Ein Dorf im Ausnahmezustand

  30.07.2021 Merenschwand

Sommerserie «Grosse Kisten»: Merenschwand feiert «seine» Bundesrätin Doris Leuthard

Doris Leuthard ist die erste Freiämterin, die zur Bundesrätin gewählt wurde. In ihrer Heimat Merenschwand wurde sie gebührend empfangen und gefeiert.

Die Freude war riesig bei den Merenschwandern, als «ihre» Doris in Bern gewählt wurde. Daher gab es auch nicht einfach nur ein Fest, sondern es wurde ein Jahrhundertfest, an das sich fast jeder im Dorf, der damals mit dabei war, noch sehr gut erinnert. «Das ganze Dorf war im Ausnahmezustand. Das Festzelt war erfüllt von einer Art feierlichem Stolz», blickt Philipp Galizia zurück. Der Künstler wurde damals auserkoren, das Unterhaltungsprogramm mitzugestalten. Er kreierte eine neue Version seines Krippenspiels mit Doris Leuthard als Engel.

«Auch ich war mit Stolz erfüllt und es war eine grosse Ehre für mich, ein Teil dieses Fests der Superlative sein zu dürfen.» Besonders in Erinnerung ist ihm der Kuss, den ihm Doris Leuthard nach der Aufführung gegeben hat. «Da bin ich schon rot geworden.»

Ein Fest für alle

Doch nicht nur für die Merenschwander und ihn sei es ein ganz besonderer Tag im Juni 2006 gewesen, sondern auch für die Bundesrätin. «In Bern zu gewinnen, ist ja, wie wenn man bei Olympia Gold holt», so Galizia. «An diesem Tag konnte man ihr ansehen, dass sie extrem im Glück war und es selber kaum glauben konnte, was hier passiert. Sie war überwältigt», meint er rückblickend. Merenschwand feierte ein Fest für Doris Leuthard. Ein Fest, an das man sich bestimmt noch in den nächsten hundert Jahren erinnern wird und das sogar als Film im Ortsmuseum Merenschwand verewigt ist. --red


Unvergessen und für die Ewigkeit

Sommerserie «Grosse Kisten»: Merenschwand empfängt die neue Bundesrätin Doris Leuthard im Jahr 2006 in der Heimat

Ein Dorf steht Kopf. Grund: Eine ihresgleichen, eine Merenschwanderin, wird in Bern zur Bundesrätin gewählt. Eine Woche später, am 22. Juni, stellt die Heimatgemeinde von Doris Leuthard ein grosses Fest zu ihren Ehren auf die Beine.

Sabrina Salm

Doris Leuthard ist die erste Freiämter Bundesrätin. Diese Tatsache wurde nach ihrer Wahl zur Bundesrätin ausgiebig gefeiert. In Aarau, in Muri und natürlich in Merenschwand – ihrer Heimat – wurde Doris Leuthard gebührend empfangen. Merenschwand war im Ausnahmezustand und hat für eine ihresgleichen, die nun im Bundesrat Sitz nahm, ein Riesenfest auf die Beine gestellt. «Es läuft mir heute noch kalt den Rücken runter, wenn ich daran denke», sagt Trudi Lang. Ihr wurde der Auftrag erteilt, die Festwirtschaft an diesem besonderen Tag im Juni vor 15 Jahren zu leiten. «Wer hat schon einen Bundesrat im Dorf?»

Trudi Lang kannte Doris Leuthard schon lange. Auch sie war im Damenturnverein im Vorstand tätig. Doris Leuthard war damals Präsidentin des Vereins. «Ich habe sie damals schon bewundert. In sieben Vorständen gleichzeitig und trotzdem konnte sie alles bewältigen. Sie hat eine Begabung, die nicht alle haben. Eindrücklich.»

Riesenorganisation

«Es ist nicht nur einfach ein Fest, nein, es ist die Bundesratsfeier von unserer Doris, ein Jahrtausendfest, das wir so wahrscheinlich nie mehr erleben werden», motivierte Trudi Lang ihre Crew am 22. Juni 2006 vor dem Eintreffen der Gäste in Merenschwand. Die Crème de la Crème der Politik komme heute ins Dorf. Zwei Ehrentische waren voll mit illustren Gästen wie dem abtretenden Bundesrat Josef Deiss oder dem ehemaligen Bundesrat Kurt Furgler.

Die Anfrage für die Feierlichkeiten kam vom Kanton Aargau an die Gemeinde. Der Gemeinderat Merenschwand fragte dann Trudi Lang an. Innert fünf Wochen galt es alles zu organisieren. Trudi Lang kann sich noch an das erste Telefonat mit Margot Lang vom Kanton erinnern: «Sie fragte mich: ‹Frau Lang, können Sie das?› Und ich habe geantwortet: ‹Ja, ich kann das!›» Trudi Lang lacht. «Ab sofort gingen mir tausend Fragen und Gedanken durch den Kopf.» Sitzungen, Telefonate, Planung – an jedes Detail musste gedacht werden. Trudi Lang hatte damals einen Partyservice. «Ein Fest in einem Rahmen wie die Bundesratsfeier habe ich nicht annährend erlebt. Doch ich wusste, dass ich das meistern kann, denn ich wollte es einfach.»

