Der Kampf der Könige

  20.07.2021 Wohlen

Sommerserie «Tag der ...»: Der internationale Schachtag wird seit 1966 jeweils am 20. Juli gefeiert

Schach ist eines der ältesten Spiele der Welt. Und zugleich eine Sportart, die sich gerne olympisch präsentieren möchte. Auch wenn die Regeln einfach sind – um ein Meister zu werden, braucht es viel. Im Rahmen des Ferienpasses erhielten Anfänger eine erste Lektion.

Chregi Hansen

Es ist still im grossen Spiegelsaal des Vereins für Jugend und Freizeit. Auf den Tischen sind die Schachbretter aufgereiht, die Figuren stehen in ihrer Anfangsposition. 23 Kinder hören gebannt den Tipps zu, welche Arnold Mienert ihnen gibt. «Zeit ist Geld», macht er ihnen deutlich. «Jeder unnötige Zug ist ein Geschenk für den Gegner.» Und schon versuchen die Kinder, auf den Brettern das eben Gehörte umzusetzen. Werden die ersten Bauern und Springer über das Feld gezogen, hört man das Klacken der geschlagenen Figuren, ist auch mal ein leises «Mist» zu vernehmen.

Seit 55 Jahren gefeiert – und dennoch weitgehend unbekannt

Heute Dienstag, 20. Juli, wird der internationale Tag des Schachs gefeiert. Das Datum ist kein Zufall, sondern orientiert sich am Gründungstag des Weltschachverbandes FIDE am 20. Juli 1924. Die Idee, diesen Tag zu feiern, wurde von der Unesco vorgeschlagen und 1966 verwirklicht. Seither finden an diesem Tag weltweit Aktionen rund um das Schachspiel statt. So rief beispielsweise letztes Jahr FIDE-Präsident Arkadi Dvorkovich an diesem Tag alle Schachspieler auf, einem anderen Menschen das Spiel zu erklären.

«Ganz ehrlich, von diesem Tag habe ich noch nie etwas gehört», lacht Arnold Mienert. Er ist Präsident des Aargauer Verbandes und Jugendschachleiter, spielt selber seit seiner Kindheit. Und leitet diesen Ferienpass-Kurs. Auch Jörg Theiler, der Präsident des Schachclubs Wohlen, kennt den Aktionstag nicht. Aber er freut sich über das grosse Interesse am Ferienpass-Kurs. «Wegen eines Missverständnisses haben wir den Kurs dieses Jahr an zwei statt an einem Tag ausgeschrieben. Jetzt haben sich für beide Kurse jeweils über 20 Kinder angemeldet», berichtet er. Er vermutet, dass das Interesse mit Filmen zu tun hat. So war etwa die Serie «Das Damengambit» ein grosser Erfolg.

Möglichst viel spielen

Im Kurs versucht Mienert, den jungen Teilnehmern die wichtigsten Strategien zu vermitteln. Es gehe darum, das Zentrum zu besetzen und seine Kräfte so schnell wie möglich ins Spiel zu bringen. «Ein Springer ist am Rand nicht so flexibel wie im Zentrum», erklärt er. Dagegen soll man mit dem Einsatz der Dame besser warten, bis das Ziel klar ist. Bei den Ausführungen wird deutlich – dieses Spiel hat eine enorme Tiefe. Wer sich später mehr damit beschäftigen will, der findet Unmengen an Theorie. Kann Eröffnungen studieren. Sich mit dem Computer messen. Oder Partien grosser Meister nachspielen. Doch um besser zu werden, gebe es eigentlich nur ein Mittel, so Mienert. «Spielen, spielen, spielen.»

