Glücksbringer für ganz Wohlen

  15.10.2021 Wohlen

Die Breitschmid Kaminfeger AG kann ihr 140-Jahr-Jubiläum feiern

Sie gehört zu den ältesten Firmen der Gemeinde. Und ist auch nach 140 Jahren noch immer ein Familienbetrieb. Die Breitschmids haben in Wohlen stets für saubere Kamine und funktionierende Öfen gesorgt. Und werden dies auch nach der Marktöffnung weiter tun.

Chregi Hansen

«Ich bin in jungen Jahren noch in die Kamine hineingekrochen. Da war man abends schon recht schmutzig», erinnert sich Seniorchef Hansjörg Breitschmid bestens. Heute kommt ein solcher Einsatz nur noch selten vor. Vor Dreck ist man aber in diesem Beruf weiterhin nicht gefeit. «Darum gilt bei uns das Duschen am Feierabend als Arbeitszeit», lacht Juniorchef Rafael Breitschmid.

Der Beruf des Kaminfegers, er hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Wird immer technischer. «Doch es bleibt ein Handwerk», betont Rafael Breitschmid stolz. Der 31-Jährige hat ursprünglich Heizungsplaner gelernt, später Gebäudetechnik studiert. Er hat sich erst später entschlossen, in die Fussstapfen seiner Vorfahren zu treten. «Ich habe gemerkt, dass mir die körperliche Arbeit fehlt», sagt er. Einen Zwang, den Familienbetrieb zu übernehmen, gab es hingegen nie. «Das war schon bei mir kein Thema», sagt Vater Hansjörg. «Ich habe damals auch in anderen Berufen geschnuppert. Aber die Kaminfegerei gefiel mir.»

Zu Beginn ein Teilzeitjob

Den Grundstein für die Firma hat 1881 Jakob Breitschmid gelegt. Damals hatte Wohlen noch zwei Kaminfeger, die beide nicht ausgelastet waren, weshalb Breitschmid auch noch als Dachdecker tätig war. Die Familie hatte sieben Kinder, zwei der Söhne, Ernst und Josef, wurden ebenfalls Kaminfeger. Und Ernst übernahm die Firma 1927. Er betreute damals die Gemeinden Wohlen und Anglikon, sein Sohn Willy folgte ihm in die beruflichen Fussstapfen, legte aber nach der Lehre einige Wanderjahre ein, die ihn bis ins Tessin führten. Das Familienunternehmen übernahm er erst 1962. Vom Aargauischen Versicherungsamt erhielt er damals zusätzlich die Gemeinden Uezwil und Büttikon zugeteilt.

Die Firma hat immer auch Lehrlinge ausgebildet. Weil diese und auch die Angestellten damals Kost und Logis im Betrieb erhielten, sassen oft drei bis vier Kaminfeger am Tisch. Einer dieser Lehrlinge war Sohn Hansruedi, der den Betrieb 1992 übernahm. «Ich war nach der Ausbildung an verschiedenen Orten tätig und hatte auch das Angebot, als Kaminfeger nach Bremgarten zu gehen. Aber mir gefiel es in Wohlen», erzählt der 66-Jährige, der noch immer im Betrieb mithilft. Hansruedi Breitschmid ist bestens bekannt im Dorf, war früher fast in jedem Haus unterwegs. «Bis vor einigen Jahren wusste ich noch von jedem Gebäude, wie es beheizt wird», sagt er stolz, «heute ist das nicht mehr möglich.»

Immer mehr Gemeinden
In seiner Zeit hat sich die Arbeit verändert. Nicht nur, dass mit Tägerig, Dintikon und Ammerswil weitere Gemeinden dazukamen, Hansruedi Breitschmid wurde auch als Feuerungskontrolleur und Feuerschauer gewählt. Bekannt war Breitschmid aber vor allem auch durch seine Funktion als Feuerwehrkommandant, dieses Amt übte er elf Jahre aus. «Das war eine gute Kombination, ich kannte bei den meisten Häusern die Gefahrenstellen», schaut er auf diese Zeit zurück. Nicht zuletzt engagierte sich der Seniorchef als Obmann im Lehrlingswesen und auch im Vorstand des schweizerischen Kaminfeger-Verbands.

