Musik aus dem Weltraum

  01.03.2022 Mutschellen

Ein Rückblick auf den Erfolg «Space Dream»

Das Kultmusical «Space Dream» hatte seine Uraufführung im Berikerhus. Heuer wird es in der Maag Event Hall neu inszeniert.

Alles begann 1994 als Abendprogramm für die Gewerbeausstellung «Mega 94» auf dem Mutschellen: Damals wollte das OK ein eigens kreiertes Musical aufführen. Mit dabei war Musical-Autor Harry Schärer, aus dessen Feder die Geschichte von «Space Dream» stammt. Er blickt auf die unglaubliche Erfolgsgeschichte zurück – und wie es das Musical nach Berlin und die Musik sogar in den Weltraum schaffte. --cbl


Von Berikon auf die grosse Bühne

Musical-Autor Harry Schärer blickt auf die Erfolgsgeschichte des Kultmusicals «Space Dream» zurück

Das Musical «Space Dream» gehört zu den erfolgreichsten Schweizer Produktionen überhaupt. 28 Jahre nach seiner Uraufführung im Berikerhus und nach 12 Jahren «Bühnenpause» kommt die Neuinszenierung heuer auf die Bühne der Maag Event Hall.

Celeste Blanc

Es ist eine der ältesten Geschichten der Welt: Das Mädchen träumt von ihrem Märchenprinzen und dieser findet durch einen Zufall den Weg zu ihr. Sie verlieben sich – auch wenn Welten sie trennen. Und sie beide trotzen jeglichen Schwierigkeiten. Dass der Traumprinz vom Erdenmädchen Reachel aber tatsächlich von einer anderen Welt stammt – diese Geschichte ist auf dem Mutschellen aus der Feder von Harry Schärer entstanden.

Über eine Million Zuschauer an mehr als 1300 Auftritten – dass es diese Liebesgeschichte von einem Abendprogramm der lokalen Gewerbeausstellung in Berikon auf die grosse Bühne schaffen würde und das Weltraummusical auch in Deutschland Anklang findet, ist Harry Schärers ganz persönliches «Märli». «Man kann es einfach resümieren: Mit einem solchen Erfolg rechnet man einfach nicht.»

Gestörte Bilder und verfeindete Seiten

Die Geschichte vom Erdenmädchen Reachel, das in ihren Träumen der Liebe ihres Lebens begegnet, ist heute aus der deutschsprachigen Musicalszene nicht mehr wegzudenken. Ihre Liebe zu Rodin, einem jungen Mann von einem anderen Planeten, lässt sie durch eine Welt wandeln, die von Zerstörung und Gewalt gekennzeichnet ist.

Die Inspiration für diese Geschichte fand Schärer in den aktuellen Geschehnissen der damaligen Zeit. Dem intergalaktischen Kontext des Plots lag die «Weltraumeuphorie» zugrunde, in der sich die Schweiz Anfang der 1990er-Jahre befand. Durch den Schweizer Astronauten Claude Nicollier war die Raumfahrt zu dieser Zeit in aller Munde. «Der Weltraum bot eine vielfältige Szenerie. Wie es da oben konkret aussieht, kann man sich kaum vorstellen, was einen grossen Raum für Inspirationen und Kreativität liess. Und gestörte Bilder», lacht Schärer. Auch der Fall der Berliner Mauer im November 1989 bot Ausgangspunkt für den intergalaktischen Zwist. Zwei verfeindete Seiten, eine «verbotene Zone» und die daraus entstandenen Spannungen wurden zur Grundlage für die Geschichte.

Ambitionen belächelt

Denn auf dem Planeten, auf dem Rodin lebt, stehen sich die zwei verfeindeten Völker Cruhls und Tetons gegenüber. Der Konf likt soll aber nicht auf dem Schlachtfeld, sondern durch ein Raumschiffrennen um die Galaxie entschieden werden. Prinz Rodin tritt für sein Volk, die Cruhls, an, muss aber kurz nach Start auf der Erde notlanden – direkt vor Reachels Haus.

Insgesamt dauerte der Entstehungsprozess von «Space Dream» rekordverdächtige anderthalb Jahre. «Wobei die meiste Zeit die Arbeit mit dem Musicalverein Mutschellen in Anspruch nahm», blickt Schärer zurück. Knapp 200 Leute fanden ihren Weg zur Informationsveranstaltung im Schulhaus Falter in Oberwil-Lieli, die sich daraufhin dem neu gegründeten Verein anschlossen. Die drei geplanten Aufführungen am Gewerbeausstellungswochenende wurden auf neun erweitert. «Der Ansturm auf die Billette war unglaublich.»

So war Harry Schärer, seinem Kollegen Peter Schwinger und dem späteren Produzenten Guido Schilling nach den Aufräumarbeiten im Berikerhus klar, dass man den Versuch auf der grossen Bühne wagen möchte. Für ihre Ambitionen wurden Schärer und sein Team zunächst belächelt. Ihnen wurde prognostiziert, dass die Aufführungen von anderen Musicals erdrückt werden würden, so beispielsweise durch das Erfolgsmusical «Phantom der Oper», das in Basel zu dieser Zeit anlief.

Zu Gast bei «Wetten, dass …?»

Nachdem man erfolglos versucht hatte, das Musical in Zürich aufzuführen, suchte man nach einer Alternative. In Baden wurde das Vorhaben mit offenen Armen empfangen. So feierte das Musical gut ein Jahr nach seiner Uraufführung in Berikon 1995 Premiere in der ABB-Halle. «Man sagte uns, wir hätten einen ‹Dachschaden›, das Musical in der Provinz aufzuführen», muss Schärer lachen.

