Allen Widrigkeiten getrotzt

  18.05.2021 Wohlen

Integra Wohlen blickt auf ein gutes Jahr zurück

Vor fünf Jahren hat die Integra das neue Hauptgebäude an der Allmendstrasse bezogen. Und damit quasi Neuland betreten – genau so wurde die neue Liegenschaft dann auch benannt. «In den letzten fünf Jahren haben wir viele Turbulenzen erlebt, aber keine Katastrophen», schaut Stiftungsratspräsident Walter Küng zurück. Wer Neues wagt, müsse eben auch ab und zu Kurskorrekturen vornehmen. Davon blieb auch die Integra nicht verschont. Gerade das letzte Jahr hat viel abverlangt. --chh


Viele Hände tragen zum Erfolg bei

Jahresabschluss 2020 und Vorstellung Logistikausbildung in der Integra Freiamt

Auch in diesem Jahr konnte die Stifterversammlung nur auf schriftlichem Weg stattfinden. Dabei hätten doch die Verantwortlichen viel Erfreuliches zu erzählen gehabt. Beispielsweise von der neuen Logistikhalle, in der junge Menschen mit Beeinträchtigungen eine Ausbildung machen können.

Chregi Hansen

Er hat die Arbeit im Griff. Routiniert verpackt Lehrling Roberto Vieira die im Webshop bestellten Waren und steuert den Hubstapler gekonnt durch die neue Halle. Er lässt sich dabei auch nicht nervös machen von den vielen Zuschauern an diesem Tag. «Er ist einer unserer Besten, wir geben ihn nur ungern weg im Herbst», sagt denn auch André Zimmermann, der Leiter der Produktion.

Neue Halle mit vielen Vorteilen

Vieira selber hofft, dass er nach dem Abschluss der Praktischen Ausbildung (PrA) im Bereich der Logistik noch eine zweijährige Attestausbildung (EBA) anschliessen kann. Er ist einer von derzeit 43 jungen Menschen, die in der Integra eine Ausbildung machen. «In den letzten Jahren haben wir die Zahl der Ausbildungsplätze massiv ausgebaut», erklärt Stefan Baumann, Mitglied der Geschäftsleitung und zuständig für den Arbeitsbereich. Ziel sei es, diese Personen möglichst in den «normalen» Arbeitsmarkt zu integrieren. Dazu arbeitet man auch mit externen Partnern zusammen, etwa der Berufsschule Scala in Aarau. Es entspricht der Philosophie der Integra, ihre Leute «draussen» zu haben, sie zu integrieren. Aber natürlich werden die Lehrlinge auch intern gefördert.

Die neue Logistikhalle, welche die Integra letztes Jahr direkt neben dem Hauptgebäude beziehen konnte, hat das Angebot nochmals verbessert. «Unser Lager befand sich zuvor in Villmergen. Der Umzug hat nicht nur die Wege und Abläufe verkürzt, wir können hier auch neue Ausbildungsplätze schaffen», so Baumann weiter. Dabei gilt: Die jungen Lernenden sollen auch ausserhalb des geschützten Rahmens Erfahrungen sammeln. Vieira beispielsweise war kürzlich für einige Zeit in der Schüwo tätig und sucht momentan eine weitere Praktikumsstelle.

Der Ausbau des Bereichs Berufsbildung ist nur ein Beispiel dafür, wie die Integra sich wandelt und sich immer wieder den neuen Bedingungen und Bedürfnissen anpasst. Und das soll auch in Zukunft so bleiben. Trotz Corona haben sich der Stiftungsrat und die Geschäftsleitung zu einer Retraite zurückgezogen und die neue Strategie für die Jahre 2021 bis 2025 festgelegt, Schwerpunkte bilden dabei die Bereiche Wohnen und Arbeiten. «Wir haben unseren Kurs angepasst und werden in Zukunft jede unserer Entscheidungen darauf prüfen, ob sie unserer Strategie entspricht», erklärt Geschäftsführer Peter Truttmann.

Herbstfest geplant

Er schaut auf ein bewegtes Jahr zurück, die Pandemie hat den Alltag in der Integra gehörig durcheinandergebracht. Umso mehr freut er sich auf zwei kommende Daten: Am 26. Mai ist der zweite Impftag, ab 1. Juni sind alle Arbeitsplätze wieder im Haus, nachdem ein Teil der Werkstätten zuvor ausgelagert war. Und noch ein Datum steht fett markiert in seiner Agenda, der 4. September. Dann soll in der Integra das Herbstfest über die Bühne gehen. «Das ist es, was wir alle am meisten vermissen. Die Events, die Feste, die gemeinsamen Erlebnisse mit Besuchern», weiss Truttmann. Nicht zuletzt hofft auch das eigene Restaurant auf eine baldige vollständige Eröffnung. «Wir möchten vermehrt Kooperationen mit Partnern eingehen, beispielsweise mit dem Kantiforum, aber auch mit anderen. Wir haben hier eine tolle Infrastruktur, eine exzellente Küche und Platz für bis zu 300 Gäste», erklärt Baumann. Ideale Voraussetzungen für tolle Erlebnisse.