Das Zelt stand zum Glück noch, da in Merenschwand erst noch das Kreisturnfest gefeiert worden war. Doch auch dieses musste geschmückt werden. «Die Schule hat die ganze Dekoration gemacht», weiss auch noch Bruno Käppeli. 5000 Schwäne schmückten das Festzelt. «Das ganze Dorf war auf den Beinen», erzählt der Dorfchronist. Überall seien Polizisten gestanden, das sei sehr speziell gewesen. Er kann sich natürlich noch sehr gut an die Feier erinnern. Er hat einen Film daraus gemacht, der im Ortsmuseum angeschaut werden kann. «Die Stimmung war grossartig. Ich habe immer gestaunt: ein Mädchen aus unserem Dorf.» Alle seien stolz gewesen. Als der Bundesratstross mit Cars nach Merenschwand kam, standen die Menschen am Strassenrand und haben gefeiert. «Das war einfach rührend.»

Alle waren Feuer und Flamme

Von der grossen Euphorie im Dorf spricht auch Trudi Lang. «Alle waren top motiviert. Auch der damalige Gemeindeammann Karl Suter war natürlich Feuer und Flamme. Er hat die Lampen im Zelt aufgehängt.» Sofort habe Trudi Lang 100 Helfer zusammengehabt. Alle Mitarbeiter trugen ein zur Verfügung gestelltes einheitliches T-Shirt mit blauem Foulard und schwarze Hosen – natürlich den Aargauer Farben entsprechend.

600 Gäste waren geladen. Die Bevölkerung durfte beiwohnen und konsumieren. «Deshalb entschied ich mich, dass wir für 2000 Personen kochen», sagt Trudi Lang. An sechs Schöpfstationen wurden 250 Kilogramm Schinken, 300 Kilogramm Kartoffelsalat, 150 Kilogramm Tomaten- und Bohnensalat, 100 Kilogramm Brot und 1000 Stück Rüeblitorte herausgegeben. 500 Flaschen Wein waren bereitgestellt.

«Alles musste auf die Minute klappen», erinnert sich Trudi Lang. Ein straffes Programm herrschte. «Es war ein gewaltiger Druck. Doch es hat alles geklappt», sagt sie und ein Lachen macht sich auf ihren Lippen breit.

Kulturelle Unterhaltung mit Philipp Galizia

Natürlich wurde auch ein kulturelles Unterhaltungsprogramm geboten. «Der Musikverein Merenschwand präsentierte als Welturaufführung den Bundesrat-Leuthard-Marsch, die Jodlervereinigung Freiamt trug das Freiämterlied vor und das Jazzensemble Wohlen spielte vier Songs. Als Höhepunkt präsentierte Philipp Galizia eine neue Version seines Krippenspiels mit Doris Leuthard als Engel. Er brachte damit alle im Zelt und vor dem Zelt zum Lachen», erinnert sich Bruno Käppeli. Er schaut sich die Bilder im Fernsehen an und meint mehr zu sich selber: «Es war ein Erlebnis von anderen Dimensionen.»

Um 21.40 Uhr verliessen die 164 Parlamentarier Merenschwand wieder. Doch das Fest ging noch weiter. Die Merenschwander hätten bis in den Morgen hinein gefeiert. Bruno Käppeli ist sich sicher: «So etwas wie damals wird Merenschwand nie mehr erleben.»

Historisch einmaliger Aargauer Anlass

Trudi Lang habe es andersherum genossen. Indem alles geklappt hat, hatte sie Genugtuung. Die Wertschätzung habe sie danach erfahren. «Von allen Seiten.» Gänsehaut bekommt Trudi Lang, die heute das Bistro Eule in Merenschwand führt, wenn sie die Zeilen von Margot Lang liest. Nach der Feier hat diese geschrieben: «Das war schlicht grossartig, liebes Trudi Lang. Sie haben mit Ihren Frauen und Männern einen perfekten Service geboten. Das wurde allenthalben festgestellt und bewundert. Es gibt ganz und gar nichts auszusetzen, nur zu loben. Eine erstklassige Leistung.» Auch von Christine Stähli, Gesamtverantwortliche Organisation Bundesratsfeier Doris Leuthard vom Kanton Aargau, gab es für Lang nur lobende Worte. «Ohne Sie hätte das logistisch aufwendige Projekt in dieser kurzen Zeit nicht realisiert werden können. Ich hoffe, es hat Ihnen Freude bereitet, bei diesem im Aargau historisch einmaligen Anlass an vorderster Front mit dabei gewesen zu sein.»


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