Erlebnisflug mit der «alten Dame»

  16.07.2021 Wohlen

Abheben – in die Zukunft mit der legendären Fliegeroldie-Maschine «Beech 18»

Mit Herzblut, fundiertem Wissen und technischem Feingefühl brachte das Team um Max Vogelsang aus Wohlen die «Beech 18» wieder in einen flugfähigen Zustand, was vom BAZL bestätigt wurde. Wer kann oder darf die zweimotorige Maschine zukünftig fliegen? Es gibt sogar Mitfluggelegenheiten.

Richard Gähwiler

Die Messlatte lag hoch für die Abnahme der restaurierten «Beech 18» durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL). Im Juni 2020 erhielt die Haltergemeinschaft die Zulassung für den prächtigen Flieger, und einen Monat später war es der ehemalige Bundeswehrpilot Klaus Plasa, der die «alte Dame» zum «Erstflug» (der effektive Erstflug war 1945) entführen durfte.

Seine weitere Aufgabe war es, hiesige Piloten auf der «Beech 18» einzuweisen und bis zur Zertifizierung zu schulen. Mögliche Kandidaten waren an einer Hand abzuzählen: Da ist einmal Max Vogelsang genannt. Als erfahrener Pilot auf einmotorigen Luftfahrzeugen aller Art, verzichtete er auf ein «Multi Engine Rating».

Nils Hagander, ebenfalls Mitglied der Haltergemeinschaft, stellte sich der Herausforderung. Mit rund 4000 Flugstunden mit Fliegern aller Kategorien, von leistungsstarken Kunstflugmaschinen über komplexen Jets und mit einem speziellen Faible für Oldtimer, war die Einweisung auf die «Beech 18» für ihn eine weitere Challenge. Wie aber fliegt sich der Oldie?

Mit bewährter Avionik von gestern

«Das war nicht immer einfach – das begann schon am Boden, das Einstellen und Überwachen der Motoreninstrumente, alle mechanisch gebaut von A bis Z, überhaupt das ganze Abarbeiten der umfangreichen Checkliste. Darum fliegt man die ersten 30 Stunden mit Co-Pilot, um diese Arbeit aufzuteilen», erzählt ein begeisterter Hagander.

«Eine Herausforderung waren die Notfalllektionen. In verschiedenen Szenarien werden Störfälle simuliert. Das entsprechende Handeln muss in Fleisch und Blut gespeichert sein, damit man in der Luft dann auch entsprechend erfolgreich reagiert», erklärt er weiter. «Grundsätzlich ist es ein gutmütiger Flieger, trotzdem ist man als Pilot immer wieder gefordert.»

Wird auch mit Passagieren geflogen?

Im gleichen Zeitraum schulten auch die Piloten David Oldani und Haganders Bruder Erik. Auch sie konnten sich die Berechtigung zum Fliegen der «Beech 18» eintragen lassen. In Ablösung werden sie nun den Oldie regelmässig in höhere Sphären entführen und so auch ihre Pflichtstunden absolvieren. Soll diese Faszination der Oldtimerfliegerei ein paar wenigen Piloten vorbehalten bleiben? Kaum, denn hinter dem erhöhten Pilotensitz sind fünf komfortable Passagiersitze. Diese blieben zwar während der Schulung vorschriftsgemäss leer.

Muss das weiter so bleiben? Nach dem Absturz der Ju-52 und den daraus resultierenden Erkenntnissen verfügte das BAZL in einer neuen Verordnung, dass in historischen Flugzeugen nur noch sechs Passagierplätze belegt sein dürfen. Für die «Beech 18» mit den fünf Passagiersitzen bleibt dies ohne Folgen.

Gross meine Freude daher, als man mich zu einem Erlebnisflug einlud – mit den beiden Profis Max Vogelsang und Nils Hagander im Cockpit.

Erlebnisflug mit dem Oldtimer

Samstagmorgen Flugplatz Birrfeld. Trotz optimalem Flugwetter ist es noch ruhig. Die Dame am AIS-Schalter (Aeronautical Information Service – Flugberatungsdienst), wo sich die Piloten für einen geplanten Flug abmelden, ist bereit für ihre ersten Kunden. Diese sind noch gegenüber, im Raum für das Pilotenbriefing, bei der letzten Aktualisierung ihrer Flugvorbereitung. Was früher in aufwendiger Knochenarbeit berechnet und auf Papier gebracht werden musste, wird heute am Computer, grösstenteils bereits zu Hause, erledigt.

Das ist für den Profi Hagander nicht anders. «Die ganze Flugplanung mit Flugzeit, Treibstoffbedarf, Routenplanung, Berechnung der Start- und Landestrecke und weiteren Kriterien, die der Flugsicherheit dienen, habe ich bereits erledigt», sagts und absolviert nach Absprache mit Co-Pilot Max Vogelsang den «Preflight-Check», die Endkontrolle, mit Überprüfung des technischen Zustandes des Fliegers mit Rundgang um das Flugzeug. Und Hagander hinterlegt die Fluganmeldung bei der Dame am AIS-Schalter.