Auch wenn Corona die Institution fest im Griff hatte, kann die Integra dennoch auf ein gutes Jahr zurückschauen. So ist es gelungen, sowohl im Wohn- wie auch im Arbeitsbereich die Auslastung hoch zu halten. «Das war nicht immer einfach», so der Geschäftsführer, «aber wir können unsere Leute nicht einfach in die Kurzarbeit schicken.» Doch sowohl der Wohn- wie auch der Arbeitsbereich zeigten sich flexibel. «Wir waren gezwungen, immer wieder neue Ideen zu entwickeln. Damit ist es gelungen, Aufträge, die uns weggebrochen sind, anderswo zu kompensieren», so der Geschäftsführer. Man sei, ergänzt Stefan Baumann, sozusagen die «verlängerte Werkbank der Industrie». Oder wie es Truttmann einst treffend formulierte: «Hände haben wir genug.»

Abgänge und Neuwahlen

Neuerungen gibt es aber nicht nur im Betrieb, sondern auch im Stiftungsrat. Nach elf Jahren gibt Markus Loher seinen Rücktritt und wechselt in die Stifterversammlung, für ihn wurde die Murianer Unternehmerin Sybille Wild gewählt. Die übrigen Mitglieder (Präsident Walter Küng, Vizepräsidentin Caroline Somma sowie René Eschmann und Nicole Laubacher) wurden wiedergewählt. Aus der Stifterversammlung gaben Peter Wertli, Milly Stöckli und Giordana Huonder ihren Austritt, neu wirken Daniel Urech und Matthias Fricker mit. «Wir sind angewiesen auf ein gutes Netzwerk. Auf Leute, die sich mit ihrem Namen für unsere Institution einsetzen», betont Präsident Küng.

Immer wieder investieren

Auch finanziell kam die Integra ohne Schaden durch die Pandemie. Die Einnahmen waren mit Ausnahme der Gastronomie mehr oder weniger gleich wie im Vorjahr, die Ausgaben waren wegen des erhöhten Aufwands etwas höher. Dank zusätzlichen Geldern durch den Kanton und eine einmalige freiwillige Versicherungszahlung schliesst die Rechnung positiv ab. So ist es möglich, die immer noch sehr hohe Hypothekarschuld Schritt für Schritt abzubauen. Gleichzeitig investiert die Integra regelmässig. «Wir brauchen nicht das Beste vom Besten, aber wir benötigen in unseren Werkstätten gute und moderne Maschinen. Schliesslich ist es unser Ziel, die Menschen wieder im ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, daher müssen sie solche Maschinen kennen», sagt Stefan Baumann.

Es ist spürbar, in der Integra ist man stolz auf das Erreichte. Und darauf, wie man das schwierige letzte Jahr gemeistert hat. «Es war nicht immer ganz einfach, aber wir haben die nötigen Kurskorrekturen vorgenommen und sind jetzt gut unterwegs», freut sich Präsident Walter Küng. Und noch mehr freut er sich, dass die Institution ihre Türen nach und nach wieder öffnen kann. Und hoffentlich im September zum grossen Herbstfest laden kann.


Die Integra in Zahlen

Die Wohler Institution bot im vergangenen Jahr 129 Arbeitsplätze für Personen mit Beeinträchtigung an. Dazu kamen 69 Plätze in Kreativwerkstätten, diese mussten während der Pandemie mehrheitlich extern eingerichtet werden, beispielsweise im Chappelehof. Zudem bietet die Integra an verschiedenen Standorten 74 Wohnplätze für Personen mit Beeinträchtigung an.

Finanziell auf solidem Boden

Die Stiftung für Behinderte engagiert sich aber auch in der beruflichen Ausbildung. Derzeit absolvieren 43 Personen mit Beeinträchtigung eine Ausbildung, 81 weitere befinden sich in einer beruflichen Massnahme. Betreut und begleitet werden alle diese Menschen durch 198 Personalangehörige, die sich 144 Vollzeitstellen teilen.

Die Integra finanziert sich hauptsächlich über Kantonsbeiträge (13,6 Millionen Franken), berufliche Integrationsmassnahmen (2,57 Millionen) und Erträge durch Dienstleistungen und Produkte (4,02 Millionen). Grösster Ausgabenposten sind die Löhne mit 13,94 Millionen Franken, gefolgt vom Materialaufwand (1,85 Millionen) und den Abschreibungen (1,58 Millionen). Insgesamt resultierten Einnahmen in der Höhe von 20,58 Millionen Franken und Ausgaben von 20,377 Millionen Franken. An Spenden wurden 181 000 Franken verbucht. --red


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