Ein spannender Hör-Genuss

  22.03.2022 Boswil

Eine Konzert-Lesung von Regula Grauwiller und Stefan Gubser in der Alten Kirche Boswil

Gemeinsam mit dem Casal-Quartett zeichnen Regula Grauwiller und Stefan Gubser Leben und Werk von Fanny und Felix Mendelssohn nach.

Es war ungewohnt, TV-Kommissar Reto Flückiger alias Stefan Gubser in der Alten Kirche bei der Arbeit zuzusehen. Dieses Mal nicht als ruppiger Kriminalermittler, sondern im Team mit Schauspielerin Regula Grauwiller. Die beiden Schauspieler Regula Grauwiller und Stefan Gubser gründeten im Frühjahr 2019 die Firma Wortspektakel, um damit Theaterstücke, szenische Lesungen, Konzert-Lesungen und Firmen-Events zu produzieren. Im Künstlerhaus Boswil gastierten sie mit der Geschichte vom kurzen Leben und Schaffen von Fanny und Felix Mendelssohn. Basierend auf Briefen, Tagebucheinträgen und biografischen Quellen erzählten sie in der Klanglesung die «Geschwisterliebe».

Dies in Symbiose mit dem weltweit konzertierenden Casal-Quartett. Das Quartett erhielt am Sommerfestival 2021 in Boswil den European Music Award für 20 Jahre hervorragende Programmgestaltung und Konzerte.

Spannend ist dann dieses Zusammenspiel von Text und Musik um die tragische Geschichte des Geschwisterpaares Fanny und Felix Mendelssohn. --red


Der Fall Geschwister Mendelssohn

Rezitation von Regula Grauwiller und Stefan Gubser mit dem Casal-Quartett in Boswil

Ein konzertantes Porträt durften die Besucherinnen und Besucher in der Alten Kirche Boswil am Samstag erwarten. Zwei Schauspielgrössen und ein hervorragendes Streichquartett erzählten über das kurze und berührende Leben von den zwei grossen Musikern Fanny und Felix Mendelssohn.

Richard Gähwiler

Als regelmässiger Konsument spannender TV-Krimis kombiniert man mit dem Namen Stefan Gubser sogleich den umtriebigen «Tatort»- Kommissar Reto Flückiger. In weiteren Rollen mit renommierten Kollegen wie Bruno Ganz und Filmdivas wie Claudia Cardinale zeigte Gubser die grosse Bandbreite seiner Schauspielkunst. Als Erzähler oder Sprecher hat Gubser In den letzten Jahren auch vermehrt in Produktionen mit klassischer Musik mitgewirkt. Dies zusammen mit der Schauspielerin Regula Grauwiller, die in zahlreichen TV-Serien (u. a. Wilder, Traumschiff oder Der Bergdoktor) und Kinofilmen (zuletzt in Blue My Mind) zu sehen war. Auch sie begeisterte das Publikum regelmässig mit spannenden Lesungen.

Musik und Wort

Aufgrund einer gefühlten Seelenverwandtschaft gründeten die beiden Im Frühjahr 2019 die Firma «Wortspektakel». Die daraus folgenden Aktivitäten beschreiben sie auf ihrer Homepage als «Erzählen, Rezitieren, Spielen, Produzieren». Humorvolle, berührende, provozierende und unterhaltsame Geschichten sollen auf die Bühne, ins Theater, in eine Location der eigenen Wahl (Firmen-Events) oder zum Publikum nach Hause (Heimkultur) gebracht werden. Erste konkrete Projekte, auch das Zusammenspiel mit dem weltweit konzertierenden Zürcher Casal-Quartett, mussten coronabedingt vorerst auf Eis gelegt werden. Dann im Jahr 2021 die erfolgreiche Lesung mit «Unverfälscht» – die Geschichte, wie Helene und Wolfgang Beltracchi die Kunstwelt narrten – eine kriminell schöne Liebesgeschichte. Auch die Zusammenarbeit mit dem Casal-Quartett wurde wieder aufgenommen, woraus schliesslich die Konzertlesung «Geschwisterliebe» resultierte. Eine Hörbiografie, die, basierend auf Briefen und Tagebüchern, das enge, aber auch schwierige Verhältnis der beiden Musiker Fanny und Felix Mendelssohn beschreibt.