Keine Angst vor der Zukunft, obwohl das Monopol fällt

Und nun übernimmt mit Sohn Rafael bereits die fünfte Generation. «Es wird einen fliessenden Übergang geben», betonen die beiden. Hansruedi Breitschmid und Ehefrau Flavia, die im Geschäft das Sekretariat und die Buchhaltung führt, werden sich nach und nach zurückziehen. Der Zeitpunkt ist ihrer Ansicht nach ideal, noch bis Ende Jahr ist Hansruedi Breitschmid als Kaminfeger gewählt. Per 1. Januar wird im Aargau das Kaminfegerwesen liberalisiert, es kann dann jeder frei entscheiden, wen er aufbieten will. Angst davor, arbeitslos zu werden, hat Rafael Breitschmid nicht. «Erfahrungen aus anderen Kantonen zeigen, dass über 90 Prozent der Kunden beim bisherigen Anbieter bleiben», sagt er.

Grund dafür sei meist die Kundennähe. «Wir kennen in den meisten Fällen die Gebäude und ihre Heizungen schon. Zudem haben wir einen kurzen Anfahrtsweg», streicht er die Vorteile hervor. Und: Das frühere Monopol sei nicht nur ein Segen gewesen, betont Hansruedi Breitschmid. «Wir mussten zwar nicht um Kunden kämpfen, das stimmt. Dafür hatten wir sehr viel Verantwortung. Nach der Liberalisierung liegt die Verantwortung beim Betreiber der Heizung», erklärt er. Obwohl das Ende des Monopols früh angekündigt wurde, sind viele verunsichert. «Immer wieder rufen Kunden an und wollen sich absichern, dass wir auch weiterhin kommen», weiss Flavia Breitschmid zu berichten. Sie kann alle beruhigen. Solange jemand nicht eine Änderung wünscht, werden die Kaminfeger der Firma Breitschmid weiterhin im gewohnten Rhythmus vorbeischauen.

Die Liberalisierung sieht der Juniorchef auch als Chance. Dank seinem Studium als Gebäudetechniker weiss er bestens Bescheid über Heizungen aller Art. Stetige Veränderungen, sie gehören sowieso zum Beruf. «Meinem Grossvater hatte es nicht gefallen, als überall die Ölheizungen aufkamen. Mein Vater hat sich dann an all den Gasheizungen gestört», kann Hansruedi Breitschmid berichten. Und die Veränderungen gehen weiter. «Als Kaminfeger muss man sich stets weiterbilden, was die verschiedenen Heizungen betrifft», weiss Rafael Breitschmid. «Die Anlagen heute sind wohl besser, aber auch komplexer und anfälliger», fügt er an.

Als Glücksbringer auch heute noch gefragt
Geblieben ist aber der Ruf des Kaminfegers als Glücksbringer. Auch wenn die Mitarbeiter des Teams nicht mehr in schwarzer Kleidung und Zylinder auftreten. «Noch heute haben viele Freude, wenn wir kommen. Und sind überzeugt, dass wir Glück bringen», erzählt der neue Inhaber. Warum das so ist, darüber gibt es verschiedene Theorien. Zum einen taten die Kaminfeger im Mittelalter viel für den Brandschutz, durch das Fegen und Reinigen der Kamine und Schlote konnte das Brandrisiko geschmälert werden. Sie verhinderten eine Gefahr, brachten also Glück ins Haus. Für andere haben sie durch das Kriechen im Kamin die bösen Geister verjagt. So oder so, der Glaube hat sich gehalten. «Es kam immer wieder vor, dass mich jemand berühren wollte, weil das offenbar Glück bringen soll», lacht Hansruedi Breitschmid.

Und immerhin: Der Zylinder ist geblieben. Den gibt es jeweils nach Abschluss der Lehre. «Kaminfeger ist ein Beruf mit viel Tradition. Darum ist es auch richtig, dass wir an der Berufsbezeichnung festhalten, obwohl das Fegen der Kamine nur noch einen Teil ausmacht», findet Rafael Breitschmid. Heute gehören auch Feuerungskontrollen und Brandschutzberatungen im Auftrag der Gemeinden zum Aufgabenbereich. Und als kommunaler Brandschutzfachmann begleitet er Neu- und Umbauten von der Planung bis zur Abnahme. «Es ist ein sehr abwechslungsreicher Beruf, und das macht es interessant», sagt er stolz.

Stolz ist auch die ganze Familie auf den 140. Geburtstag des Unternehmens. «Wir hatten fast immer eine sehr angenehme Kundschaft», schaut Hansruedi Breitschmid auf seine Berufsjahre zurück, «denn die Leute wussten, dass wir dafür sorgen, dass ihnen nichts passiert.» Sie haben also für Glück in Wohlen gesorgt. Und tun das weiterhin. Wenn auch ohne Zylinder. «Die alte Kluft, die trage ich wirklich nur noch bei Hochzeiten», lacht Hansruedi Breitschmid.

 


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote