«Es braucht jedes Jahr einen Hit»

  03.09.2021 Wohlen

Werbe-Experte Dennis Lück steuert von Wohlen aus den Bundestagswahlkampf der SPD

Im grossen Deutschland tobt der Wahlkampf. Und die SPD ist auf der Überholspur. Dank viel Cleverness und Dennis Lück, Werber des Jahres 2017.

Daniel Marti

Es klingt ganz sachlich. Die Agentur BrinkertLück mit Sitz in Hamburg und Zürich ist für den Bundestagswahlkampf für Vizekanzler Olaf Scholz und die SPD mitverantwortlich. Gründungsmitglied dieser Agentur ist Dennis Lück, Schweizer Werber des Jahres 2017, seit acht Jahren wohnhaft in Wohlen. Und Wohlen ist demnach auch das strategische Epizentrum für manche Kampagne. Und die Offensive von Lücks Agentur hat es in Deutschland. Seine Ideen sind in aller Munde, vor allem seit er die Konkurrez der SPD schon mal mit Fakten schlecht aussehen lässt. Deshalb hagelte es auch Kritik. Das sei pure Scheinheiligkeit kontert er. «Erst jammern sie über uns, dann kopieren sie uns schlecht.» Seit Lücks Agentur am Ruder ist, haben sich die Umfragewerte der SPD prakisch verdoppelt. Nun ist die Partei sogar Spitzenreiter. Und Olaf Scholz plötzlich Favorit im Bundeskanzler-Wahlkampf.

«Olaf Scholz ist eben unser Hero-Produkt», freut sich Lück, dessen Arbeitstag regelmässig 15 Stunden beträgt. Im Leben des Dennis Lück gibt es aber nicht «nur» den SPD-Hype. Migros, BMW Schweiz, Zürich Versicherung, Swisscom, Graubündner Kantonalbank, der HC Davos, aber auch der Deutsche Fussball-Bund zählen zu den Kunden seiner Agentur BrinkertLück, die er erst im vergangenen Februar gegründet hat.

Diese Ansammlung von grossen und bedeutungsvollen Namen ist hitverdächtig. «Es braucht eben jedes Jahr einen Hit», sagt er. Sein persönlicher Hit steigt am 26. September. Dann wählt Deutschland. Und Lück wählt natürlich Olaf Scholz.


Der Bundeskanzler-Macher

Dennis Lück aus Wohlen, Werber des Jahres 2017, ist für den Bundestagswahlkampf der SPD mitverantwortlich

In Deutschland geht der Wahlkampf in die entscheidende Phase. Mit Schärfe. Mit Dynamik. Sollte der SPD der Coup gelingen und Olaf Scholz neuer Bundeskanzler werden, dann hat das viel mit Wohlen zu tun. Dennis Lück – der deutsche Werber, der Wohlen über alles mag – setzt in der Kampagne für die Sozialdemokraten die Glanzpunkte.

Daniel Marti

«Natürlich, Olaf Scholz. Er wird gewinnen. Denn er überzeugt nicht nur mit Kompetenz und Erfahrung, sondern auch mit einem Auftreten, das dem Amt würdig ist.» Das sagt und prognostiziert Dennis Lück. Er muss es ja wissen, was gegenwärtig in Deutschland abgeht. Denn Dennis Lück ist mit seiner Agentur Brinkert-Lück für den Bundestagswahlkampf für Vizekanzler Olaf Scholz und die SPD mitverantwortlich. Und das auch von Wohlen aus. Denn hier wohnt der 44-Jährige mit seiner Familie seit acht Jahren. Seine Wurzeln sind in Deutschland, sein Herz gehört aber der Schweiz und Wohlen. «Denn hier hat es so viel Qualität.»

Sein Team macht die SPD wieder stark

Momentan dreht sich im Leben von Dennis Lück neben dem Aufbau der Agentur in der Schweiz viel um den Austausch mit seinen Mitarbeitern vor Ort in der Parteizentrale der SPD. Seit Monaten sind die Spitzenkandidaten präsent wie selten zuvor. «Der Wahlkampf beschäftigt die Menschen.» Anders als hier in der Schweiz. Er nimmt stetig zu an Dynamik. Und in den letzten Wochen erfolgte die grosse Wende. Die SPD mit Kanzlerkandidat Scholz zitterte sich erst kürzlich noch über eine zweistellige Prozentmarke bei den Umfragen – nun ist sie an der Spitze mit deutlich über 20 Prozent Zuspruch vor CDU und Grüne.

