26 intensive Tage

  11.06.2021 Wohlen

Die sechs Mitglieder von «Judo goes Orient» konnten auf ihrer Reise quer durch Osteuropa viel Gutes tun, den Waisenhäusern in Rumänien und Bulgarien die gesammelten Hilfsgüter bringen und auch spontan vielen Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Gleichzeitig sahen sie sehr viel Armut und Leid vor Ort. Die Reise hinterliess Spuren bei den Judokas. --jl


Prägendes Abenteuer

Das Team von «Judo goes Orient» berichtet von seiner Reise durch zwölf Länder

26 Tage, zwölf Länder, zwei Waisenhäuser, eine Schule, mehrere Pannen und ein Haufen Erlebnisse. Die sechs Judokas von «Judo goes Orient» geben einen kleinen Einblick in das Abenteuer, das sie erleben durften.

Josip Lasic

Mittlerweile ist über eine Woche vergangen, seit das Team von «Judo goes Orient» wieder zurück ist. Gemütlich sitzen die sechs Judokas in der «Oase» an der Farnbühlstrasse. 26 Tage dauerte ihre Tour durch zwölf Länder. Mitgenommen haben sie zahlreiche Erlebnisse, Erinnerungen, Eindrücke.

Das Wichtigste vorneweg, Andreas und Philipp Schmid, Roger Hofer, Joél Berger, Lukas Küchler und Yanik Wechsler sind alle wohlbehalten in die Schweiz zurückgekehrt. Die Waisenhäuser in Piatra Neamt in Rumänien und in Tryavna in Bulgarien sind mit den Hilfsgütern beliefert worden. Unterwegs konnte das Sextett weitere gute Taten vollbringen und hat dabei einiges erlebt. Amüsantes, Trauriges, Beängstigendes, Schockierendes und Wunderschönes. Die Freiämter durchlebten ein buntes Potpourri an Emotionen.

Der Bus in Piatra Neamt

Die erste geplante Station war das Waisenhaus im rumänischen Piatra Neamt. Das Waisenhaus betreibt eine «Suppenküche», für die der Turnverein Besenbüren ein Transportfahrzeug gesponsert hat. Damit werden 100 arme Familien alle drei Tage mit Grundnahrungsmitteln und warmen Mahlzeiten beliefert.

Der Mahlzeitenbus ist seit einem Jahr in Betrieb und wurde von den Freiämtern mit Stickern des STV Besenbüren beklebt, damit an den Sponsor erinnert wird. Ebenso wurde ein Scheck im Wert von 21 000 Euro übergeben. «Am nächsten Tag konnten wir mit dem Bus auf Tour», erzählt Philipp Schmid. «Am Morgen fährt er in der Stadt. Am Nachmittag beliefert er Familien in einem grösseren Radius ausserhalb von Piatra Neamt.» Die Judokas waren nur am Morgen dabei. «Nach ein paar Minuten waren wir schon in den allerärmsten Vierteln. Wir konnten den Menschen Essen bringen. Darunter waren Leute, denen man die Armut richtiggehend angesehen hat. Einige von ihnen waren auch krank.»

Die Judokas waren beeindruckt, wie schnell man in Rumänien in einer Stadt in einem absoluten Armenviertel landet. «Positiv ist, dass der Bus nach einem Jahr in sehr gutem Zustand ist», ergänzt Andreas Schmid. «Die Menschen tragen diesen Dingen wirklich Sorge und der Mahlzeitendienst ist sehr gut organisiert.»

Der Nebel der «Selma»

Bevor «Judo goes Orient» beim Waisenhaus angekommen ist, musste «Selma», eines der drei Autos, in die Werkstatt. Während «Gloria» mit Andreas Schmid und Roger Hofer vorausfuhr und «Selma» mit Joél Berger und Lukas Küchler in der Mitte, funkte das hinterste Auto, «Alexa», dass sie offenbar als Einzige durch Nebel fahren.

Das schien allen Beteiligten merkwürdig. Ein Halt und ein kurzer Check lieferten des Rätsels Lösung. «Selma» hatte einen Turboschaden und hat so geraucht, dass Philipp Schmid und Yanik Wechsler im hintersten Auto dies als Nebel wahrgenommen haben.

«Selma» musste in die Werkstatt. Die Anhänger mit den Hilfsgütern konnten aber beim Parkplatz, wo das Team stationiert war, nicht bleiben. Doch es wurde eine Lösung gefunden. Es sollte nicht die letzte Panne bleiben, doch das Team hat darin nicht nur Nachteile gesehen. «Dank solchen Pannen kamen wir immer wieder in Kontakt mit den Menschen vor Ort», erklärt Andreas Schmid.