Auch musste man merken, dass man sich nicht mehr auf einer «Gemeindebühne», sondern in der Welt des Showgeschäfts bewegte. «Trotz Euphorie aller Beteiligten und der Begeisterung der Besucherinnen und Besucher mussten wir rasch realisieren, dass es mit dem ‹Goodwill› wie in Berikon nicht getan war. Das Produktionsteam setzte wirklich alles daran, Massnahmen für den Verkauf der Tickets zu ergreifen», so Schärer. Ein zwischenzeitliches Tief schadete dem Erfolg nicht und die anfänglich schwierige Lernphase wurde überwunden.

Von ursprünglich vier Monaten Laufzeit lief das Musical ganze fünf Jahre. Gleichzeitig wurde das Musical in Winterthur und von 1997 bis 1998 in einem umgebauten Hangar des Flughafens Tempelhof in Berlin aufgeführt. Das Musical schaffte es sogar ins Fernsehen und einzelne Songs wurden bei «Benissimo», dem «ZDF-Fernsehgarten» und sogar bei «Wetten, dass …?» performt. Und die Musik flog mit seinem «Götti», dem ersten und einzigen Schweizer Astronauten Nicollier, sogar ins Weltall. Eine Ehre, die Schärer nicht so schnell vergessen wird. Stolz zeigt er das eingerahmte Bild einer schwebenden Musikkassette im Cockpit vom Spaceshuttle «Columbia».

Mit Nicollier im Weltraum

Als Produzent und Autor von «Space Dream» war Harry Schärer von der ersten Stunde an dabei – und er blickt gerne auf die unglaubliche Erfolgsgeschichte zurück. Ob das Musical heute auch eine solche Erfolgsgeschichte erlebt hätte, das bezweifelt Schärer. Dazu sei der Hype um Musicals in den 1990er-Jahren zu gross gewesen. «Es war die Zeit der Musicals, sie waren in aller Munde.» Heute hätte die Exklusivität von Veranstaltungen ihren Glanz ein wenig verloren, so Schärer. «Durch die sich entwickelnden Specialeffekte bei Filmen, aber auch durch verbreitete Inhalte von Social Media und das, was das Internet bietet, haben die Leute schon sehr viel gesehen.» Auch sehe er, dass heutzutage die Menschen sich weniger für eine Sache einsetzen und sich mit Haut und Haar in ein Projekt einbringen. Die Euphorie aller Beteiligten, die vor drei Jahrzehnten bei «Space Dream» mitwirkten, sei so unglaublich gewesen. «Rückblickend war das sicher auch ein Grund dafür, dass das Musical so erfolgreich wurde.» Dass auch heuer das Musical «Space Dream» erneut zum «Selbstläufer» wird, wie es Schärer zu seiner Anfangszeit beschreibt, hofft der Autor und Musiker fest. Die Geschichte von Reachel und Rodin sowie der Konflikt zwischen den Cruhls und den Tetons bleibt die gleiche.

Dennoch wird es die eine oder andere Überraschung in der Neuinszenierung geben, die ab dem 10. März in der Maag Event Hall anlaufen wird. Ursprünglich war die Neuinszenierung auf das 25-Jahr-Jubiläum im Jahr 2020 geplant.

Der Traum geht weiter

Änderungen gab es aber auch bereits zu Harry Schärers Zeit. Das Musical habe schon immer davon gelebt, dass es bei jeder Neuaufführung zur einen oder anderen Abänderung gekommen sei. «Das Musical ist stets gewachsen. Das machte wahrscheinlich auch zum einen Teil den Erfolg des Musicals aus.» Er sei nun gespannt darauf, wie nun Rolf Sommer, der das Musical überarbeitet hat und Regie führt, und der musikalische Leiter Lukas Hobi «Space Dream» in ein neues Kleid hüllen werden.

Er selbst ist nicht mehr in die Neuinszenierung involviert, hat seine Rechte an seine Kollegen Guido Schilling und Darko Soolfrank abgetreten. «Die Reise mit ‹Space Dream› war abenteuerlich und aufregend. Aber nun ist das für mich vorbei», erklärt er. Über 20 Jahre hat er für das Musical gelebt. Nun sei die Zeit reif, «jemand anderem die Federführung zu übergeben.» Für den 63-Jährigen, der zurzeit an einem Thriller-Roman arbeitet, sei es nun «einfach mal schön», einer Premiere als Gast beiwohnen zu dürfen und sich überraschen zu lassen.

Ihn freut es auch für die Fans, welche die Neuinszenierung sehnlichst erwarten. In Baden sei ein Anhänger der Weltraumgeschichte über 100 Mal zu Besuch gewesen. «Dieser meinte damals im Schweizer Fernsehen, dass das Musical Frieden, Freude und Eierkuchen bringe und einfach aufstelle. Das ist sicherlich auch etwas, nach dem sich die Menschen auch heutzutage sehnen.» Seine Tickets für die Premiere am 10. März sind jedenfalls schon reserviert.


Zur Person

Harry Schärer wuchs in Dietikon und Zollikerberg auf. Nach seiner Lehre im grafischen Gewerbe wechselte er in die Werbung. Von 1986 bis 1996 führte er in Rudolfstetten sein eigenes Werbeatelier und Tonstudio und widmete sich danach ausschliesslich seinen Musicals. In dieser Zeit wohnte er in Rottenschwil und Fislisbach. Seit «Space Dream» hat Schärer noch weitere fünf Musicals geschrieben, «Space Dream II», «Space Dream III», «Melissa», «Twist of Time» und «Alapilio». Er lebt heute in Landikon (Birmensdorf).


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