Applaus ja – aber erst am Schluss

Einleitend mit der Begrüssung auch eine Erklärung von Markus Fleck (verantwortlicher für Text und Musikauswahl): «Im dramaturgischen Auf bau dieser Konzertlesung ist Klatschen zwischen den einzelnen Abschnitten nicht vorgesehen», seine Bitte. «Dafür am Schluss umso mehr», ergänzte Gubser spontan, bereits an seinem Sprecher-Tischchen sitzend, was das gespannte Warten der deutlich über 100 Besucher auf Anhieb lockerte. Auf der gegenüberliegenden Seite, mit gleichem Mobiliar inklusive Wasserkaraffe, begann Regula Grauwiller mit ersten Tagebuchnotizen der 1805 geborenen ältesten Mendelssohn-Tochter Fanny. Mit ihrem vier Jahre jüngeren Bruder Felix verband sie eine enge Beziehung, was sich in freundschaftlicher Liebe, aber auch in aufmüpfigen Sticheleien zeigte, was Gubser und Grauwiller in ihrer Lesung in Betonung und Gestik aufs Treff lichste umsetzten.

Aufregend und spannend präsentierten sie die Geschichte zur Schweizer Reise der Familie Mendelssohn: von Berlin nach Brandenburg, wo der 13-jährige Felix kurzzeitig verloren ging, über die Grenze bei Schaffhausen weiter über die Gotthardstrasse mit einer kühnen Brücke ins Tessin und via Genf wieder nach Deutschland. Grosse Enttäuschung der älteren Schwester Fanny, dass die Reise nicht auch nach Italien führte. Ergänzend zu den Texten die musikalische Gestaltung durch das Casal-Quartett – Werke von Mendelssohn-Bartholdy, Ludwig van Beethoven, Robert Schumann und natürlich Fanny Hensel. Einmal leicht beschwingt, virtuos, dann aufbrausend und ungestüm. Immer wieder war man ob der Genialität der Musiker versucht zu klatschen, aber die mahnenden Worte von Markus Fleck hatten Wirkung.

Die kurzen intensiven Lebenswege

Nach einer kurzen Pause, man war gespannt auf die Fortsetzung der Familiengeschichte: Grauwiller und Gubser schilderten die Verlobung und Heirat von Fanny mit Wilhelm Hensel im Jahr 1829 sowie deren zugewiesene Rolle in Ehe und Mutterschaft. Die Bande zu ihrem Bruder Felix blieben aber zeitlebens, so auch die künstlerische gegenseitige Inspiration und Kritik, wie zum Beispiel zur Es-Dur-Streichquartett-Komposition von Fanny, die Felix bezüglich «Modulation» kritisch beurteilte, jedoch nicht wissend, ob er es besser könnte. Auch diesen brieflichen Disput spielten und sprachen Grauwiller und Gubser gekonnt und lebhaft. Das lebendige Porträt der Mendelssohn-Geschwister nahm dann ein frühes Ende. Die Beziehung von Fanny und Felix war so eng, dass sie beide innerhalb weniger Monate starben. Der Tod ereilte sie früh und unerwartet, an den Folgen eines Schlaganfalls, im Jahr 1847.

«Der direkte Kontakt zum Publikum ist anspruchsvoller und dessen unmittelbare Reaktionen sind befriedigender, als banale Filmtexte nachzusprechen», erklärt Gubser im Nachhinein und lobt zugleich die schöne Zusammenarbeit mit Markus Fleck, dem Textverantwortlichen. «Aufgrund der bisherigen Erfolge werden weitere Lesungen und Rezitationen folgen», ist auch Grauwiller zuversichtlich.


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