Nicht nur der Ertrag zählt

  12.10.2021 Mühlau

Auf Feldern in Mühlau wächst Reis – ein Projekt der Familie Suter

Im Kanton Aargau sind es sechs Bauern, schweizweit keine 20, die Reis anbauen. Peter und Helen Suter wagten das Experiment auf einer Fläche von einer Hektare. Ertrag wird es im ersten Jahr kaum geben. Freude haben die beiden trotzdem.

Annemarie Keusch

Geschätzt fünf Zentimeter tief steht das Wasser. Dazwischen huschen Wasserläufer, überall ist das Quaken von Fröschen und Kröten zu hören. Viele gut einen halben Meter hohe Pflanzen ragen aus dem Wasser der zwei Felder zwischen Reuss und Reusskanal in Mühlau. Es sind die Reisfelder, die Peter und Helen Suter zusammen mit ihrem Sohn und zwei anderen Familien in einer Betriebsgemeinschaft pflegen. Reis im Freiamt? Peter Suter lacht. Er tut es im Verlauf des Gesprächs mehrmals. Manchmal als Galgenhumor, manchmal aus purer Freude.

Dass auf ihrem Feld im Schoren Reis wächst, kam durch seinen Bruder zustande. Im Aargauer Wasserschloss begann er schon vor einigen Jahren damit, Reis anzubauen und begleitete die letzten Jahre die Aargauer Produzenten. «Wir wussten, dass wir ein ideales Stück Land dafür haben», sagt Helen Suter. Schwerer Boden, direkt am Reusskanal.

Keine Enttäuschung

Beide nennen den Reiz, Neues auszuprobieren, als Grund für das Projekt. Dass es nicht einfach werden würde, das wussten Suters von Anfang an. Dass der Regen aber die erste Aussaat komplett zerstören, später 300 Stunden Jäten auf sie warten würde und jetzt der Ertrag alles andere als sicher ist – so hätten sie es sich wohl nicht vorgestellt.

Enttäuscht sind sie nicht. «Für uns war von Anfang an klar, dass nicht nur der Ertrag zählt», sagt Peter Suter. Auch den ökologischen Aspekt gewichten sie hoch. Im Reisfeld finden grössere und kleinere Tiere einen Lebensraum, der ihnen durch Entwässerungen immer mehr abhandenkommt. Einfach ein Naturschutz-Projekt ist der Reisanbau aber trotzdem nicht. Denn sie wissen: Regionalität ist gefragt, auch beim Reis. Das zeigen die Beispiele der anderen Reisproduzenten. Im Freiamt wird man sich noch etwas gedulden müssen.


Auch im Freiamt wächst Reis

Die Familie Suter aus Mühlau ist einer von sechs Reisproduzenten im Aargau

Es ist eine Nische. Und wird es laut Landwirt Peter Suter wohl immer bleiben. In diesem Frühling säte er erstmals auf zwei Feldern Reis an. Viel zu ernten wird es heuer nicht geben. Trotzdem sind die Suters überzeugt, dass die Nische Reis auch in der Schweiz und im Freiamt funktionieren kann.

Annemarie Keusch

«Es war unser Hobby diesen Sommer», sagt Peter Suter. «Wir hatten ja Zeit, heuen konnten wir bei diesem Wetter nicht», fügt Helen Suter an. Beide grinsen. «Wir müssen es mit Humor nehmen, sonst verleidet es uns.» Aufwand und Ertrag werden dieses Jahr ganz sicher nicht stimmen. Im Frühling säten die Suters erstmals Reiskörner in den Boden zweier Felder. Kurze Zeit später kam der Regen. «Reis braucht zwar Wasser, aber nicht zu viel», erklärt Peter Suter. Die Körner ertranken, noch bevor sie richtig keimen konnten. Eineinhalb Monate später pflanzten sie extra gezogene Reissetzlinge. «Das hat geklappt», sagt Suter. Nur sind die Pflanzen wohl zu spät reif, auch weil der Sommer nicht mit heiter Sonnenschein überzeugte.

Eigentlich sollte bald der Drescher einfahren. «Mitte, Anfang Oktober», sagt Peter Suter. «Ich würde aber staunen, wenn wir noch dreschen könnten.» Die Kultur ist eineinhalb Monate in Verzug. Seine Frau Helen ist optimistischer. «Etwas wird es sicher noch geben und wenn es Reisbesen sind», meint sie. Sorge getragen haben sie ihren Reisfeldern die letzten Monate trotz allem Rückstand, und gepflegt haben sie sie. Diese Pflege beinhaltete mitunter 300 Stunden Jäten. Bei einem Feld bearbeiteten sie vor dem Setzen den Boden, beim anderen nicht. «Jetzt wissen wir, dass wir die Böden bearbeiten müssen, damit das Unkraut nicht wächst», sagt Peter Suter. Barfuss zwischen den Reisreihen zu waten, habe zwar etwas Meditatives und sei gesund für die Haut, aber wirklich Spass mache es nicht.