«Der Zuspruch freut uns ungemein, macht uns demütig. Das Comeback der Sozialdemokratie in Deutschland ist vor allem eins: Teamwork», sagt Lück. «Wir haben den besten Kandidaten, der seine Partei geschlossen hinter sich hat.» Im Gegenteil zur Konkurrenz. Es sei der Job seiner Agentur, die Inhalte und das Programm von Scholz gut zu kommunizieren. Punkt. Wie bescheiden. Lück, ein Tiefstapler? «Nein, ich bin Realist.»

Rückblende. Vor ein paar Wochen wurden die Sozialdemokraten in Deutschland fast belächelt. Die Regierungspartei verschwand im Nirgendwo. Der Absturz schien unausweichlich. «Das ist Wahlkampf», sagt Lück fast schon salopp. Was im Januar war, interessiert im Sommer fast niemanden mehr. Und die Agentur BrinkertLück wusste, dass der Wahlkampf irgendwann rasant Fahrt aufnehmen würde. Und Lück wusste auch um die Stärken «seines» Kandidaten. «Ich schätze ihn, seit er Oberbürgermeister in Hamburg war.» Das war 2011 bis 2018. Lück, der einst selber in Hamburg wohnte: «Wir wissen, dass Olaf Scholz begeistern und mit Inhalten überzeugen kann.»

Ein Novum und etwas Scheinheiligkeit

Es brauchte also keine Abkehr von den Eigenschaften des Kandidaten, damit die grosse Wende möglich wurde. Der Auftrag, den Bundestagswahlkampf für Scholz und die SPD zu meistern, hatte sowieso nur Reize. «Wir wussten von Anfang an, wie wir diese Geschichte anschieben können. Die mässigen Umfragewerte haben nur Ehrgeiz entwickelt. Und aufholen zu können, das ist doch immer eine schöne Geschichte.» Umgekehrt ist unangenehm. Die grosse CDU sackte während des SPD-Aufstiegs von 38 auf knapp 20 Prozent ab. «In der Haut der Agentur, welche die CDU betreut, möchte ich nicht stecken.» Schadenfreude? Kaum. Aber dafür ein wenig Stolz auf die eigene Leistung, auch wenn die gegenwärtig in Deutschland kritisiert wird.

Die Agentur BrinkertLück lancierte kompetitive Werbung rund um die Gegnerschaft. Für viele ein Novum, den Gegner macht man nicht schlecht, sagte die Konkurrenz. «Es war eher ein Sachkundefilm als Negative Campaigning, da er nur vorhandene Fakten zusammengetragen hat», gibt Lück zu. «Aber was auf Twitter abgeht oder verbal bei den TV-Shows, ist tausendmal schlimmer und aggressiver. Das ist das wahre Negative Campaigning, das jeden Tag stattfindet.» Ihm vorzuwerfen, er betreibe Negativ-Kampagnen, «das ist scheinheilig. Erst jammern sie über uns, dann kopieren sie uns schlecht.» Aber amerikanischer Stil sei das noch lange nicht. Die Reaktionen zeigen nur eines: «Wir haben den Nerv getroffen.» Und die Stimmung der Wählerschaft.

«Olaf Scholz – unser Hero-Produkt»

Letztlich wurde Olaf Scholz der deutschen Bevölkerung bestens angepriesen. Vielleicht etwas unkonventionell. Für eine Agentur, die sonst Produkte stärkt und bekannt macht, jedoch ein kluger Einstieg ins politische Geschehen. «Da gibt es ganz viele Parallelen und gleiche Mechanismen», erklärt Lück. «Olaf Scholz ist unser Hero-Produkt, und unser Produkt begeistert.»