Zwischen Tourismus und Hilfe

In Bulgarien wurde das SOS Children’s Village in Tryavna besucht und ein Spendenscheck in der Höhe von 11 000 Euro übergeben. In Bulgarien war der Kontakt zu den Kindern nicht so eingeschränkt wie in Rumänien. Andreas Schmid: «Es war ein toller Moment, als wir den letzten Anhänger mit den Kindern zusammen ausladen konnten. Wir konnten mit ihnen auch spontan ein wenig Fussball spielen.»

Zurück in Blliçë

Aufgrund von Covid sollte das Team eigentlich den gleichen Weg zurückfahren. «Als wir in Bulgarien und Griechenland die BAG-Liste anschauten und feststellen, dass einige Länder gestrichen wurden, suchten wir nach Alternativen für unseren Rückweg», erzählt Roger Hofer. «Deswegen kam uns die Idee, die Schulsäcke, die wir dabei hatten, nicht in Rumänien oder Bulgarien zu verteilen, sondern nach Blliçë in Albanien zu bringen und gleichzeitig unsere finalisierten Projekte von der letzten Rallye im Jahr 2016 zu begutachten.» Mit finanzieller Hilfe wurde dort unter anderem der Bau einer neuen WC-Anlage unterstützt.

Von der damaligen Rallye waren nur noch Roger Hofer und Andreas Schmid im Team. «Trotzdem haben uns einige der Schüler wiedererkannt», erzählt Schmid. «Sie kamen voller Stolz auf mich zu, haben mir ihre Etuis gezeigt und dass sie noch alles Schreibmaterial haben. Ein schöner Moment.»

In der Ruhe liegt die Kraft

Bevor es nach Albanien ging, hat sich das Team in Griechenland noch einen Aufenthalt in einem Hotel gegönnt. «Alles aus eigener Tasche bezahlt. Nichts aus dem Teamkonto», betont Captain Andreas Schmid. «Nach einigen Tagen waren wir etwas ‹geschlaucht›. Wir schliefen ja meistens in den Fahrzeugen, reisen macht müde. Deswegen die Auszeit in der Halbzeit in Griechenland. Es hat gutgetan, wieder in einem richtigen Bett zu schlafen, zu duschen, sich mal wieder zu rasieren.»

Auch nach Albanien hat sich das Team noch etwas gegönnt. «Wir haben Montenegro besichtigt. Es ist ein schönes Ausflugsziel», so Schmid.

Keine Schweizer Hochnäsigkeit

«Wir hatten vieles vom Material, das wir dabei hatten, bereits übergeben. In Bosnien-Herzegowina wollten wir noch das Notstrom-Aggregat an eine bedürftige Familie bringen, die es benötigen kann», erzählt Yanik Wechsler. Dank dem Tipp eines Mannes konnten die Kampfsportler einem älteren Geschwisterpaar, das gemeinsam wohnt, das Aggregat überreichen und ihnen eine Freude bereiten.

Lukas Küchler greift die Aussage auf, um etwas einzuwenden: «Wir haben oft herumgefragt, ob jemand ärmere Leute kennt, die etwas von unserem Material benötigen könnten. Einmal haben wir als Antwort erhalten: ‹Wir sind hier gar nicht so arm.›» Küchler zeigt auf, dass es ein schmaler Grat ist, wenn man alles nach Schweizer Massstäben beurteilt. «Es kann schnell respektlos wirken, wenn jemand in diesen Ländern ein gutes Leben führt. Dann kommen die Schweizer und erklären ihm, dass er eigentlich arm ist und sie jetzt die Retter der Welt sind, weil sie zwei Sugus mitgebracht haben. Das war ein Augenöffner für mich, dass man nicht alles immer nach Schweizer Massstab beurteilen kann. Sonst beleidigt man die Menschen.»

Noch nicht zu Ende

Die Geschichten, die sie nach dieser Reise erzählen können, sie sind zahlreich und lang. Das Team von «Judo goes Orient» plant deshalb unter anderem einen Informationsanlass am 21. August. Anmelden kann man sich auf der Website. Solche Vorträge und Infoveranstaltungen kamen bereits nach der ersten Rallye gut an. «Viele Menschen wollten etwas über unsere Erlebnisse hören», erzählt Andreas Schmid. Ausserdem ist ein Fest für alle Unterstützer geplant.

Und da die Autos alle wieder zurück sind, bleibt die Frage: Fährt jemand vom Team nächstes Jahr an der Europa-Orient-Rallye? Das war ja eigentlich der ursprüngliche Plan. Obwohl – in Rumänien und Bulgarien sind die Judokas jeweils in eine Rallye hineingeraten, ohne dass sie es wollten. Das wären weitere viele Geschichten, die sie von ihrer Reise mitgebracht haben.


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