Das Drumherum ist auch wichtig

  28.05.2021 Wohlen

«One, two, tree»: In einem Freifach an der Kanti werden neue Lebensräume geschaffen

Gemeinsam mit Lehrpersonen, externen Beratern sowie kommunalen Stellen erarbeiten Schüler und Schülerinnen der Kanti ein Konzept zur Erhöhung der Biodiversität. Und treiben zudem die dafür notwendigen Mittel auf. Ein Projekt mit Vorbildcharakter.

Chregi Hansen

17 Uhr. Während die meisten Schüler und Schülerinnen der Kanti nach Hause eilen, nehmen die acht Teilnehmenden des Projekts «One, two, tree» Schaufel, Bohrer, Hacke und Giesskanne in die Hand und setzen vor dem Calatrava-Gebäude neue Pflanzen. Zuvor war hier ein öder Kiesplatz, den haben sie bereits in einer früheren Lektion vorbereitet, mit Hacke, Rechen und Walze.

«Es macht Spass, hier körperlich zu arbeiten und einen Beitrag zu leisten für die Natur», sagt Elian Keller, einer der Schüler, der sich für das Freifach angemeldet hat. Es sei ein Projekt für die Zukunft. Das Resultat sieht man wohl erst, wenn er selber nicht mehr die Kanti besucht. «Aber das Wissen, hier mitgeholfen zu haben, das ist ein gutes Gefühl. Und wenn ich später mal hier vorbeigehe, kann ich stolz sagen: ‹Da war ich dabei›», so der Joner. Bevor er zur Spitzhacke greift und mit Schwung neue Löcher schlägt.

Damit man etwas sieht

Auch Biologielehrerin Anna Lüthy packt tatkräftig mit an und hilft, die 75 Setzlinge in den Boden zu pfianzen. «Wir haben auf dieser Fläche vor zwei Wochen schon angesät. Aber bis diese Samen zu wachsen beginnen, dauert es noch eine Weile. Darum haben wir uns entschieden, einige Setzlinge zu pflanzen, damit man auch etwas sieht», erklärt die Lehrerin. Daneben befestigt eine andere Gruppe eine Rankhilfe an einer Wand, an der sich später Pflanzen hochhangeln können. «Ziel ist es, diese graue öde Wand zu begrünen», erklärt Lüthy. In einer späteren Phase des Projekts sollen dann auch noch Bäume und Hecken gepflanzt werden, dies aber erst im Herbst.

Mit ihrem Einsatz wollen die Schüler und Schülerinnen des Freifachs ein Zeichen setzen gegen den schleichenden Verlust an Biodiversität und für eine naturnahe Schulumgebung sorgen. Die Idee dazu stammt von Rektor Matthias Angst persönlich. «Ich wurde auf die Möglichkeiten angesprochen, welche das Areal bietet. Und war sofort Feuer und Flamme dafür», erklärt er. Im Kollegium habe man diskutiert, wie der Lebensraum rund um die Kanti aufgewertet werden kann. «Dabei entstand die Idee eines Freifachs», so Angst weiter. Es wird geleitet von Biologielehrerin Anna Lüthy und Geografielehrer Matthias Bossart.

Viele Ideen eingebracht

Acht Schüler haben sich dafür angemeldet. «Unser Ziel ist es, dass sie sich möglichst selber einbringen können. Nach Inputreferaten und einer Begehung mit einem Landschaftsarchitekten haben sie selber Ideen entwickelt, was man wo machen könnte», erklärt die Lehrerin. Nicht alles ist jedoch möglich, die Schule hält sich ein Veto-Recht vor. «Das Land gehört ja nicht uns. Auch der spätere Unterhalt muss gesichert werden», so Lüthy. Bisher aber renne man mit dem Projekt überall offene Türen ein. Sowohl beim Kanton. Beim Naturama, von dem man Unterstützung erhalte. Aber auch bei der Gemeinde. «Roger Isler von der Abteilung Umwelt war hier und hat sich alles angesehen. Er ist begeistert von unserem Vorhaben», sagt Rektor Matthias Angst.

