«Das ist reine Kopfsache»

  17.09.2021 Wohlen

Seit 30 Jahren ist der Bollhof der Familie von Ruedi und Elisabeth Donat ein Biohof

Einen Biohof zu führen, ist heute zumindest im Trend. Vor drei Jahrzehnten war Ruedi Donat mit seinem Bollhof jedoch der einzige Wohler Landwirt, der sich an diese Herausforderung wagte. Er wurde damals höchstens belächelt. Heute stellt er voller Zufriedenheit fest, dass er das Richtige gemacht hat.

Daniel Marti

«Eigentlich», sagt Ruedi Donat draussen auf dem Sitzplatz seines Bollhofes und zeigt auf die saftig grünen Wiesen, «waren wir hier auf dem Bollhof der Zeit voraus.» Im Jahr 1991 entschied er sich – praktisch gegen den Willen seines Vaters –, voll auf Bio zu setzen. Das war ein Alleingang in Wohlen, denn in der grössten Freiämter Gemeinde war er eine Art Pionier und der erste Wohler Landwirt, der diesen Weg eingeschlagen hat. Im gesamten Freiamt gab es zu jener Zeit zehn Weggefährten, mehr nicht.

«Jetzt spinnst du»

Ein Biohof – dies bringt Ruedi Donat heute viel Anerkennung ein. Vor drei Jahrzehnten war das ganz anders. Aus dem Kreis des eigenen Berufsstandes wurde er nur belächelt. «Und wie», betont er. «Sehr viele prophezeiten mir, dass es den Bollhof in ein paar Jahren nicht mehr geben wird.» Und sein Vater hakte sogar nach. «Er konnte es nicht begreifen, warum Errungenschaften wie chemische Pflanzenschutzmittel nun plötzlich schlecht sein sollten.» Für seinen Vater sei die chemische Spritze wie eine Erlösung gewesen. Nach dem Motto: Einmal durch mit der Spritze und das Unkraut ist weg.

Werner und Anna Donat haben den Bollhof im Jahr 1956 errichtet. Und Anfang 1988 an ihren Sohn Ruedi übergeben. Für ihn war die Hofübernahme nach der Meisterprüfung eine neue Herausforderung. Und eine neue Idee stach ihm ebenfalls bald ins Auge: eine Ausschreibung für einen Kurs für Biolandbau. Gleichzeitig gab es damals ein Nitratproblem in Dottikon und «die Angst um unser Grundwasser ging um», erinnert er sich.

Donat entschied sich schnell: «Nach dem zweiten Kurstag wusste ich, ich stelle auf Bio um.» Auch wenn der Vater unverblümt meinte: «Jetzt spinnst du.»

Grosse Umstellung im Kopf
Nicht nur auf dem heimischen Bollhof gab es Widerstand. Auch politisch hatte Ruedi Donat diesen zu ertragen. Er war in der Legislaturperiode 1986 bis 1989 der einzige Landwirt im Einwohnerrat. Und musste sich nach seinem Entscheid 1991 immer wieder rechtfertigen. Aber ausgemacht hat ihm das nichts. Denn er sei in der Phase der Umstellung recht euphorisch gewesen. Das hat ihm geholfen. Heute darf er das Wesentlichste ganz sachlich feststellen: «Ich habe die Umstellung nie bereut.»

Diese Umstellung startete mit einer zweijährigen Übergangsphase. Es ist ja nicht alles sofort biologisch top. Was hat Landwirt Donat vor 30 Jahren alles ändern müssen, um sich der biologischen Bewirtschaftung zu widmen? «Die Einstellung zur herkömmlichen Ausbildung», antwortet er, «die Umstellung muss im Kopf stattfinden.» Mit der Natur zu arbeiten, bedeutet auch, «die damit gegebenen Umstände akzeptieren zu können». Er habe alles auf seinem Bollhof überdacht, «reine Kopfsache», erklärt er weiter. Und die Einschnitte waren schon wesentlich. Auf dem Bollhof musste man sich langsam von der herkömmlichen Braunviehzucht verabschieden (dies wiederum bedauerte sein Vater sehr). Spritze und Düngerstreuer wurden verkauft und Hackstriegel gekauft.

Und nun – drei Jahrzehnte später – kann Ruedi Donat eine sehr positive Bilanz ziehen. In jeder Beziehung gehe es dem Bollhof besser, darf der ehemalige Grossrat und Gemeinderat verkünden. Auch wirtschaftlich habe sich die Umstellung auf Bio gelohnt, gibt der amtierende Einwohnerrat gerne zu. «In der Landwirtschaft denkt man im Generationenzyklus. Der Bollhof hat sich sehr gut entwickelt und wir sind überdurchschnittlich gewachsen.»

Kraftwerk auf den Dächern und 4000 Junghennen im Stall

Die Donats konnten deshalb immer wieder in den Hof investieren, vor allem in Gebäude und Infrastruktur. Im Jahr 2008 erfolgte die Realisation von ersten Photovoltaikanlagen auf dem Scheunendach. «Mittlerweile haben wir ein kleines Kraftwerk auf den Dächern», so Donat. Pro Jahr produzieren die Solarzellen mit einer Fläche von 1650 Quadratmetern rund 280 000 Kilowattstunden. Damit können über 60 Haushaltungen (mit durchschnittlich 4500 kWh) mit Strom versorgt werden. Der grösste Teil der Dächer ist mittlerweile an die ibw vermietet.