Und das tun die Kinder an den zwölf Brettern. Auch wenn mit der Zeit die Konzentration nachlässt und die Gänge zum Znünitisch zunehmen. «Schach ist ein gutes Training für Kinder», ist Mienert überzeugt. Man lernt, Situationen abzuschätzen und Entscheidungen zu treffen unter der Berücksichtigung von ganz vielen Parametern. In gewissen Schulen werde gar ein Teil des Mathematikunterrichts für das Schachspiel genutzt, weiss der Präsident des Aargauer Verbandes. Er selber hat Feuer gefangen, als er an einem Schulturnier merkte, dass andere viel besser waren. «Da sah ich, was Schach alles beinhaltet, und war motiviert, besser zu werden», erklärt der gebürtige Deutsche. Theiler wiederum hat erst später mit Schach begonnen. «Ich arbeite körperlich, es ist ein idealer Ausgleich für mich, den Geist zu trainieren», erklärt der Wohler.

Sport oder Spiel?

Inzwischen sind die Kinder am Kurs in harte Duelle verwickelt. «Es ist unser Ziel, dass jeder und jede einen Gegner aus seinem Niveau hat», erklärt Theiler, der die Spiele beobachtet und die Paarungen neu zusammensetzt. Angeboten wird der Kurs für Kinder ab 7 Jahren. «Man sollte lesen und schreiben und eine gewisse Zeit ruhig sitzen können», beschreibt Mienert die Voraussetzungen zum Schachlernen. Er hat in den vergangenen Jahren viele Lager und Kurse organisiert und kennt daher die Schwierigkeiten, mit welchen die Kinder zu kämpfen haben. «Sie können in jungen Jahren noch gar nicht abstrakt denken, das Gehirn ist noch zu wenig entwickelt. Aber Spass haben können sie trotzdem», sagt er.

Doch ist Schach nun ein Spiel oder doch ein Sport? Seit Jahren bemüht sich der Verband, olympisch zu werden, bisher erfolglos. «Wir sind ein Sportverband», macht Mienert deutlich. Auch wenn man sich letztlich einfach gegenübersitze – wer an die Spitze will, der müsse körperlich topfit sein. Dazu komme eine grosse Willensstärke. «Bis zu einem Punkt kann man Schach mit viel Fleiss lernen. Um zu den ganz Grossen der Welt zu gehören, dazu braucht es das gewisse Etwas», weiss Mienert. Und man benötigt viel Zeit, um wirklich gut zu werden. «Um ein Spitzenspieler zu werden, muss man eigentlich Profi sein. Aber in der Schweiz kann man davon kaum leben», sagt der Jugendschachleiter. So erhält der Sieger der derzeit laufenden Schweizer Meisterschaft gerade mal 5000 Franken.

Faszination wecken

Kein Wunder, ist Schach auch im Freiamt eine Randsportart. Immerhin ist der Schachverband inzwischen Mitglied von Swiss Olympic. Damit gibt es Fördergelder für Anlässe und Trainings. Der Schachclub Wohlen kämpft schon länger mit sinkenden Mitgliederzahlen, arbeitet darum eng mit anderen Freiämter Vereinen zusammen. Umso wichtiger ist die Nachwuchsförderung. Ziel des Ferienpass-Kurses ist es denn auch, eine gewisse Faszination zu wecken. Den vielen zufriedenen Gesichtern nach zu urteilen mit Erfolg.

Mienert gibt den Teilnehmern am Schluss einige Tipps mit auf den Weg. «Prüft vor eurem Zug, ob Matt droht. Kontrolliert dann, ob Figuren angegriffen werden. Wenn das der Fall ist, sucht nach einer Möglichkeit, sie zu retten. Denn jede geschlagene Figur ist unwiderruflich verloren. Und denkt immer daran: Der Gegner macht euch keine Geschenke, er wird jeden Fehler ausnutzen.» Mienert ermuntert sie, zu Hause die Geschwister und die Eltern herauszufordern. Gut möglich, dass heute in vielen Stuben die Figuren aufgestellt werden. Und sich ein erster Bauer auf den Weg macht auf die andere Seite.


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