Wer für gute «Verkaufszahlen» verantwortlich ist, der wird in der Regel auch gut bezahlt. Gibt es eine Art Prämie für Prozentpunkte beim Wähleranteil? Schweigen. Darüber gäbe es doch keine Auskunft, erklärt Dennis Lück und lächelt. «Da bin ich eben ganz schweizerisch.» Verschwiegen. Über Geld spricht man nicht – auch in der Werbebranche.

Apropos ganz schweizerisch. Dennis Lück ist auf dem besten Weg dazu, er strebt im nächsten Jahr die Einbürgerung an. Hier in der Schweiz liegt nicht nur die Kraft seines Wirkens. Hier ist er auch erfolgreich. Im vergangenen Februar fusionierte er mit Raphael Brinkert aus Hamburg zur Agentur BrinkertLück. Und der Start war, ohne zu übertreiben, bombastisch. Der Sitz in der Schweiz startete als Einmannbetrieb, eben Lück selber. Inzwischen sind es in der Schweiz 15 Mitarbeiter und in Hamburg 25. «Ist nicht so schlecht als Start-up», sagt er. Stimmt.

Werber des Jahres – das gibt Rückenwind auf Lebzeiten

Grosse Kunden wie die Swisscom, Zürich Versicherung, Graubündner Kantonalbank oder den Hockeyclub Davos konnte er für sich gewinnen. «Das ist sehr okay.» Und geht neben dem SPD-Hype fast ein wenig unter. «Werte sind unser Steckenpferd.» Die Kommunikation und der Transfer von Werten sind die Stärken der Werbeagentur mit Sitz in Zürich und mit dem strategischen Epizentrum in Wohlen.

Und Dennis Lück darf eine Auszeichnung vorweisen, die viele andere nicht haben. Er ist Schweizer Werber des Jahres 2017. «Das hilft heute noch, das gibt immer Rückenwind.» Werber des Jahres sei man auf Lebzeiten. Nur müsse man ständig daran arbeiten, dass ein solcher Titel nicht in Vergessenheit gerät. Das hat Dennis Lück hingekriegt. Problemlos. Und kreativ. Ob Kampagnen mit der Migros, BMW Schweiz oder mit der Aktion, dass im Bündner Dorf Bergün das Fotografieren verboten wird…

«Man muss halt jedes Jahr einen Hit landen», erklärt er. «Und der nächste Hit kommt am 26. September.» Dann wählt Deutschland.

Wobei der Werber der SPD seinen Wahlzettel in der Schweiz bereits bis am 5. September ausgefüllt haben muss. Es ist klar, wo sein Kreuz hinkommt. SPD, Olaf Scholz, der neue Kanzler.

Einfach, aber die grosse Kunst

Hat denn Dennis Lück in all den Jahren ein Erfolgsrezept entwickelt? Es gehe vor allem darum, eine Idee einordnen zu können, so der Agenturleiter. Er tut dies immer anhand von diversen Kriterien. «Das ist ganz einfach, aber auch die grosse Kunst.» Und er will vor der Umsetzung wissen, ob die Idee gut ist. Dieser Check muss unbedingt im Vorfeld passieren. Danach ist zu spät. «Ich muss die Menschen zum Reagieren bringen. Ich muss in ihnen eine Reaktion hervorrufen.» Beispielsweise die Reaktion beeinflussen, das Kreuz am richtigen Ort des Wahlzettels zu machen.

Darum, die Frage ist stets präsent: Was bringt die Menschen zum Reagieren? Wie reagieren die Deutschen auf Olaf Scholz? Lück nennt die Vorzüge des SPD-Kandidaten: «Er ist immer respektvoll, charmant, sympathisch, kennt die Fakten, ist clever.»

Manchmal 15 Stunden täglich

Und Dennis Lück kennt die Befindlichkeiten seiner Landsleute auf der anderen Seite der Landesgrenze. «Ich habe die Brücke zu Deutschland nie verloren. Jetzt gerade ist sie stärker denn je», sagt der Fan des FC St. Pauli, Kultverein im Fussball. Lück verfolgt stets, was passiert in der Gesellschaft, in der Politik, im Sport. Bei aller Liebe zur Schweiz ist Deutschland wieder der Mittelpunkt. Lück versucht jedoch die Balance zu halten. Agentursitz in Zürich, grosse Kunden in der Schweiz und der Wahlkampf in Deutschland fordern ihn. Manchmal, verrät er, arbeitet er halt 14 oder 15 Stunden täglich. «Ich will Leute mit Ideen begeistern, da zähle ich doch die Stunden nicht.» Und er würde nie einen Job machen, der ihm keinen Spass bereitet. «Wenn es Spass macht, arbeite ich auch automatisch mal länger. Das führt zu keinem Verschleiss.»