Der Bollhof ist nicht «nur» Biohof, sondern Selbstversorger im grossen Stil geworden. Eigene Stromproduktion, eigenes Grundwasser, eigene Verpflegung. Fossile Brennstoffe werden nur noch bei den Traktoren verwendet, vielleicht wird in diesem Bereich bald auf Wasserstoff- oder Elektro-Maschinen umgestellt.

Zu den Errungenschaften gehört auch seit fünf Jahren die Junghennen-Aufzucht. Auch hier alles bio. Gemäss der vorbildlichen Infrastruktur sind 4000 Jungtiere erlaubt. Sie sind einen Tag jung, wenn sie angeliefert werden. Auf dem Bollhof werden sie dann über 18 Wochen «gehegt und gepflegt», damit sie in anderen Betrieben ihre Eier legen können. Zwei Wochen lang ist das Gehöft dann frei, wird gereinigt, desinfiziert, bevor die nächste Lieferung von 4000 Stück auf dem Bollhof ankommt.

Neben den Junghennen zählt der Bollhof mittlerweile gut 23 Hektaren Landwirtschaftsland für Zuckermais, Karotten, Getreide und Futteranbau für die Tiere. Die Donats halten 16 Mutterkühe mit je einem Kalb. Und 60 bis 70 Stück Vieh für die Fleischproduktion, Bio-Weide-Beef natürlich.

Viel Idealismus, viel Arbeit
So, wie heute der Bollhof dasteht, das passt der Familie. Und würde Ruedi Donat nochmals alles gleich machen? «Ja», antwortet er, «trotz grossen Widerständen und obwohl wir auch Lehrgeld bezahlen mussten, haben wir vieles richtig gemacht.» Und trotzdem kann nicht jeder Landwirt auch ein Bio-Bauer sein. «Wenn die persönliche Einstellung nicht stimmt, lässt man es lieber bleiben», sagt Ruedi Donat, der das Bauern-Leben sehr schätzt.

Trotz seiner so positiven Einstellung und trotz guter Lobbyarbeit gibt es in der Schweiz das Sterben der Bauernhöfe. Warum nur? «Bauer zu sein, dies hat viel mit Idealismus und viel Arbeit zu tun», weiss der 64-Jährige. «Aber viele Betriebe werden heute als Nebenerwerbsbetriebe geführt, die in vielen Fällen bei einem Generationenwechsel aufgelöst werden.» Und es stimmt, pflichtet Donat bei, dass «der Bauernstand sehr gut vertreten ist in der Politik».

Allerdings wehrt sich der Bollhof-Bauer, wenn sein Berufsstand als Lobbyist bezeichnet wird. «Unser Berufsstand wird nach wie vor direkt von den Frauen und Männern, die von der Landwirtschaft abhängig sind, vertreten. Das würde übrigens andern Branchen auch sehr gut tun. Sie sind es, die sich ihre Lobbyisten kaufen.» Das sei jetzt sehr politisch, sagt er fast schon entschuldigend.

Der Sohn übernimmt
Stichwort Generationenwechsel. Sein Sohn Dominik Donat ist bestens im elterlichen Hof integriert. «Er lebt den gleichen Idealismus wie ich», erklärt Ruedi Donat. Im kommenden Januar 2022 – ein Jahr vor der offiziellen Pensionierung – wird Ruedi Donat den Bollhof an seinen Sohn übergeben. «Dominik fährt die gleiche Linie weiter. Es ist doch die beste Lösung, wenn der Sohn den Hof übernimmt. Das beweist, dass wir vieles richtig gemacht haben.» Auch die Umwandlung in einen Biohof.


Gegenseitiger Austausch

Elf Landwirte starteten im Freiamt

Bio-Landbau ist mehr als nur Bauern ohne Chemie. Zu dieser Erkenntnis sind Anfang der Neunzigerjahre elf Bauern im Freiamt und Umgebung gekommen. Diese elf haben sich zusammengeschlossen. In der Hoffnung, gegenseitig Erfahrungen auszutauschen, sich auszuhelfen, gemeinsam Maschinen einzusetzen.

Die elf Bauernhöfe, die sich damals auf Bio einschworen, stammten aus Stetten, Niederwil (2), Oberwil-Lieli (2), Rottenschwil, Bünzen, Boswil, Buttwil, Alikon und aus Wohlen. Ruedi Donat mit seinem Bollhof schloss sich den anderen zehn an. Damals wurde auch deklariert, was überhaupt biologischer Landbau bedeutet. Diese Deklaration ist heute noch bedeutungsvoll: Verzicht auf Kunstdünger und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel; gesunde Fruchtfolgen zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und als vorbeugende Massnahme gegen Krankheiten und Schädlinge; Erhaltung einer vielfältigen Umwelt zum Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten; Schutz des Grundwassers durch angepassten Tierbesatz und möglichst geschlossenen Betriebskreis; artgerechte Tierhaltung und Verzicht auf Einsatz von Wachstumsförderern sowie von Medikamenten mit vorbeugender Wirkung.

Die Zusammenarbeit der elf Biohöfe der Umgebung hat sechs bis sieben Jahre lang gut funktioniert, dann wurde die lose Verbindung im Jahr 1998 wieder aufgelöst. Der Kontakt untereinander wurde jedoch beibehalten. Und in Wohlen gibt es mittlerweile mit dem Schwellhof und dem Bollhof zwei Biohöfe. --dm


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