Ratschläge und viel Humor

  29.03.2022 Wohlen

Elternbildungstag Freiamt

Rein schon die Titel der verschiedenen Kurse klingen nach den Herausforderungen in der Erziehung. «Humor im Eltern-Alltag» oder «Wie oft muss ich dir das noch sagen?» oder «Achtung, Gehirn im Umbau». Das Angebot beim Elternbildungstag Freiamt war vielfältig. Und deshalb durften über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüsst werden. Die grösste Aufmerksamkeit war jedoch Jan-Uwe Rogge gewiss. Der Erziehungsexperte glänzte bei seinem Referat mit ganz viel Humor – obwohl er etliche Beispiele aus dem ganz normalen Alltag machte. --dm


Lachen als Erfolgsrezept

Elternbildungstag im BBZ Freiamt: Referat von Erziehungsexperte Jan-Uwe Rogge wusste zu begeistern

Dieser Mann ist eine Wucht. Er kritisiert Eltern, belegt die Kritik mit Alltagsgeschichten – und die Eltern lachen am Laufmeter. Jan-Uwe Rogge zeichnet verbal Lebensweisheiten in Bildern und ist mit dieser Taktik mehr als ein origineller Erziehungsberater.

Daniel Marti

«Kinder sind ein wunderbares Geschenk», sagt Jan-Uwe Rogge. «Und Kinder finden Eltern ätzend.» Das ist natürlich kein besonders schmeichelhaftes Kompliment für jene Bevölkerungsgruppe, die in der BBZ-Aula vor ihm sitzt. Eben Eltern. Knapp über 100. Aber Rogge hielt den Eltern am Elternbildungstag den Spiegel hin und leistete damit allerbeste Unterhaltung. Manche Besucherin, mancher Besucher erkannte sich in den doch auch schrägen Erklärungen des Experten. Rogge ist Erziehungsberater, aber auch Entertainer. Sein Auftritt werde ein Genuss, prophezeite das OK. Und behielt recht damit.

Nicht ständig beobachten

«Erziehung hat mit Lachen zu tun», so Rogge, der mehr als einmal Pestalozzi zitierte. Man müsse dreimal täglich lachen, einmal mit einem Kind, einmal über sich selber und einmal gemeinsam. Kinder mögen lachende Eltern. «Und machen Sie Fehler», lautete ein weiterer Ratschlag. «Denn Kinder mögen es, wenn die Eltern mal sagen, ich weiss es nicht.» Auch mit einer Spur Gelassenheit kommt man weiter, erreicht man mehr. Stärken und Macken sind laut Rogge ganz normal. Bei Kindern und Eltern.

Jan-Uwe Rogge, 75-jährig, stand locker auf dem Podium im BBZ Freiamt. Er war nie belehrend, nie besserwisserisch. Er erzählte aus dem Alltag. Selbst wenn der Experte aus Deutschland etwas Kritisches anmerkte, erntete er positive Stimmung. Eine seltene Gabe. Und auf dieser Basis kommen auch seine Kritikpunkte bestens an.

Er nannte gleich Kritikpunkte aus Sicht der Kinder. Nummer eins: «Beobachtet mich nicht.» Kinder müssen nicht immer und in jeder Situation umsorgt sein. Letztlich denken Kinder: bloss nicht so werden wie die Eltern. «Und unter Kindern gibt es keine Basisdemokratie», warnt Rogge. «Der Siebenjährige gibt halt dem Fünfjährigen auf den Deckel. Und der Fünfjährige denkt sich, warte nur, in vier Jahren bin ich neun …»

Die zwei schwierigen Phasen

Kritikpunkt zwei: Die Eltern können nicht mehr mit den Kindern reden, denn sie wissen laut Rogge alles besser. Nur: Kinder wollen Eltern, die klar sind. «Sagt den Kindern, was ihr wollt.» Kritikpunkt drei: Alle müssen an einem Strang ziehen. «Kinder spüren doch, dass dies nicht alles ist. Die denken: Es muss doch ein tolles Leben geben», so Rogge.

Kinder soll man so annehmen, wie sie sind. Und sie sollen eben nicht so geformt werden, wie die Eltern die Kinder wollen. Auch pauschale Rollenzuteilungen mag er nicht.: «Mein Kind ist ein Einzelkind», jammern bei ihm viele Mütter. «Ja dann zeugt doch ein zweites», lautet seine lockere Antwort.

«Es gibt zwei schwierige Phasen: Trotzalter und Pubertät, da müssen die Kinder einfach durch – die Eltern übrigens auch.» Wenn das kleine Kind aufsteht und gehen lernt, sei das auch eine «Unabhängigkeitserklärung». Im Sinne: Schaut her, ihr werdet viel Freude an mir haben. Wer glaubt, nach dem kleinen Trotzalter, von zwei bis fünf, Licht am Ende des Tunnels zu sehen, der täuscht sich. Das grosse Trotzalter, von zwölf bis fünfzehn, könne viel heftiger sein. Und die Eltern haben dabei immer die gleiche Aufgabe, das Kind so anzunehmen, wie es ist. «In jeder Situation.» Das Rogge-Beispiel: Der 17-jährige Sohn wird um 5 Uhr morgens von der Polizei nach Hause gebracht. Bekifft, besoffen. Was macht man da? Der Polizei Danke sagen und ihr versichern, dass man den Sohn in diesem Zustand sicher nicht hatte weggehen lassen … Den Rest erst zehn Stunden später klären. Und dann sagen, dass dies nicht geht, dass man sich Sorgen gemacht hat. «Das ist Demut, die es eben auch braucht.»

Er hat schon lange seine 3G-Regel

Letztlich nannte Rogge seine pädagogische 3G-Regel. Die habe er vor rund fünf Jahren aufgestellt und nie gedacht, dass die 3G-Regel dermassen abgehen würde, so Rogge. Seine drei G: Geschickt sein (das Unerwartete tun), Gefühle zeigen, Grenzen erfahren. Und ein letzter Ratschlag des Erziehungsexperten: «Kinder wollen authentische Eltern. Nicht solche, die pädagogisch so wertvoll durchs Leben gehen. Und seid geerdet.»

Jan-Uwe Rogge verfüge über ein enormes Wissen in Erziehungsfragen und wohl auch in Lebensfragen, wurde vor dem Referat vom OK versprochen. Er begleitet Eltern auf einen besseren Weg. Dass er dies auf eine solche humoristische Art und Weise tut, das ist erfrischend. «Erziehung hat auch mit Lachen zu tun», sagt er. Er selber ist der beste Beweis für diese These.


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