Preislich können sie mit anderen  Anbietern nicht mithalten

Diese Saison bezeichnen die Suters ihren Reisanbau als Hobby. So bleiben soll das nicht. Denn sie meinen es durchaus ernst damit, in der Reussebene Reis anzupflanzen. «Das funktioniert», sagt Peter Suter. Erfahrungen gibts im Aargau, sein Bruder wirkte lange beim Reisanbau im Wasserschloss in der Region Brugg mit. Sechs Landwirte besetzen die Nische im Kanton Aargau, Suter ist der einzige im Bezirk Muri, im Freiamt kommt mit Michael Rüttimann ein zweiter Landwirt aus Jonen dazu.

Der meiste Reis, der in den Regalen hiesiger Detailhändler steht, wurde in Italien angepflanzt und geerntet. Dass dereinst der gesamte Reis, der in der Schweiz verkauft wird, auch hier angebaut wurde, das glaubt Suter nicht. «Schweizer Reis wird eine Nische bleiben», sagt er. Und dies aus zwei Gründen. «Natürlich können wir nicht zum gleichen Preis produzieren wie im Ausland.» Die Flächen sind kleiner, erforscht ist der Reisanbau noch kaum, vieles ist Ausprobieren. Aber der Absatzmarkt sei da. «Landwirte, die schon länger Reis anbauen, verkaufen alles ab Hof. Und dies mit grossem Erfolg», weiss der Landwirt. Auch er bekam schon Anfragen, von Privaten, aber auch von Restaurants. «Regionales ist in.»

Maximal zwei Zentimeter Höhenunterschied

Eine Nische werde der Reisanbau in der Schweiz aber auch wegen der hohen Initialkosten bleiben, vermutet Suter. Das Feld muss nämlich vor dem Pflanzen nivelliert, die Dämme müssen gebaut werden. «Der Höhenunterschied darf maximal zwei Zentimeter betragen», sagt Helen Suter. Wenn es mehr ist, steht in einem Teil des Feldes das Wasser zu hoch, im anderen zu tief. Auch die Wasserkonzessionen müssen gelöst werden, damit sie das Wasser zum Fluten der Felder aus dem Reusskanal beziehen können.

Trotzdem hoffen die Suters, die zusammen mit ihrem Sohn und dessen Familie sowie einer weiteren Familie eine Betriebsgemeinschaft bilden, dass der Reisanbau selbsttragend wird. Zusammen mit den anderen fünf Landwirten des Kantons bilden sie eine Interessengemeinschaft und treffen sich monatlich zum Austausch. «So vermeiden wir Fehler, können aus Erfahrungen lernen.» Auf Fachliteratur oder Ähnliches können sie noch nicht zählen.

Auch der ökologischen Vielfalt wegen

Dass in der Schweiz überhaupt Reis angebaut wird, hat mit den steigenden Temperaturen zu tun. Für Trockenanbau wäre es aber immer noch zu kalt. «Es geht nur der Nassanbau, weil das Wasser die Wärme speichert», sagt Suter. Aufgeben kommt für die Suters nicht infrage, auch wenn die erste Reisernte spärlich ausfallen oder eben ganz ausfallen wird. Sie sind überzeugt, dass das Projekt in den nächsten Jahren funktionieren kann, dass der Mähdrescher vorfährt, wenn der Reis reif ist, dass sie die Körner in die Mühle bringen können, wo diese getrocknet und poliert werden, und sie den fertigen Risottoreis dann verkaufen können. «Eigentlich müssten wir von der Betriebsausrichtung her ja Milchreis anbauen», sagt Peter Suter und lacht. Der Hof ist ausgelegt auf Milchwirtschaft.

Zusammen mit der Interessengemeinschaft denken sie schon weiter. Etwa daran, ein leichteres Gefährt auf Raupen zum Ernten anzuschaffen, das den Boden weniger beschädigt. Denn der Natur schaden wollen die Suters mit ihrem Reisanbau nicht. Im Gegenteil, die ökologische Vielfalt ist ihnen wichtig. Sie sagen auch: «Reis anzubauen, das macht man auch aus ideologischen Gründen.» Libellen, Kiebitze, Fledermäuse, Frösche, Kröten – sie alle finden in den Feldern Lebensraum. An ihrem Anblick und an ihren Klängen erfreuen sich die Landwirte. Es ist mit ein Grund, weshalb sie sich dafür entschieden, auf einer Fläche von einer Hektare Reis anzubauen. «Und man muss offen sein gegenüber Neuem.» Die Suters sinds, auch wenn ihr Experiment im ersten Jahr nicht glücken wird.


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