Antreten zum «Trainingslager»

  23.02.2021 Wohlen

Aargauer Gastronomie und Hotellerie mit speziellem Ausbildungsprogramm während des Lockdowns

Viele Restaurants und Hotels sind derzeit geschlossen. Davon betroffen sind auch ganz viele Auszubildende. Ihnen wird jetzt geholfen. «Wir wollen den Jungen eine Perspektive bieten», sagt die Wohlerin Claudia Rüttimann, Präsidentin Hotelund Gastroformation Aargau.

Chregi Hansen

«Die Situation ist schwierig. Für die gesamte Branche. Aber speziell für die Lernenden», sagt Claudia Rüttimann. Die Wohlerin ist Hotelière und Verwaltungsrätin von Aargau Hotels, zu denen auch das Hotel Villmergen gehört. Sie bekommt die Auswirkungen der Pandemie stark zu spüren. «Von unseren sechs Hotels sind drei derzeit geschlossen. Eines wird auch nicht mehr öffnen», berichtet sie.

Claudia Rüttimann ist aber auch Präsidentin der Hotel- und Gastroformation Aargau. Und darum hat sie auch den Blick für die gesamte Branche. Und speziell für die Auszubildenden. «Weil viele Betriebe geschlossen sind, fehlt ihnen die praktische Arbeit», weiss sie. Nicht nur in Hinblick auf die geplanten Abschlussprüfungen sei dies problematisch. «Den ersten Lockdown im letzten Frühling sahen viele noch als Time-out. Jetzt aber merken wir, dass die Stimmung kippt. Viele Junge werden depressiv, die Motivation sinkt, sie werden lethargisch», hat sie erfahren.

Wenn Träume zerplatzen

Und sie hat gewisses Verständnis dafür. Die jetzige Situation sei schon für Erwachsene schwierig zu handeln. «Aber für die Jungen ist es noch schwieriger. Viele hatten grosse Pläne für ihr Leben. Wollten reisen, eventuell im Ausland arbeiten. All das ist jetzt ungewiss. Sie wissen nicht mal, ob sie nach der Lehre noch eine Stelle finden», sagt Rüttimann. Vor Kurzem herrschte im Gastro- und Hotelbereich Fachkräftemangel, konnten die Jungen ihre Stellen quasi auswählen. Jetzt droht das Gegenteil. Viele Betriebe werden wohl schliessen. Nicht nur in der Schweiz.

Um den Jungen eine Perspektive zu bieten und sie aus der Lethargie zu befreien, haben die Berufsverbände im Aargau und in Solothurn ein spezielles Schulungsprogramm lanciert. Das Projekt ist in dieser Form einzigartig. Und wurde in Rekordzeit aufgegleist. In einer Art Trainingslager werden die jungen Auszubildenden während vier Tagen an speziellen Standorten im Kanton geschult. Und diejenigen, die vor der Abschlussprüfung stehen, erhalten zusätzliche Trainingstage, um sich auf das Qualifikationsverfahren vorzubereiten. «Im Moment ist noch unsicher, ob es überhaupt ein Qualifikationsverfahren gibt», sagt Rüttimann, «aber wir hoffen es sehr. Auch für die Jungen ist das wichtig.»

Intensives Training

Seit letzter Woche können an je vier verschiedenen Standorten im Aargau und in Solothurn Auszubildende speziell trainiert werden, um mögliche Ausbildungslücken zu schliessen. Im Aargau finden diese Trainings im Grand Casino Baden, im Hotel Aarehof Wildegg, im Hotel Krone Aarburg sowie im Gastro-Bildungszentrum GBZ Lenzburg statt. «Wir haben Betriebe gewählt, die viel Platz bieten, sodass die Schutzmassnahmen eingehalten werden können», erklärt die Wohlerin. Letzte Woche konnten die ersten Auszubildenden von diesem Projekt profitieren, insgesamt soll das Angebot bis im Mai fortgesetzt werden.

Es sind vier intensive Tage, welche die Lernenden in Küche und Restauration absolvieren. «Diese vier Tage entsprechen vermutlich einem Monat normaler Ausbildung», ist Rüttimann überzeugt. Zum einen wird ganz praktisch in Küche und Service gearbeitet, zum anderen aber auch theoretisches Wissen vermittelt. Pro Tag können sechs Auszubildende in der Küche und sechs weitere in der Restauration geschult werden. Als Coaches stehen Berufsbildner und Betriebsinhaber zur Verfügung, die Praxis von Praktikern vermitteln. Dies habe sich bewährt und bringe Mehrwert für alle Beteiligten, ist der Verband überzeugt.

«Es tut den Jungen gut, sich mal wieder mit anderen zu treffen, sich auszutauschen, Neues zu lernen», sagt die Präsidentin der Hotel- und Gastroformation Aargau. Mehr als 400 junge Menschen absolvieren derzeit eine Lehre in dieser Branche. Während beispielsweise die Küchen in Heimen und Spitälern normal weiterlaufen, sind die Restaurants geschlossen. Während einige Betriebe ihre Auszubildenden dennoch weiter schulen, sind andere Jugendliche auf sich allein gestellt. Hier setzt das Projekt an. Dank den Bemühungen der Verbände ist es sowohl für die Betriebe wie auch die Teilnehmenden kostenlos. «Das ist der positive Aspekt der Situation. Es fliessen eher Gelder, und die Zusammenarbeit unter den Kantonen wird verstärkt», so Rüttimann.

Lehrstellensuche ist derzeit erschwert

Sie ist begeistert vom Projekt. Und auch die ersten Rückmeldungen aus den Betrieben und von den Lernenden sind sehr positiv. Aber: Noch sehe es düster aus für die Branche. «Wir wissen nicht, wann wir wieder öffnen können. Und wie viele Betriebe den Lockdown überleben», sagt sie. Dies erschwere auch die Lehrstellensuche in diesem Jahr. «Nachfragen von Jugendlichen gibt es viele. Aber etliche Betriebe überlegen sich natürlich, ob sie im Sommer einen Ausbildungsplatz anbieten wollen.» Das aber kann dazu führen, dass zu wenig Jugendliche ausgebildet werden – und so bald wieder ein Fachkräftemangel herrscht. Umgekehrt würden sich viele Lehrlinge überlegen, noch eine Ausbildung in einem anderen Beruf zu machen.

Hotelübernachtung im eigenen Dorf

«Es sind schwierige Zeiten», sagt denn auch Claudia Rüttimann. Und dennoch: Die Branche werde überleben, ist sie überzeugt. «Das Reisen und auch das Geniessen entspricht einem grossen Bedürfnis der Menschen. Das erleben wir schon jetzt. Viele buchen eine Hotelübernachtung, um einfach mal wieder rauszukommen und fein zu essen. Und teilweise kommen die Hotelgäste gar aus dem gleichen Ort», erzählt sie. Umso mehr gelte es, möglichst unbeschadet durch diese Krise zu kommen. Um sich nachher umso stärker dem zu widmen, dem sich die Branche verschrieben hat: Menschen etwas Gutes anzubieten. Und dafür brauche es weiterhin gut ausgebildetes Personal. Damit dies auch weiterhin vorhanden ist, wurde dieses neue Projekt ins Leben gerufen.


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