren. Und er sagt: «Ich will an diesem zentralen Ort das Dorf beleben.» Die emotionale Bindung zum «Rössli», dem Haus, in dem er aufwuchs, sei immer noch da.


Die vielen Erinnerungen bleiben

Jörg Rosenberg ist im «Rössli» aufgewachsen – nun gab er den Auftrag zum Abbruch

Über 20 Jahre stand es leer, letzten Mai brannte es ab. Aber vorher war das «Rössli» ein Ort der Begegnung. Etwa als Jörg Rosenberg als einer von sechs Söhnen des Wirtepaars hier aufwuchs. Dass der Ort im Zentrum des Dorfes wieder mehr lebt, ist sein Anliegen. Konkrete Pläne hat er aber nicht.

Annemarie Keusch

Bis zu 150 Leute seien es an Maskenbällen gewesen. Jörg Rosenberg lächelt, während er in Erinnerungen schwelgt. «Das ‹Rössli› war damals der Landgasthof im Dorf und darüber hinaus», sagt er. Als Jüngster von sechs Brüdern ist er im Restaurant aufgewachsen. Seine Tante kochte, seine Mutter wirtete. «Sie war eine gute Wirtin, quasi die Dorfpsychologin», sagt er.

Die Vereine, die Gemeinderäte – alle Menschen des Dorfes kamen ins «Rössli». Ob für Generalversammlungen, Hochzeiten, Leidmahle, Konzerte, Theater – oder eben den Maskenball. «Wir hatten immer viele Leute im Haus, auch in der Wohnung.»

Es sind viele Erinnerungen, die Jörg Rosenberg an seine Jugend im «Rössli» hat. Als er am Restauranttisch sass, um Hausaufgaben zu lösen. Oder als in der Wohnstube auch Gäste verköstigt wurden, wenn der Platz bei grösseren Anlässen eng wurde. «Etwa wenn meine Tante Stockfisch kochte. Dafür war sie weitherum bekannt.»

«Bünzgeischter» nutzten es zuletzt

Vom alten Glanz, vom hektischen Leben im «Rössli» ist seit vielen Jahren nichts mehr spürbar. Rosenbergs Eltern verstarben relativ jung, ein Bruder übernahm für einige Jahre, seither ist das Restaurant Geschichte. «Es stehen zwei Jahrzahlen auf den Fassaden. 1790 wurde das Haus gebaut, 1933 angebaut und renoviert. Sonst passierte nicht viel, entsprechend hoch wären die Sanierungskosten gewesen, um es verpachten zu können.» Genutzt wurde das Gebäude in den letzten Jahren nur noch sporadisch – zuletzt von der mittlerweile aufgelösten Guggenmusik «Bünzgeischter».

Seit der Erbteilung gehört das «Rössli» Jörg Rosenberg. Bis vor zehn Jahren war er nicht mehr in Bünzen zu Hause. «Ich verlor den Bezug zwischenzeitlich», sagt er. Aber verkauft hat er das Restaurant nie. Dafür war es ihm zu wichtig. «Ich wollte immer etwas aus dem ‹Rössli› machen, wenn ich die Zeit dafür habe.» Rosenberg war 36 Jahre lang im Bauprojektmanagement des Flughafens Zürich tätig, machte sich nachher in diesem Bereich selbstständig. Seit Jahren ist der 73-Jährige nun pensioniert und hat Zeit. Schon vor dem Brand liess er eine Studie ausarbeiten. Seine Idee: den Volumenschutz auf zwei Baukörper aufteilen, im Erdgeschoss Platz für Gewerbefläche, in den Obergeschossen Wohnraum schaffen. «So könnte man Leben ins Zentrum bringen», ist er überzeugt.

Emotionale Verbindung ist nach wie vor da

Dass es kein 08/15-Projekt wird, ist dem Bünzer wichtig – wohl auch aus Berufsstolz, aber in erster Linie, weil es ihm nicht egal ist, was anstelle des niedergebrannten und mittlerweile abgebrochenen «Rössli» entsteht. «Ich hätte die Parzelle schon mehrmals Spekulanten verkaufen können, werde das aber ganz sicher nicht tun.» Die Folge davon: Die Gefahr ist gross, dass das Grundstück längere Zeit brachliegt. «Ich finde lieber die richtigen Investoren, als möglichst schnell jemanden, der herzlos investiert.» Momentan sehe es so aus, dass er entweder das persönliche Projekt noch weiterentwickle und dann einen Investor suche oder seine jetzigen Ideen und die Studie einem Investor übergebe. «Das ist doch Indiz genug, dass auch der Brand die emotionale Verbindung mit dem Gebäude, diesem Ort nicht auf löste», sagt er. «Sonst wäre mir die Qualität dessen, was hier gebaut wird, doch egal.»

Im ehemaligen Garten ein Projekt realisieren

Ganz loslassen will Jörg Rosenberg aber nicht. Vis-à-vis der Dorfstrasse gehört eine kleine eingezonte Gartenparzelle zum «Rössli». Dort will Rosenberg selber etwas realisieren. Zwei Wohnungen, eine davon eine Alterswohnung, schweben ihm vor. «Aber das beginnt frühestens in einem Jahr.» Auch hier ist ihm Qualität wichtig. «Das Herz von Bünzen liegt mir am Herzen», sagt er und lächelt.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote