«Man muss langsam Gas geben»

  21.05.2021 Wohlen

Mögliche Südumfahrung Wohlen: Anstehende Analyse ist mitentscheidend – Resultate im Herbst

Vor Jahrzehnten war sie ein Planungsstrich im kantonalen Baudepartement. Mittlerweile hat sie an Bedeutung gewonnen. Die Südumfahrung. Sie könnte Wohlens Verkehrsprobleme lösen und den Durchgangsverkehr im Zentrum minimieren. Trotzdem braucht es noch viel Geduld, bis dieses Projekt eine definitive Festlegung erfahren könnte.

Daniel Marti

Sie sollte dazu beitragen, Wohlens Verkehrsprobleme im Zentrum zu lösen. Die Südumfahrung. Davon war schon vor über einem Vierteljahrhundert die Rede. Das Thema taucht immer wieder auf, wenn in der Nachbarschaft von Wohlen Ortsumfahrungen diskutiert und realisiert werden (Sins, Mellingen) oder wenn in Wohlen selber die Haupttangenten verstopft sind, wie jetzt wegen der Sanierung der Nutzenbachstrasse.

Letztmals war eine mögliche Südumfahrung im Dezember 2018 in den Schlagzeilen. Damals bekam Grossrat Harry Lütolf vom Regierungsrat Antwort auf seinen Vorstoss. Lütolf, zugleich Einwohnerrat und Präsident von Die Mitte, ist jener Lokalpolitiker, der sich am stärksten des Themas Südumfahrung annimmt – und nicht lockerlässt. Damit knüpft er auch an der Initiative seiner Partei an, die seit rund zehn Jahren das Thema bearbeitet.

Laut Gemeindeammann Perroud  eine grosse Bedeutung

Zurück zur Interpellation von 2018. Da wurden vom Regierungsrat neue Verkehrszählungen angekündigt. Und diese wurden auch durchgeführt (siehe Artikel unten). «Die Arbeiten haben begonnen. Die erste Sitzung der Zweckmässigkeitsbeurteilung Südumfahrung Wohlen zwischen Kanton und Gemeinde fand im November 2020 statt», kann Gemeindeammann Arsène Perroud verkünden. Die Verkehrszahlen und Grundlagendaten werden laut Perroud derzeit vom Kanton ausgewertet. Der Gemeindeammann hofft, dass die Analyse im Herbst 2021 vorliegen wird.

Welchen Stellenwert hat eine mögliche Südumfahrung grundsätzlich für den Gemeinderat? Arsène Perroud: «Die Entlastung des Wohler Ortszentrums vom Durchgangsverkehr hat für die Entwicklung der Gemeinde Wohlen grosse Bedeutung.» Er verwiest dabei auf das Ziel im Legislaturprogramm des Gemeinderats. Das Wohler Ortszentrum soll durch gezielte Massnahmen aufgewertet werden. «Der Gemeinderat hat in der vergangenen Legislatur kontinuierlich in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen auf Kantonsebene verschiedene Projekte vorangetrieben.»

Arsène Perroud verweist darauf, dass die Idee einer Südumfahrung als generelles Projekt seit 1980 besteht und als Zwischenergebnis im Richtplan festgehalten ist. Aber erst jetzt werde mit der Zweckmässigkeitsbeurteilung die Absicht konkretisiert, «um damit das Wohler Zentrum vom Durchgangsverkehr zu entlasten». Die Beurteilung der Zweckmässigkeit sei ein wichtiger Schritt, um die Festsetzung im Richtplan zu erreichen.

Definitive Festlegung ist das nächste Ziel

Die Federführung liegt beim Kanton. Ohne ihn geht nichts. Trotzdem braucht es auch Initiative von anderen. Die Gemeinde sollte immer wieder Druck machen, «damit man beim Kanton die Ernsthaftigkeit des Anliegens versteht», betont Harry Lütolf, der fordert, dass nun auch die letzte Stufe der kantonalen Einordnung angestrebt werden muss. Damit ist die definitive «Festlegung» gemeint. «Dort müssen wir hinkommen.» Zuständig für diese Festlegung ist der Grosse Rat auf Antrag der Regierung.

Druck von Gemeinde oder Politvertretern kann jedenfalls nicht schaden. Seit 2018 – vielleicht auch wegen seiner Intervention – stellt Lütolf fest, «dass man im Baudepartement in Aarau der Umfahrung mehr Beachtung schenkt».

Rückwirkend hat der Vorstoss aus Wohlen etwas bewirkt. Allerdings werden die Werte der Zählung des Durchgangsverkehrs mitentscheidend sein. Auf die Analyse im kommenden Herbst darf man gespannt sein.

Wer mehr schreit, hat bessere Karten

Trotz allem braucht es die steten Forderungen aus der Gemeinde selber. Er hege eben den Verdacht, «dass der Kanton nicht alle Gemeinden gleich behandelt», so Lütolf. «Wer mehr schreit, hat wahrscheinlich bessere Karten.» Das hat der Mitte-Grossrat in seiner Erklärung zur Antwort des Regierungsrates schon gesagt.

Deshalb ist nicht nur Initiative gefragt, sondern auch allgemeine Unterstützung aus Wohlen selber. Die Mitte mit ihren beiden Gemeinderäten nimmt sich der Sache an. «Und der Gemeindeammann scheint hier offenbar auch ein offenes Ohr zu haben, wenn auch nicht mit grosser Priorität.»

Bleiben noch die Kosten oder die Investitionen. Diese dürfen laut Harry Lütolf für die Gemeinde Wohlen keine Rolle spielen, «weil der Kanton die Südumfahrung alleine finanzieren muss». Der Streckenabschnitt gilt als Kantonsstrasse ausserorts.