Für ihn macht nicht nur das Innere die Qualität einer Schule aus, auch das Areal drumherum sei wichtig. Und da habe die Natur eine wichtige Funktion. Einerseits als Blickfang, anderseits als Schattenspender. «Nehmen wir zum Beispiel die grosse Platane vor dem Haupteingang. Der ökologische Wert dieses Baums mag gering sein, aber es ist der Ort, wo sich alle im Sommer treffen», sagt er. Gerade in Zeiten der Klimaerwärmung kommt der Natur als kühlendes Element eine wichtige Bedeutung zu. Bei den geplanten Pflanzungen will man in Zukunft auch darauf achten, ökologisch wertvolle Arten zu nehmen. Dabei soll besonders auch die Biodiversität gefördert werden.

Gratis gibt es das alles nicht. Es ist darum ebenfalls ein Teil des Unterrichts, die nötigen Mittel zu generieren. Die Schüler und Schülerinnen haben dafür eine Spendenkampagne generiert. Unter dem mehrdeutigen Slogan «Die Kanti floriert» kann man einen Baum oder einen Quadratmeter Hecke finanzieren. «Kaum hatten wir die Kampagne lanciert, trafen die ersten Spenden ein», freut sich Lüthy. Es sind vor allem ehemalige Schüler und Schülerinnen, die hier einen Beitrag leisten. «Sie kennen das Areal und fühlen sich mit der Schule noch immer verbunden», sagt Angst.

Grosser Lerneffekt

Der Rektor freut sich, dass seine Idee auf fruchtbaren Boden gefallen ist. «Wir hätten auch einfach eine Pflanzaktion organisieren können. Aber durch ein solches Projekt sind der Bezug und der Lerneffekt grösser», ist der Rektor überzeugt. Das bestätigt auch Lehrerin Anna Lüthy. «Bei diesem Projekt kommen viele aktuelle Themen zusammen. Der Mensch zerstört wertvollen Lebensraum. Das hat enorme Auswirkungen», sagt sie. Die Kanti Wohlen sei nicht die einzige Schule, die sich für eine naturnahe Gestaltung der Aussenflächen einsetze. «Es gibt viele ähnliche Projekte. Aber meist mit jüngeren Schülern und Schülerinnen. Dass sich auch Absolventen der Kanti dafür begeistern lassen, das freut mich besonders», sagt sie. Dies umso mehr, als diese Schüler spätestens in zwei Jahren die Kanti verlassen. Und nicht mehr da sind, wenn alles gewachsen ist und in voller Blüte steht.

Zum Nachdenken anregen

Inzwischen haben Dina Widmer und Sarah Schwarz die letzten der 75 Setzlinge geplanzt. «Eine gute Sache», finden die beiden Schülerinnen. Sie stört es auch nicht, dass ihnen die vorbeieilenden Schulkollegen komische Blick zuwerfen. «Wenn wir ihnen erklären, was wir hier machen, dann finden sie das toll», sagt Dina Widmer. Mit Plakaten auf dem Areal wird zusätzlich auf das Projekt aufmerksam gemacht. Denn das Thema betrifft alle, nicht nur die Teilnehmenden des Freifachs.

«Mit unseren Aktionen wollen wir Interesse wecken und zum Nachdenken anregen. Darum macht es gar nichts, dass das Projekt ein halbes Jahr dauert. Im Gegenteil, das ist sogar pädagogisch sinnvoll», erklärt Rektor Matthias Angst zum Schluss. Bevor er in sein Büro im Innern zurückeilt.

Infos, Bilder und alle Angaben zu den Spendenmöglichkeiten unter www. kanti-wohlen.ch/besonderes/1-2-tree.


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