Zwei Monate in Südafrika

  08.04.2022 Boswil

Der Boswiler Jakob Dolder erfüllte sich einen Traum. 55 Tage lang liess er sich im Busch Südafrikas zum «Nature Guide» ausbilden und machte spannende Erfahrungen. --ake


Ganz nah an den Wurzeln

Der Boswiler Jakob Dolder absolvierte eine zweimonatige Ausbildung zum «Nature Guide» in Südafrika

Er darf Gruppen in einem Auto durch Wildtierreservate führen. Dafür verbrachte Jakob Dolder 55Tage im südafrikanischen Busch, lernte Flora und Fauna kennen. «Das Interesse für Afrika war immer da. Aber ich wollte noch mehr wissen», sagt er über seine Motivation. Und der Boswiler hat Pläne, wie er seine Ausbildung einsetzen will.

Annemarie Keusch

Jakob Dolders Augen funkeln wieder. So, als sitze er wieder im Zelt im südafrikanischen Busch. «Ich wollte nur meine Kamera holen», sagt Dolder. Ins Zelt kam er, raus nicht mehr. «Zwei Elefanten standen unmittelbar davor. Da bleibt einem das Herz schon kurz stehen, vor Respekt, aber auch vor Faszination.» Ruhig habe er mit ihnen gesprochen. «Ob das etwas bringt, darüber scheiden sich die Geister. Auf alle Fälle zogen sie von dannen.» Es sind die Elefanten, die ihn in Afrikas Fauna ganz besonders in den Bann ziehen. «Ich könnte Elefantenherden ewig beobachten. Wie intelligent sie sind. Erziehung, Loyalität, das Verhalten in der Gruppe – es ist faszinierend.»

In den zwei Monaten in Südafrika ist er ihnen mehrmals hautnah begegnet. «Sie spazierten etwa seelenruhig durchs Camp. Und einmal kam ein grosser Bulle so nah, dass ich ihn hätte berühren können. Vor Rührung hatte ich Tränen in den Augen.» Vielleicht auch, weil Begegnungen mit Wildtieren in diesem Gebiet Südafrikas nicht selbstverständlich sind. «Wegen der vielen Büsche kommen kaum Touristen hierher, weil die Tiere dadurch schlechter sichtbar sind.» Jakob Dolder war das egal. Er ging nicht, um möglichst viele Schnappschüsse von wilden Tieren zu machen, auch wenn er gern immer wieder die Kamera zückte.

In Belgisch-Kongo geboren

«Ich ging nach Südafrika, weil ich mehr wissen wollte», sagt Dolder, der in der Schweiz als Produktmanager tätig ist. Zwei Monate nahm er sich dafür eine Auszeit, sparte die Ferien des letzten Jahres auf. «Dass mein Arbeitgeber diesem Experiment zustimmte, dafür bin ich sehr dankbar», sagt Dolder, der im nächsten Jahr pensioniert wird. Sein Ziel war Afrika, nach Recherchen im Internet wurde es Südafrika. Er informierte sich über verschiedene sogenannte «Eco Trainings» und fand die «Field Guides Association of Southern Africa». «Die einzige Vereinigung in Afrika, die die Guide-Ausbildung auf Berufs-Level hebt.» Und genau das suchte Dolder, eine strenge, intensive und fundierte Ausbildung, mit Lehrplänen und vereinbarten Zielen.

Zwei Jahre ist es her, dass dieses Projekt für ihn konkret wurde. Vor einem Jahr meldete er sich an und jetzt sitzt Jakob Dolder am Tisch in Boswil und hat die anspruchsvolle Ausbildung bestanden, darf nun Touristen in einem Auto durch Wildtierreservate führen. Wie kam dieser Traum überhaupt zustande? Dolder lächelt. «Ich wurde in Afrika geboren. Und die Afrikaner sagen, im Alter kehre man zu seinen Wurzeln zurück.» Dazumal hiess das Land Belgisch-Kongo. Eineinhalbjährig war Jakob Dolder, als die Familie 1961 das Land wegen der Unabhängigkeitskriege verlassen musste. «Das Interesse für diesen Kontinent, die Faszination, blieb.» Auf Safaris sei er mehrmals gewesen. Aber eben, Dolder wollte mehr wissen.

Ein Zelt als «Hotel»

Zwei Monate verbrachte er im südafrikanischen Busch, gut vier Autostunden von Johannesburg entfernt. Das Zelt war sein «Hotel». Um vier Uhr war Tagwache, wer Dienst hatte, also für die anderen Kaffee zubereitete, stand noch früher auf. Zwischen Touren durch das Gebiet, sogenannten «Game Drives», war Zeit zum Lernen und Unterricht, «wie wir ihn von der Schule kennen». Die Bandbreite sei gross gewesen. Vom Reifenwechsel an den Fahrzeugen über das Erkennen von Spuren der verschiedenen Wildtiere, Geologie, Kultur und Geschichte Afrikas, das Kennen von 30 verschiedenen Bäumen bis zum Zuordnen von Tierstimmen. «Jeden Samstag kamen 20 Vogelstimmen dazu. Am Schluss waren es 105, die es zu erkennen und zuzuordnen galt. Das war für mich die grösste Herausforderung. Einerseits, weil sie teilweise sehr ähnlich klangen, etwa die Schreie der Raubvögel. Andererseits, weil es bei den Vögeln auch Dialekte gibt. Je nach Region singen die Vögel etwas, als es auf der Lernapp tönte.»

Aber auch das hat Dolder geschafft. Er ist einer der acht von zwölf Teilnehmenden, die die Ausbildung bestanden. Und neben dem Schulstoff nahm der 62-Jährige viel weiteres Wissen mit in die Schweiz. Er lacht. «Etwa, wie wichtig es ist, den Schlafsack zu kontrollieren, bevor man sich hineinlegt, damit man sich nicht in Skorpione legt.» Nein, Angst habe er nie gehabt. Auch nicht, als er Auge in Auge mit einem Elefanten stand. «Der Respekt ist immer wichtig», sagt er. Falsche Sicherheit sei das Gefährlichste.

Touren in Kenia, Uganda und Tansania

Ganz vieles über Land und Leute, über Tiere und Pflanzen und über das Zusammenleben von Tieren und Menschen hat Jakob Dolder in den zwei Monaten in Südafrika gelernt. «Ich habe das primär für mich gemacht», sagt Dolder. Trotzdem verfolgt er das Ziel, diese Ausbildung nach seiner Pensionierung auch zu nutzen. «Safaritouren auf Deutsch gibt es kaum, solche werde ich anbieten», sagt er. Die Idee sei es, dass er während zwei, drei Monaten des Jahres in Afrika – primär in Kenia, Tansania und Uganda – bleibt und dort Touren anbietet.

Mit der 55-tägigen Ausbildung ist Jakob Dolder gewappnet dafür. Und der Boswiler versucht das Gelernte à jour zu halten. «Die 105 Vogelstimmen repetiere ich regelmässig», sagt er. Die Faszination für den Kontinent Afrika sei vor dieser Auszeit gross gewesen. «Und jetzt ist sie noch grösser.» Diese will er ab nächstem Jahr auch Touristinnen und Touristen weitergeben.


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