«Strassenkasse des Kantons ist prallvoll»

Vor neun Jahren machte eine Kostenschätzung von rund 40 Millionen Franken die Runde. Die wird längstens überholt sein und eher im dreistelligen Millionen-Bereich liegen.

Harry Lütolf ist es ein Anliegen, «dass die Südumfahrung vor Ort gut angenommen wird. Auch von den Anstössern.» Das wird erreicht, wenn eine möglichst lange Strassenstrecke in einem Tunnel geführt wird. «Mindestens von der Abzweigung beim Dorfeingang Wohlen, von Bremgarten kommend, bis zur Bünz», spekuliert Lütolf. Dann geht die Strecke weiter übers Feld – oder sogar auch dort unten durch – bis zur Kantonsstrasse. «Alles mit Tunnelbau, das wären rund 2,2 Kilometer. Tunnel heisst natürlich auch teuer.»

Es sei aber auch wichtig zu wissen, dass die Strassenkasse des Kantons «prallvoll ist. Am Geld wird die Südumfahrung nicht scheitern», so der Grossrat. Zudem können mit einem nächsten Agglomerationsprogramm des Bundes – voraussichtlich ab 2026 – noch Bundesbeiträge abgeholt werden. «Die Zeit ist günstig, aber man muss langsam Gas geben», betont Harry Lütolf.


Zweckmässigkeit wird untersucht

Das kantonale Baudepartement zur Südumfahrung Wohlen

Bei der Planung und der Realisation einer Südumfahrung in Wohlen ist der Kanton federführend und verantwortlich. Wie betrachtet das kantonale Baudepartement grundsätzlich die Südumfahrung? Wie werden Wichtigkeit und Priorität eingeordnet? Das Departement Bau, Verkehr und Umwelt nimmt Stellung.

«Bei der Südumfahrung handelt es sich um einen Richtplaneintrag auf Stufe Zwischenergebnis», sagt Simone Britschgi, Stv. Leiterin Kommunikation des Departements, auf Anfrage. Aktuell hat laut Britschgi die Abteilung Verkehr des Departements für Bau, Verkehr und Umwelt «in Abstimmung mit der Gemeinde Wohlen die Arbeiten zur Überprüfung des bestehenden Richtplaneintrags aufgenommen». In einem ersten Schritt werde die Verkehrssituation «analysiert und anschliessend die Zweckmässigkeit der Umfahrung untersucht». Bei der Bearbeitung und anschliessenden Beurteilung werden alle Verkehrsmittel miteinbezogen.

Verkehrserhebungen in den Jahren 2019 und 2020

Wird ein Projekt auf Stufe Zwischenergebnis eingeordnet, so hat dies eine klare Bedeutung: An der Trasseefreihaltung für allfällige spätere Ergänzungen des Kantonsstrassennetzes besteht ein kantonales Interesse.

Simone Britschgi kann auch bestätigen, dass im Raum Wohlen in den Jahren 2019 und 2020 Verkehrserhebungen durchgeführt wurden. Die Ergebnisse dieser Verkehrserhebungen sind im Strassenbelastungsplan festgehalten (und online über Kanton Aargau, Strassenbelastungsplan, einsehbar). «Diese Verkehrszahlen sind eine wesentliche Grundlage für die Analyse der Verkehrssituation und der Zweckmässigkeitsbeurteilung einer möglichen Südumfahrung Wohlen», so Simone Britschgi.

Ein Vergleich zur Umfahrung in Sins, die gegenwärtig gebaut und Mitte 2022 eröffnet wird: Eine Umfahrung in Sins hat eine grössere Entlastungswirkung als in Wohlen, weil zwei Durchgangsverkehrsströme (Zug/Luzern) durchs Dorf führen. Und der hausgemachte Verkehr ist in Sins niedriger als in Wohlen. --dm


Besser abwickeln

Lösungen mit dem Gesamtplan Verkehr

Die Verkehrsmenge nimmt laufend zu. Die Kapazitätsengpässe sind steigend. Da wäre doch die Südumfahrung als Entlastung ideal. Oder gibt es weitere Möglichkeiten, die angespannte Lage zu entschärfen?

«Eine Südumfahrung hilft sicher, die Spitzen zu Stosszeiten zu brechen», sagt Harry Lütolf, der sich stark für die Lösungen der Verkehrsprobleme in Wohlen einsetzt. Gemäss seiner Schätzung müsse man von einem Durchgangsverkehr zwischen 30 und 40 Prozent des gesamten Verkehrsaufkommens ausgehen. Der Regierungsrat hat in der Antwort auf Lütolfs Interpellation im Jahr 2018 selber von etwa 35 Prozent gesprochen. «Wir müssen aber auch den anderen Teil des Verkehrs, den Binnenverkehr beziehungsweise den hausgemachten Verkehr besser abwickeln.» Da müsse die Gemeinde allerdings selber aktiv werden.

Das bedeutet: Vor allem beim Binnenverkehr muss Wohlen selber Lösungen finden. In dieser Richtung könne er nichts bieten, sagt Harry Lütolf ganz ehrlich.

Dafür gibt es einen Vorstoss seiner Partei, der vom Gemeinderat entgegengenommen wurde, jedoch pendent ist. Mittels Motion wird der Gemeinderat beauftragt, den Kommunalen Gesamtplan Verkehr der Gemeinde Wohlen aus dem Jahr 2012 so rasch wie möglich den aktuellen Verhältnissen anzupassen, damit die Attraktivität der Gemeinde gewährleistet bleibt und gefördert wird. --dm


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