Zurück zum Wahlkampf. Mit Angela Merkel nimmt eine grosse Persönlichkeit Abschied. Die scheidende Bundeskanzlerin sei «eine Person, vor der alle Respekt haben. Respekt vor ihrer Menschlichkeit und Respekt für 16 Jahre Amtszeit», betont Lück.

Grosse Namen, eine Auszeichnung

Und was würde «sein» Kanzler allenfalls besser machen? «Da genügt ein Blick ins Wahlprogramm», klärt er auf. «Er wird den Mindestlohn anheben, sich des Klimawandels annehmen, die Grundrente sichern, die Digitalisierung vorantreiben und viele Themen in Bezug auf Schule und Bildung anpacken. Olaf Scholz bringt das Land mit seiner Klarheit nach vorn.»

Und fast gehen die prestigeträchtigen Aufträge selbst in Deutschland unter. Die Agentur BrinkertLück zählt beispielsweise den Deutschen Fussball-Bund (DFB) und den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zu ihren Kunden. «Es ist schön, solch grosse Namen betreuen zu dürfen.» Das sei wie eine Auszeichnung. «Wenn wir bei diesen Verbänden etwas auslösen, spricht man darüber.» Und es sei immer speziell, wenn er merkt, «die Menschen ziehen unsere Arbeit in Betracht, damit wir ihre Zukunft mitgestalten können.» Dies gilt selbstverständlich auch für seinen künftigen Lieblingsbundeskanzler.


Bitte mehr Selbstbewusstsein

Dennis Lück über Wohlen und den Aargau

Dennis Lück steht mitten im Wahlkampf in Deutschland, dieser ist intensiv, die Kandidierenden sind ständig präsent. Auch hier ist Wahlkampf. In jedem Dorf wird der Gemeinderat neu bestellt. Gewählt wird am gleichen Tag wie in Deutschland. Am 26. September.

Der Vergleich ist natürlich ein wenig unfair. Trotzdem: Wie nimmt der Werbeexperte den Wahlkampf in seinem Wohnort wahr? «Wenn ich durch Wohlen fahre, sehe ich einfach Plakate.» Fertig. Sonst praktisch nichts. «Wo ist der Alarm, wo ist der Tiefgang?» Wahlkampf bestehe nicht nur aus Plakaten. Aber irgendwie passt das schon gemäss Dennis Lück. «Denn Wohlen, das Freiamt, ja der ganze Kanton Aargau, sie verkaufen sich immer unter ihrem Wert. Wir leben hier in einer lebenswerten Gegend.» Das dürfe man doch betonen. Immer wieder. «Aber ich glaube, man muss den Menschen hier in der Gegend zuerst das Selbstbewusstsein antrainieren.» Die vielen Qualitäten müssen laut Lück an die Oberfläche. «Es muss viel mehr und viel Positives ins Schaufenster gestellt werden.» Beispielsweise der Aargau, «das ist der Kanton der Schlösser und Burgen, herrlich».Und wird über die weissen Socken von Aargauern oder die schlechten Autofahrer gelästert, «dann muss man das mit Humor anpacken». Es ist offenbar höchste Zeit, dass Dennis Lück Aargau Tourismus berät.

Seit acht Jahren wohnt Lück mit seiner Familie in Wohlen. Oben am Rummelring. Nahe am Wald. Nahe an einem Bauernhof. «Hier haben wir viel Qualität.» Als er in die Schweiz kam, wohnte er zuerst in Richterswil am Zürichsee. «Dort konnten wir eine Postkarten-Idylle geniessen, aber hier in Wohlen ist die Lebensqualität höher», sagt Lück. Er sei ein «Überzeugungstäter», sobald es um seine neue Heimat geht. --dm


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