«Hotel Bravo – Golf Alpha Charly»

Dann Haganders hochgestreckter Daumen «alles OK» – das Boarding kann beginnen. Das grosszügige Kabinenambiente bietet fast mehr Beinfreiheit als die «Business-Class» in grossen Fliegern, und die breiten Rechteckfenster bieten einen grosszügigen Ausblick.

Nach dem Abarbeiten der mehrseitigen Checkliste und dem Aufwärmen der beiden 9-Zylinder-Sternmotoren meldet Hagander am Funk die Startbereitschaft für unsere HB-GAC: «Hotel Bravo – Golf Alpha Charly, Lineup and Take-off-Runway 08.» Mit meinem Head-Set (Kopfhörer und Mikrofon) kann auch ich mich zu Wort melden – nicht zur Kommunikation mit «Birrfeld» oder bei «Zürich Information» –, aber immerhin beim Piloten. Dieser schiebt bedächtig, aber zügig die beiden Schubhebel nach vorne, und zweimal 450 PS ziehen die knapp vier Tonnen schwere Maschine über die Betonpiste bis zum Abheben nach knapp 400 Metern.

Viel Manuelles im Cockpit

Unter Sichtflugbedingungen fliegt die «Beech 18» westwärts in den aufklarenden Himmel. Hagander, verantwortlicher Pilot zur Linken, ist im Steigflug mit den Hebeln zur Motorenregulierung beschäftigt, während Vogelsang für die Luftraumüberwachung verantwortlich ist. «Segelflieger auf drei Uhr», seine ruhige Meldung, während dem wir den Segler mit grossem Abstand passieren. Dieses Treffen bleibt die Ausnahme, keine weiteren Sichtkontakte zu Luftfahrzeugen.

Im Reiseflug, mit rund 350 km/h überqueren wir Jura-Höhen mit atemberaubendem Blick auf diese aussergewöhnliche Landschaft.

Der Stolz eines «Co-Piloten»

Dann der ultimative Höhepunkt, als ich im Wechsel mit Max Vogelsang den Co-Pilotensitz einnehmen durfte. Mit dem Horizont als Orientierung konnte ich mit sanfter Kraft am Steuerhorn die schwere Maschine nach links und rechts, zum Steigen oder Sinken bewegen.

Viel zu schnell folgte die Stimme von Hagander im Funk: «Ich übernehme wieder», sagts und stabilisiert die «Beech» in Horizontallage. Die Instrumente im Blickfeld und zugleich den Luftraum beobachtend, fliegt er in flotten Kurven, immer unter Einhaltung der Minimalhöhen, über einsame Weiler und beschauliche Dörfer Richtung Birrfeld.

Ob dem abwechslungsreichen Ausblick und den wechselnden Flugmanövern vergesse ich ganz, die bequemen Sitze relaxed zu geniessen. Dann Haganders Meldung aus dem Head-Set: «Birrfeld – HB-GAC – Einflug West 4000 Fuss – for Landing.» Motorenleistung reduzieren, Propellerverstellung anpassen, Fahrwerk ausfahren, Landeklappen setzen – und dies alles unter Beobachtung des weiteren Flugverkehrs auf der Volte. Auch für das professionelle Piloten-Team Hagander/Vogelsang immer wieder eine Herausforderung, die sie auch dieses Mal mit einer gelungenen Dreipunktlandung abschlossen.

VIP und Tankwart zugleich – und Nostalgikerträume

Wie schon beim Start, gibt es auch beim Zurückrollen nach der Landung Staunen und Faszination für «unseren» nostalgischen Flieger durch die zahlreichen Besucher im Birrfeld. So kann man es mir nicht verdenken, dass ich dem Flieger mit geschwellter Brust und einem coolen Lächeln wie ein VIP entstieg… Wir rollten direkt zur Treibstoff-Zapfsäule zum «Refueling», und da musste auch der vermeintliche VIP zupacken: Erdungskabel befestigen, Leiter bereitstellen, Kraftstoffschlauch ausziehen und Zählwerk beobachten. Aber erst dadurch wird Fliegen zum unvergesslichen Erlebnis.

Respekt und Bewunderung für alle die schnittig-eleganten Düsen-Jets. Für eine ganze Generation ist es aber zweifellos der unvergleichbare Sound von nostalgischen Propeller-Maschinen, welcher die Faszination des Fliegens ausmacht. Verschiedentlich sind nun solche Mitf luggelegenheiten möglich, wo sich Flugbegeisterte ihre Träume erfüllen können.


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